Über acht Stunden: Turbulente Jahreshauptversammlung beim VfL

Um 11:15 Uhr sollte die längste Jahreshauptversammlung in der Geschichte des VfL Osnabrück eingeläutet werden. Rund acht Stunden debattieren die 274 anwesenden Mitglieder kontrovers aber größtenteils fair über die 15 Tagesordnungspunkte. Hier und da brach auch die Emotionalität aus, was wiederum den Lautstärkepegel anheben ließ. Der vom Klub angestrebten Patronatserklärung, dem wahrscheinlich wichtigsten Punkt auf der Agenda, erteilte die Versammlung nur eine knappe Zustimmung. Zudem erhielten die ehemaligen Präsidiumsmitglieder Gerd Lehker und Günter Niemeyer keine Entlastung.

Kader vom Ausgabevolumen her im Mittelfeld der Liga 

Nach der Begrüßung nahm VfL-Präsident Christian Kröger einen Rückblick ausgehend von der letzten Jahreshauptversammlung 2012 vor, als die Ausgliederung des Profifußballs in eine andere Rechtsform beschlossen wurde. Auch auf Ex-Trainer Claus-Dieter Wollitz ging er näher ein und berichtete von einem Gespräch, in dem der Fußballlehrer deutlich machte, dass er nur beim VfL bleiben werde, wenn es massive Gehalterhöhungen gebe. Nach dem Scheitern des Aufstiegs in die 2. Liga saß der Stachel bei allen tief. ,,Vier bockige Spieler saßen nach der Relegationsniederlage in der Ecke mit ihrem Handy, die vorher noch gesagt haben, dass sie nur bei einem Angebot von Arsenal London oder Bayern München wechseln würden.“ So etwas brauchen wir hier in Zukunft nicht mehr. Zur finanziellen Lage sagte Kröger, dass nach mehrmaligem Anschauen des von der Stadt Osnabrück zur Verfügung gestellten Darlehens klar war, dass die Finanzspritze nicht mal bis zum Saisonende reichen würde. Am Ende stand ein Defizit von etwas mehr als zwei Millionen Euro zu Buche. ,,Wir konnten die Zahlen nicht Ende Februar veröffentlichen, da die Stadt der Auffassung war, dass es sonst Probleme bei der Umfinanzierung geben könnte.“, so der 45-Jährige, der derzeit versucht auch beim DFB wieder Vertrauen aufzubauen. Weiterhin machte er deutlich, dass ,,die Jungs aus der Mannschaft nur noch einen Bruchteil von dem verdienen, was die letztjährigen Spieler bekommen haben.“ Der Etat konnte folglich um 11 Prozent (389.579 Euro) gesenkt werden. Der Kader der Lila-Weißen findet sich somit vom Ausgabevolumen im Mittelfeld der dritten Liga wieder.

  ,,Das gibt es nur beim VfL"

Bekannt wurde außerdem, dass das für die laufende Spielzeit geplante Minus von 762.000 Euro nicht erreicht wird, man also besser dasteht als erwartet. Dann wurde es zum ersten Mal gefühlsbetont. ,,Welcher Klub in Deutschland kommt drei Mal in die Relegation, steht danach sofort wieder auf und verkauft über 5000 Dauerkarten? Das gibt es nur beim VfL.“ zeigte sich Kröger Stolz über die Treue der Anhänger. Zur Frage weshalb bisher keine potentiellen Investoren eingestiegen sind hieß es,  dass dies der wirtschaftlichen Situation geschuldet ist. ,,Wir versuchen die KGaA zu bewerten und eine Dreijahresplanung erstellen, um einen mittelfristigen Weg aufzuzeigen, wie es weitergeht. Zudem haben wir in diesem Jahr trotz der schwierigen Situation unsere Einnahmen im Sponsoring verbessert.“

Ex-Präsident Lehker im Wortgefecht

Ex-Präsident Gerd Lehker in der Diskussion.

Nach geraumer Zeit trat dann Gerd Lehker, bis Mitte Februar noch Präsident des Traditionsklubs, an das Mikrofon und erwiderte der Aussage Krögers, der zuvor behauptete, dass er bei Amtsantritt am 9. Dezember 2012 noch nicht umfassend über die finanzielle Situation informiert gewesen sei. ,,Sie waren in alle Prozesse mit einbezogen und bei den Finanzierungsgesprächen mit der Stadt dabei. Sie empören sich immer wieder wie es sein kann, dass man Sponsorengelder vorgreift, die für andere Jahre vorgesehen sind. Ich frage mich aber wo der Unterschied liegt. Ob sie Einnahmen vorgreifen oder Gelder von lebenslangen Dauerkarten ist doch dasselbe“  Nun war Dampf im Kessel und ein erstes Wortgefecht hallte durch die Versammlung. Kröger konterte: ,,Wir wollten eine Bestandsaufnahme und einen Kassensturz im Gegenteil zu Ihnen“, rief er lautstark den Mitglieder zu, die seine Worte mit Applaus attestierten. ,,Wo gab es denn im letzten Jahr eine Not zwei Millionen Verlust zu machen? Haben sich die Fans mit der Forderung auf den Rathausplatz gestellt, dass wir in die 2. Liga und deshalb Verlust machen müssen?“. Doch auch Lehker ließ nicht locker und bezeichnete einige Darstellungen als falsch. ,,Wir sind hier keine Pommesbude beim VfL. Wir machen in jedem halben Jahr eine Bilanz, die von einem Wirtschaftsprüfer geprüft wird. Deshalb verstehe ich nicht, warum man Anfang des Jahres noch eine Bestandsaufnahme durchführen muss.“ Die Entlastung wurde ihm mit 83 Nein-Stimmen (59 Ja, 22 Enthaltungen) am späten Nachmittag verweigert.

Geschäftsführer Wehlend spürt kein Vertrauen

Weiterhin kam Geschäftsführer Jürgen Wehlend zu Wort. Im Vorhinein gab es Gerüchte, dass man über die Auflösung seines bis 2015 laufenden Vertrags verhandeln würde. ,,Ich sage ihnen ganz offen, ich habe noch nie so viel Druck wie in den letzten 10 Monaten erfahren". Auch gibt er offen zu, dass kein Vertrauen und Zutrauen von der Vereinsführung zu spüren ist. Das Verhältnis zu Präsident Kröger bezeichnet er gegenüber ,,os1.tv" als ,,arg belastet". Die Stellenausschreibung eines zweiten Geschäftsführers, der ihn bei den anstehenden Aufgaben unter die Arme greifen soll, ist für ihn nicht gänzlich verständlich. ,,Meiner Meinung nach braucht der VfL nicht zwingend einen zweiten Geschäftsführer. Ob er finanzierbar wäre, kann ich nicht beurteilen. Ich bin darin nicht eingebunden. Aber ich glaube nicht, dass der VfL derzeit in der Lage ist, zwei Geschäftsführer zu finanzieren." Zusammenfassend war es ein turbulenter Tag für alle Beteiligten, den man in dieser Form nicht erwartet hat. Am Ende sind einige offene Fragen geblieben, die allerdings in den nächsten Wochen geklärt werden sollen. Der Schuldenstand aller Gesellschaften der Lila-Weißen beträgt insgesamt 10,3 Millionen Euro, die Nettoverschuldung liegt bei rund 9,8 Millionen. Abschließend lässt sich sagen: Beim VfL ist immer etwas los und das wird sich voraussichtlich auch nicht ändern.

Die Jahreshauptversammlung in Fotos:

 

FOTOS: Flohre Fotografie

   

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