"Hannes unvergessen": Rund 3.000 FCM-Fans blieben Derby fern
Früher das stimmungsvolle und hitzige Derby, findet die Begegnung zwischen dem FCM und dem Halleschen FC jetzt nicht einmal mehr unter "normaler" Drittliga-Atmosphäre statt. Am Samstagnachmittag blieb es auf den Rängen deutlich ruhiger als sonst – zum Glück. Aber auch leider.
Kein Derby-Gefühl mehr
Den Nervenkitzel vergangener Tage hatte nach den klaren Botschaften im Vorfeld des Spiels wohl kein Zuschauer mehr erwartet. Klar war: Tausende FCM-Fans würden gar nicht erst ins Stadion gehen, nicht nur in dieser Saison, sondern auf unbefristete Zeit – so lange, bis die Todesumstände von Fan Hannes, der vor nunmehr drei Jahren aus einem fahrenden Zug stürzte, klarer werden. Klar war auch: Halles Fans sahen diesen Anlass nicht, ohne dass ihnen dafür mangelnde Pietät vorgeworfen werden konnte.
Die Stadt an der Saale, kürzlich heimgesucht von einem terroristisch motivierten Attentat und dadurch zusammengeschweißt, und ihre Anhänger sehen sich nicht kollektiv in der Schuld. Sie wollen in einer stark emotionalisierten Debatte nicht pauschal als Mörder dargestellt werden. Dennoch schwingt nicht bei allen, aber manchen Verständnis mit dafür, dass auf Magdeburger Seite kein Derbygefühl mehr aufkommt. Mit dem Tod eines Anhängers ist eine Grenze übertreten worden.
Stimmung durchaus passabel
So blickten alle, die sich am Samstag allen Umständen zum Trotz in der MDCC-Arena wiederfanden, befremdlichen Rahmenbedingungen gegenüber. Reichlich Einsatzkräfte waren an den Bahnhöfen, auf dem Weg zum Stadion und in der Arena postiert – zu tun hatten sie zunächst ziemlich wenig. Akustisch fehlte der Gegenpart zu den 2.000 mitgereisten Hallenser Anhängern, die angetrieben von der sportlichen Gemengelage zunächst das Kommando übernahmen.
In der Heimkurve: verhaltene, aber gemessen an den Umständen durchaus passable Stimmung. Vor allem das "Vorwärts Magdeburger Jungs" – von den Tribünen im Wechsel gesungen – wusste im Hinblick auf die Lautstärke zu überzeugen. Dennoch kennt man die MDCC-Arena natürlich deutlich lauter. "Hannes unvergessen", prangte in großen Lettern auf einem Spruchband. Auf einem weiteren hieß es: "SF … ein Haufenfeiges Pack". Gemeint war die "Saalefront". Jene Ultra-Gruppierung des HFC, die sich zum Zeitpunkt des tragischen Unglücks von Hannes ebenfalls zu Teilen im Zug befand.
Boykott nur in Teilen des Stadions
Die Ränge füllten sich bis zum Anpfiff aber speziell auf den Sitzplätzen doch mehr als ordentlich; dem Boykott hatten sich vor allem die Fans rund um die Ultra-Gruppierung aus "Block U" angeschlossen. In Magdeburg sprach sich herum, dass vielleicht nur rund 10.000 Besucher zum "Ex-Derby" kommen würden, letztendlich aber passierten 17.449 Fans die Stadiontore und bildeten einen zumindest akzeptablen Rahmen für die Partie. Da insgesamt rund 20.500 Tickets abgesetzt worden waren, blieb somit etwa 3.000 Anhänger der Partie fern. Es war ein ungewohntes Bild. Denn dort, wo in "Block U" sonst die treusten Fans stehen, klafften riesigen Lücken.
Auf dem Feld entwickelte sich ein intensives Spiel, in dem beide Teams Räume fanden, Halle aber in der ersten Halbzeit die klareren Chancen entwickelte. Magdeburg hatte Glück, dass der HFC den aktuellen Tabellenstand noch nicht im Ergebnis widerspiegelte. Auch die Zweikämpfe verliefen mit zunehmender Spieldauer saftiger, immer wieder gerieten etwa Jürgen Gjasula und Terrence Boyd aneinander, es wurde lamentiert und diskutiert.
Zumindest auf dem Rasen war ein wenig Derby-Atmosphäre zu spüren – bis im Stadion mit dem erfolgreichen Distanzschuss von Sören Bertram alle Umstände für einige Sekunden in Vergessenheit gerieten (44.). Das war zwar immer noch weit von der üblich brachialen Lautstärke des FCM-Anhangs entfernt, die Aussicht auf eine sportliche Revanche am immer noch wenig geliebten Rivalen aber lockte das Publikum aus der Reserve.
Genugtuung für den FCM
Der Rest fühlt sich an wie ein ganz normales Drittliga-Spiel mit eingeschränkter Stimmung auf der Heimseite. Nicht weniger, aber allen voran nicht mehr. Die leise Befürchtung der Gastgeber, eine taktische Lehrstunde der so stark gestarteten Hallenser zu erhalten, blieb aus, stattdessen ackerte, kämpfte und verdiente sich Magdeburg das 1:0 – um das aber so lange gezittert wurde, bis Björn Jopek auch die letzte HFC-Chance vergab.
Nach 94 Minuten riss Stefan Krämer die Hände nach oben, ein Vater warf den vielleicht jüngsten Magdeburger Fan auf seinen Armen glückselig in die Luft und fing ihn auf. "Hier regiert der FCM", donnert es durch das Stadion, wenn auch nicht so impulsiv, so brachial wie sonst. Ein Spiel, um das viel geschrieben, gesprochen und nachgedacht worden ist, endet – ganz normal. Aber mit einem Hauch Genugtuung für alle in Blau-Weiß Gekleideten – ob im Stadion, in der Fankneipe oder dem heimischen Bildschirm.