Hansa-Busfahrer Aschenbrenner: "Dann fiel die Scheibe raus"
Er ist der „Herr der Straße“, bewegt 480 PS sicher an jedem Spieltag durch die Republik, kennt die Marotten und Eigenheiten der Spieler in und auswendig und legt mit den Hanseaten auch schon mal 50.000 Kilometer im Jahr zurück. Heiko Aschenbrenner (49), von den meisten nur „Aschi“ genannt, ist Busfahrer beim F.C. Hansa Rostock und plaudert im Interview mit liga3-online.de aus dem Nähkästchen und erklärt, warum er auch die Wäsche der Nachwuchsabteilung wäscht.
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liga3-online.de: Hallo Aschi, wie kommt man eigentlich zu diesem Job bei Hansa?
Heiko Aschenbrenner: Schon ganz früher als der Hansa-Bus in Rostock an mir vorbeifuhr, dachte ich 'Das ist dein Traum. Das will ich auch mal machen.' Jetzt bin ich im zwölften Jahr bei Hansa. Meine erste Fahrt war am 11. September 2003 beim Heimspiel gegen den VfL Bochum. Trainer war damals Armin Veh. Hergekommen bin ich eigentlich durch Onko Kodera (Zeugwart von Hansa, Anm. d. Red.). Mit Andy Thiem (Zeugwart) ging ich damals zu Schule, bin immer in Kontakt geblieben. Hin und wieder war ich auch im alten Stadion, so habe ich Onko kennengelernt. Vor elfeinhalb Jahren saß ich dann bei unserem Stammgriechen, wo rein zufällig Onko und damals noch Matthias Breitkreutz speisten. Von ihnen erfuhr ich, dass Hansa einen Busfahrer sucht. Den nächsten Tag bin ich zu meinem Chef, der mit Fußball gar nichts am Hut hatte, aber gemeinsam mit dem damaligen Teammanager die Schule besuchte. So schlossen sich die Kreise. Nach einigen Gesprächen mit Hansa ging es dann los.
Bist Du denn schon immer Hansa-Fan gewesen?
Ja klar! Ich gehe seit 1973 ins Stadion und habe selbst fünf Jahre hier als Stürmer gespielt. Da sind wir sogar Bezirksmeister geworden gegen Dynamo Wismar und ich habe im Endspiel fünf Tore geschossen. Als Torwart habe ich dann aufgehört und danach noch zwanzig Jahre bei Motor Rostock rangehängt.
Wir befinden uns jetzt in diesem doch sehr komfortablen Bus. Was hat er was andere nicht haben?
Er hat nur 32 Sitzplätze, ausfahrbare Fußbänke, eine Miniküche und Satellitenschüssel mit Sky-Receiver. Es gibt definitiv Mannschaften, auch in der 2. Liga, die nicht so komfortabel reisen.
Gibt es eine feste Platzordnung im Bus?
Jeder im Bus hat seine festen Plätze. Ganz vorne hinter mir sitzen der Cheftrainer, daneben dann der Co- und der Torwarttrainer. Es geht ein bisschen nach Hierarchie. Das ist auch immer das Erste, wenn die neue Saison losgeht: Wenn ein Platz eines 'alten‘ Spielers belegt ist, wird er gleich weggejagt. Die Neuen legen meist irgendetwas Persönliches auf den Platz – ähnlich wie das Liegen Reservieren im Urlaub – und dann behalten ihn auch die ganze Saison über.
Heißt die Älteren sitzen vorne?
Nein, nicht unbedingt. Hinten ist die Zockerrunde – da sind oft die Älteren. Die neuen Spieler müssen oftmals mit den Sitzreihen ohne diese komfortablen Beinauflagen vorlieb nehmen.
Gibt es irgendwelche Marotten von Spielern?
Damals als Marcel Schied noch für uns spielte, wurde hinten im Bus viel gepokert und die Spielchips waren immer so laut. Das klang immer so, als wenn sie direkt neben mir saßen. Aber normalerweise ist es extrem ruhig. Viele hören ihre eigene Musik.
Hat mal jemand den Bus verpasst?
Ja, das gibt es auch und es ist noch gar nicht so lange her. Das war ein Vorbereitungsspiel zur vergangenen Saison. Aber Namen nenne ich nicht. Man merkt aber durchaus, dass Fußballer keine Frühaufsteher sind. Morgens um acht Uhr sehen einige noch total verpennt aus (lacht). Johan Plat hat sich damals immer eine Isomatte und Gymnastikpads mitgenommen und schlief dann im Gang weiter.
Gibt es bei Drei-Punkte-Erfolgen eigentlich eine Sause im Bus?
Nein, das werde ich witziger Weise ganz oft gefragt. Es kommt schon vor das nach einem Erfolg einer der älteren Spieler, den Trainer fragt, ob ein Bier oder Alster gekauft werden kann. Dann gibt es ein klares Ja oder Nein. Aber es ist nicht die Regelmäßigkeit.
Wie viel Kilometer hast Du in den vergangenen elf Jahren zurückgelegt?
(überlegt) Im Schnitt pro Saison etwa 50.000 Kilometer. Vielleicht so um die 500.000 bis 600.000 Kilometer.
Hast Du schon mal einen Unfall gehabt?
Ja, aber nichts Schlimmes. Das war damals mit dem alten Bus bei einer Fahrt zu einem Trainingsplatz bei Gladbach als Juri Schlünz noch Cheftrainer war. Die Straße war sehr schmal und die Einfahrt gemauert mit einem überhängenden Betondach. Dieses Dach, links und rechts im Spiegel waren ca. fünf Zentimeter Luft, war dann doch etwas zu niedrig. Ich blieb mit dem Vorderrad in einer Mulde hängen. Der Bus kippte genau an der Scheibe, wo Delano Hill und Antonio Di Salvo saßen. Es gab einen Knall und die Außenscheibe splitterte. Am nächsten Tag dann dieselbe Prozedur, mit dem Unterschied dass fünfzig Meter vor der Einfahrt von der Truppe ein langgezogenes „Oooooooooooooh“ zu hören war. Ich hielt an, machte die Türen auf zum Aussteigen. Es ertönte ein „Pfuuuuiiiiii“ und von Juri Schlünz ein „Aschi, wir wolln dich kämpfen sehn“. Am nächsten Tag fiel die Scheibe dann raus… (lacht)
Gibt es Stadien, an die Du Dich besonders gern erinnerst?
Das geilste Stadion auch von der Logistik her, ist das Hamburger Stadion. Man fährt ganz bequem in die Garage rein, bis zur Kabine sind es etwa zehn Meter. Der alte Bökelberg in Gladbach war auch toll. Die hatten so einen ganz kleinen Hof damals, wo man parken konnte. "Mein“ erster Sieg damals nach sechs Niederlagen war die Auswärtspartie nach Gladbach. Da haben wir unseren ersten Punkt geholt und sind nach einer tollen Aufholjagd noch Neunter geworden. Ich hatte die Truppe damals ausgeladen und noch eine Kanne Kaffee in die Kabine gebracht. Und innerhalb dieser kurzen Abwesenheit vom Bus war der ganze Parkplatz zugeparkt. Mehrere Ordner mussten mich dann einweisen. Diese räumliche Enge hast du heutzutage aber nicht mehr.
Hast Du eigentlich noch Kontakt zu ehemaligen Hansa-Profis?
Ja natürlich. Ich telefoniere regelmäßig mit Perry (ehemaliger Torwart Perry Bräutigam, Anm. d. Red) und Mathias Schober, ab und an auch mit Axel Keller, Enrico Kern, Patrick Klandt und Amir Shapourzadeh. Die Schweden gucken hin und wieder mal vorbei. Da gibt es schon noch ein paar. Viele trifft man ja auch noch regelmäßig.
Wie stellt man sich Deinen Arbeitsalltag vor? Wann stehst Du auf?
Ich wache meist mit der Sonne auf. Gegen halb acht fahre ich zur Arbeit. Bei einer Auswärtspartie beginnt es mit dem Tanken, Waschen und Durchsaugen. Hinzu kommt dann die Wäsche der Amateure und nachmittags die der Junioren. Gegen zwanzig Uhr sind wir meist durch – an einem Sommerabend. Im Winter dauert das alles länger, weil viel mehr Trainingskleidung benötigt wird und demnach mehr Maschinen laufen müssen.
Das macht alles ein Busfahrer?
Ich bin ja nicht nur der Busfahrer, sondern auch Mitarbeiter im Nachwuchs – alles was die Wäsche betrifft und Vorbereitung der Saison angeht (Beflocken der Trikotsätze etc.). Manchmal holen wir auch die ganz Kleinen von der Schule ab. Wenn die Profis Heimspiele haben, bin ich am Wochenende mit dem Nachwuchs (Amateure, A- und B-Junioren) unterwegs. Aber es herrscht schon ein überragendes Arbeitsklima mit dem Zeugwart, den Physios und die Nachwuchstrainern. Man bleibt da gerne auch mal länger.