Hansa zwischen Vergangenheit und Zukunft: Sport frei!
„Sankt Pauli“ steht auf dem Grabstein. Ein paar Meter weiter steht ein Kreuz, unter dem die „Polizei“ gebettet liegt. Hinter den Hügeln ragt in grauem Teint eine kleine Kappelle hervor, die von weitem den Eindruck erweckt, als würde die Mannschaft von Hansa Rostock gerade so Platz darin finden. Der Wind besucht den Friedhof nur noch selten, weil hier keine Bäume stehen, durch deren Kronen er leise streifen könnte. Deshalb ist es hier noch stiller geworden, als es an solchen Orten sowieso schon ist. Nur ein paar Mal am Tag gerät die ganze Ruhestätte ins Beben, und zwar dann, wenn ein Zug an dem Graffiti der „Hansa – Hools“ vorbeifährt.
Hoher Schuldenberg sorft für schwerem Seegang
Ob die Mannschaft des FCH der Beisetzung der beiden Grabinsassen beigewohnt hätte, kann bezweifelt werden. Besonders, da die Elf in der vergangenen Spielzeit nichts zur Verwirklichung der künstlerischen Petition beizutragen vermochte, bleibt das Fassadengemälde zusammen mit den Pflanzen zwischen den Gleisen der Witterung ausgeliefert. Die Fans aus der Hansestadt, die möglicherweise noch die Särge ihrer Gegner zum Friedhof tragen würden, hatten in der letzten Saison mit ansehen müssen, wie ihre große Liebe beinahe selber begraben worden wäre. Mit neun Millionen Euro Schulden massiv überlastet und nur acht angeheuerten Spielern stark unterbesetzt, war nicht nur die berühmte Kogge schwerem Seegang ausgesetzt, sondern auch die Anhänger kurz davor, in den Tränen ihrer Wehmut zu ertrinken. Am liebsten hätten sie aus all den Regentropfen, denen sie beim Einprasseln auf ihr Lieblingsschiff hatten zuschauen müssen, mit der Sonne in ihren Herzen einen großen Regenbogen gemacht, in dessen Schein die Segel wieder hätten trocknen können.
Gelder drastisch gesunken
Aber Geld lügt nicht und daran hatte der Verein seit Jahren chronischen Mangel gelitten. Während auf anderen Kreuzern schon Meutereien ausgebrochen wären, kam es unmittelbar nach dem besiegelten Abstieg kam es bei den sehr emotional bekannten Fans zu verhältnismäßig wenigen Exzessen. Stattdessen führte der drohende Skorbut zu einschneidenden Einsparungen in allen Teilen des Klubs. Alleine die Summe der Fernsehgelder verringerte sich ab sofort von knapp 5 Millionen auf schlappe 800.000 Euro pro Saison. Das wiederum bewirkte, dass nicht nur die Notwendigkeit vieler Positionen der Geschäftsstelle und des Vorstandes überdacht werden musste, sondern auch der neue Spielerkader mit bescheidenen Mitteln aufzubauen war.
Mit neuer Kompetenz zum Erfolg
Den befürchteten Aufmerksamkeits- und Imageverlust für die ohnehin strukturschwache Region mochten sich viele Menschen gar nicht erst ausmalen. Die Aufgabe, diese Entwicklung zu beenden und den morschen Hansa – Frachter wieder in eine wellenbrechende Fregatte zu verwandeln, hat nun eine Leitung übernommen, deren fachliche Kompetenz nicht zu übersehen ist. Dem neuen Vorstandsvorsitzenden und ausgewiesenen Sportökonomen Bernd Hofmann gelang es nicht nur, mit dem ehemaligen Nationalspieler Stefan Beinlich einen mit Kontakten und Ehrgeiz ausgestatteten Manager zu verpflichten. Neben dem ehemaligen Akteur des BFC Dynamo schickte er sich auch an, die ehrenamtlichen Dienste der einstigen Landesfinanzministerin und Wirtschaftsfachfrau Sigrid Keler zu sichern.
Der FC Hansa ist die Marke in Mecklenburg-Vorpommern
Diese erschien bereits bei ihrer Vorstellung mit hochgekrempelten Ärmeln und war entschlossen, das enge finanzielle Korsett des Vereins vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren: „Wir sollten uns dabei nicht schlechter reden als wir sind. Der FC Hansa ist die Marke in Mecklenburg-Vorpommern. Als ich gefragt wurde, ob ich ehrenamtlich helfen könnte, musste ich nicht lange überlegen. Den Verein wirtschaftlich zu sanieren, wird zweifellos ein harter und schmerzhafter Weg. Aber er ist alternativlos.“ Durch die Gewinnung des erfolgreichen Unternehmers Dr. Peter Zeggel für den fortan ebenfalls ehrenamtlich betreuten Marketingbereich, ist die neue Führungsriege vollständig. Neben der wirtschaftlichen Rundumsanierung möchten die Blau -weißen auf diese Weise auch die Weichen für eine bessere Außenwirkung stellen. Während jene sich zuletzt durch gesonderte Aktionen der Anhängerschaft argen Prügeln ausgesetzt sah, soll das in Zukunft anders werden, damit die bundesweit rund 200 Fanklubs mehr werden. Das alles umfasst noch immer einen weitaus höheren Aufwand, als ihn die übliche Jahresuntersuchung durch die DFL im Falle des Klassenerhaltes in Liga 2 erfordert hätte.
Nachwuchsleistungszentrum sichert die Zukunft
Jedoch sind nicht wenige der Auffassung, dass dieser radikale Schnitt im Vereinsleben notwendig war, um die Hansestädter langfristig vor dem völligen Zahnausfall zu bewahren. So verschwand durch die Versammlung der besagten Fachleute im Vorstand einerseits der Hauch der jüngst fabrizierten Misswirtschaft. „Man hat uns eine marode Firma hinterlassen. Mit diesem Missstand müssen wir jetzt klarkommen. Aber so geht es vielen Vereinen hier: Dresden, Rostock, Jena – alle Klubs sind verschuldet, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben“ erklärt der neue Trainer Peter Vollmann. Andererseits verfielen durch den Abstieg auch einige hochbezahlte Spielerverträge, für deren Einhaltung der Verein nun nicht mehr aufkommen muss. Vor allem aber ist mit dem Fortbestehen des Klubs der Erhalt des Nachwuchsleistungszentrums gesichert, das bei seinem Bau 1998 eines der ersten war.
Kompass zeigt in Richtung erste Bundesliga
Mögen auch im Gebiss der Hanseaten noch hier und da Lücken auszumachen sein, sind sie sowohl mit dem angestrebten Konsolidierungskurs, als auch sportlich wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangt. Der Kompass, der langfristig auf die 1. Bundesliga ausgerichtet ist, ist noch derselbe wie Anfang der 90er, nur, dass jetzt andere Offiziere auf der Brücke sind. Ins Oberhaus, wohin er es damals mit „Wunder – Trainer“ Uwe Reinders, und auch später unter der Legende Frank Pagelsdorf, geschafft hatte, strebt der NOFV-Oberliga – Meister von 1990/91 mit aller Macht zurück. Während die Rostocker zu DDR – Zeiten im Vergleich zu diversen anderen ostdeutschen Teams eine relativ unbedeutende Rolle bekleideten, waren sie nach der Wende umso erfolgreicher – kein ungewöhnlicher Werdegang, wie ebenso Energie Cottbus unter Beweis gestellt hat. Die damals dominierenden Teams des BFC Dynamo, Lokomotive Leipzig oder Magdeburg scheinen heute ebenso in der Versenkung verschwunden zu sein, wie der Staat, unter dessen Obhut der Ligabetrieb erfolgte.
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