Pyroeinsatz sichert dem HFC kuriosen Punktgewinn

"Du bist der 12. Mann!“ Eine Phrase, die jeder Fußballfan von seinem Verein kennt, ein Phrase, die oftmals wirtschaftliche Interessen kaschiert, den Wunsch, möglichst viele Fans zum Heimspiel ins Stadion zu locken. Manchmal gilt sie auch als Dank der Mannschaft an die Fans, nach einer Saison oder nach einem wichtigen Spiel. Dann werden T-Shirts mit diesem Slogan über- und in den Fanblock geworfen, dann halten Vereinsfunktionäre Saisonabschlussreden: „Danke, ihr ward unser 12. Mann.“ Die Chancen für die Fans tatsächlich selbst ins Spielgeschehen eingreifen zu können tendieren hingegen gegen Null. Im Amateurfußball, wo der Umgang noch rauer und die Absperrungen zum Spielfeld noch provisorischer sind, sind sie vielleicht etwas präsenter, im Profifußball sichern Ordner und notfalls die Polizei den als notwendig erachteten Abstand zwischen Spielern und Anhängern. Und trotzdem musste man am Sonntag nach dem Abpfiff des Spiels zwischen dem Chemnitzer FC und dem Halleschen FC zugeben: Die Fans der Gastmannschaft hatten ihrem Verein einen Punkt gesichert. Doch der Reihe nach…

Sechs Minuten Spielunterbrechung

Die Partie der beiden Ostvereine begann zunächst fahrig und hektisch. Von der Routine, die den HFC in den letzten Spielen ausgezeichnet hatte, war anfangs wenig zu sehen und auch der CFC tat sich in den ersten 45 Minuten schwer, ein geordnetes Spiel aufzuziehen. Zwar konnte man ein kleines Chancenplus auf Seiten der Sachsen verzeichnen, die Chancen resultierten aber selten aus sauber ausgespielten Kombinationen und mehrheitlich aus individuellen Unstimmigkeiten im Defensivaufbau der Gäste. Beim HFC war das Fehlen von Francky Sembolo deutlich zu merken, auch wenn Tony Schmidt sich auf der rechten Seite große Mühe gab, die Leihgabe von Arminia Bielefeld, die vermutlich für die englische Woche geschont wurde, würdig zu ersetzen. Insgesamt blieb die erste Hälfte aber fußballerische Schonkost und mit einem leistungsgerechten 0:0 ging es zunächst in die Kabine. Mit dem Anpfiff der zweiten Halbzeit dann der erste Knackpunkt: Aus dem Gästeblock steigt schwarzer Rauch, es werden Fanutensilien der Chemnitzer zerrissen. Vertreter beider Fanszenen bepöbeln sich schließlich auf den anliegenden Zäunen, die üblichen Machtspiele zweier Rivalen aus einer Region. Mit der Besonderheit, dass Schiedsrichter Benjamin Cortus für mehr als sechs Minuten unterbrach, die Mannschaften allerdings nicht in die Kabine schickte. Die Uhr lief während dem Tumult im Gästeblock weiter.

Hand-Tor und Ausgleich in der Nachspielzeit

Danach wurde das Spiel auf dem Feld zunächst spritziger, sowohl der HFC, als auch der CFC taten mehr für den Angriff, mit dem zunächst glücklicheren Ergebnis für die Chemnitzer, die nach einem strittigen Tor von Silvio Bankert in Führung gingen (69.). Bankert hatte nach einer Ecke den Ball aus der halben Drehung ins Tor geschossen, dabei allerdings unabsichtlich seine mitschwingende Hand gestreift. Der Schiedsrichter entschied zu recht auf Tor, zum Ärger der Hallenser. Diesen Ärger schaffte es die Mannschaft von Sven Köhler dann auch in den Angriff einzuarbeiten, mittlerweile standen mit Furuholm, sowie den eingewechselten Merkel und Sembolo alle Stürmer der Hallenser auf dem Feld, jedoch scheiterten zunächst auch alle an CFC-Torwart Philipp Pentke. So wäre es am Ende eine enttäuschende 1:0-Niederlage für den HFC geworden, wenn da nicht noch die Nachspielzeit gewesen wäre, die aufgrund des erwähnten Pyroeinsatzes und diverser kleiner Nickligkeiten in der zweiten Hälfte sage und schreibe 10 Minuten betrug. Und es gelang das Wunder: War Timo Furuholm noch einen Augenblick zuvor kläglich an Pentke gescheitert, so traf Francky Sembolo – wer sonst? – in der 90+9. Spielminute per Kopf zum 1:1-Ausgleich.

Fader Beigeschmack für alle Beteiligten

Während der HFC jubelte, lagen die Nerven beim Gastgeber nach der Partie blank. Torschütze Bankert und CFC-Trainer Heine sprachen in den folgenden Interviews aus, was manch CFC-Fan auf dem Heimweg sicher nicht so diplomatisch dachte: Die Fans des HFC hatten sich mit ihrem Fehltritt auf den Rängen praktisch selbst beschenkt und ihrem Team durch die von ihnen verschuldete Nachspielzeit einen Punkt gesichert. Doch auch auf Seiten der Hallenser Spieler hatte die Freude über den späten Ausgleich einen leichten Dämpfer. So bezeichnete ein sichtlich beleidigter Kapitän Daniel Ziebig die Verursacher der Spielunterbrechung als „keine echten HFC-Fans“ und äußerte sich darüber hinaus sehr enttäuscht über Beschimpfungen, die er kassiert habe, als er am Block für Ruhe sorgen wollte. So bleibt unterm Strich ein fader Beigeschmack beim späten Punktgewinn, für den CFC sowieso, der nach wie vor in der Tabelle nach unten schauen muss, aber auch für den HFC und den Fußball an sich. Man mag von Pyrotechnik und Machtkämpfen zwischen Lokalrivalen halten was man will – manch einer verteufelt es, für andere gehört es zum Fußball dazu – allerdings darf das Spiel an sich nicht von den Duellen auf den Rängen so direkt beeinflusst werden. Hier geht die Frage auch an Benjamin Cortus, warum er das Spiel nicht, wie in Ländern mit deutlich regelmäßigerem und umfangreicherem Pyroeinsatz üblich, komplett unterbrochen und am Ende eine „normalere“ Nachspielzeit spielen lassen hat, als 10 Minuten, die den HFC zum Ausgleich praktisch einluden.

FOTOS: Roman Richter

   

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