Jan Zimmermann: "Darmstadt gehört in höhere Gefilde"
Er ist Torhüter, Kapitän und Leistungsträger beim Aufsteiger SV Darmstadt 98: Jan Zimmermann. Nach Lehrjahren in der Bundesliga und anschließender, langer Verletzung wechselte der 26-jährige im Winter 2010/2011 zum damaligen Regionaligisten und war einer der Garanten für den sensationellen Aufstieg der Hessen in die dritte Liga. Im Gespräch mit liga3-online.de verrät Zimmermann, wie er die Zukunft bei den Lilien sieht, seine Zeit bei Eintracht Frankfurt erlebt hat und was für ein Typ Trainer Kosta Runjaic ist.
liga3-online.de: Jan, Du hast ein interessantes Tattoo auf dem rechten Oberarm. Hat das eine ganz spezielle Bedeutung oder eine Geschichte?
Jan Zimmermann: Es sind vier lateinische Sätze, die übersetzt folgendes bedeuten: "Ich trage meinen Namen mit Stolz, ich werde durch das Leben erfreut (Liebe das Leben), ich weiß Gott an meiner Seite, ich liebe meine Familie." Diese Sätze sprechen denke ich für sich und beschreiben auch ein bisschen meine Lebenseinstellung. Auch meine anderen Tattoos haben jeweils eine für mich wichtige Bedeutung, da ich mir nur Tattoos stechen lasse, die für mich eine lebenslange Gültigkeit besitzen, da die Tätowierungen ja nun auch sehr lange halten.
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liga3-online.de: Du spielst jetzt seit der Rückrunde 2010/2011 beim SV Darmstadt 98. Wie kam der Kontakt mit den Lilien damals zustande?
Zimmermann: Ich hatte mit unserem Co-Trainer Tuncay Nadaroglu seit unserer gemeinsamen Zeit bei der U23 der Frankfurter Eintracht immer mal wieder Kontakt. Er war es auch, der damals den Kontakt zu Kosta Runjaic hergestellt hat, als ich nach meiner Schultereckgelenksprengung wieder einsatzfähig war. Und da sich meine als auch die Situation beim SV 98 dementsprechend dargestellt hat, und auch die Gespräche zwischen Kosta Runjaic und mir sehr gut verlaufen sind, führte es dazu, das ich zur "Lilie" wurde.
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liga3-online.de: Stichwort Kosta Runjaic: Was ist er für ein Typ? Wie kann man ihn als Trainer und Mensch beschreiben?
Zimmermann: Er ist sicherlich einer der kommunikativsten Trainer, der uns nicht nur auf dem Platz, sondern auch durch exakte Analysen wie zum Beispiel Videoanalyse, Taktiktafel, etc. sehr gut schult und weiterentwickelt. Er vermittelt uns durch das Zusammenspiel von Training, dem Spiel auf dem Platz und in den Analysen, beziehungsweise den Taktikbesprechungen seine Spielphilosophie.
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liga3-online.de: Wie würdest Du seine Spielphilosophie beschreiben?
Zimmermann: Sie ist klar auf ein aktives Spiel ausgelegt. Das bedeutet, das wir im Gegensatz zu vielen anderen Teams der dritten Liga nicht passiv auf Fehler des Gegners warten, sondern uns über viel Ballbesitz, eine gute Raumaufteilung und gutes taktisches Verhalten unserer Torchancen selbst kreieren.
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liga3-online.de: Kosta Runjaic hatte ja des Öfteren die schlechten Trainingsmöglichkeiten aufgrund der recht dürftigen Infrastruktur in Darmstadt bemängelt. Wie sieht Euer Training denn aktuell aus, auch durch den Umzug in den Bürgerpark (Anm. d. Red.: kleineres Stadion im Nordosten Darmstadts)? Wie geht ihr mit der Situation um?
Zimmermann: Sicherlich ist gerade bei unsere Art Fußball zu spielen und den dementsprechenden Trainingsinhalten der Zustand der Trainingsplätze sehr wichtig. Deswegen sind wir auch sehr froh, den Bürgerpark nutzen zu können, da wir dort originale Spielfeldmaße sowie eine gute Rasenqualität zur Verfügung haben. Des Weiteren nutzen wir auch regelmäßig unsere Kunstrasenplätze, da dort das Passspieltraining wesentlich besser umzusetzen ist, als auf unserem Naturrasenplatz.
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liga3-online.de: In welchen infrastrukturellen Bereichen siehst Du beim Club Verbesserungsbedarf, bzw. wo müsste man zu allererst ansetzen?
Zimmermann: Ich denke, dass der Verein in den letzten Jahren die Weichen gestellt hat, um finanziell solide aufgestellt zu sein. Dadurch kann in der nächsten Zeit auch die Infrastruktur des gesamten Vereins verbessert werden. Das ist unerlässlich für die Weiterentwicklung des SV 98. Was zu welchem Zeitpunkt umgesetzt wird, beziehungsweise werden kann, das kann ich hier allerdings nicht beantworten.
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liga3-online.de: In wie weit unterscheidet sich das Training bei den Lilien von dem bei einem Proficlub wie der Frankfurter Eintracht, bei denen Du ja auch fünf Mal in der Bundesliga zwischen den Pfosten standest?
Zimmermann: Grundsätzlich steigt das Trainingsniveau natürlich mit der Qualität der Mitspieler. Und da ist der Unterschied bei uns im Vergleich zum Vorjahr schon spürbar. Aber einen Unterschied der Trainingsinhalte zwischen Bundesliga und dritter Liga gibt es nicht. Der begründet sich eher durch den jeweiligen Trainer. Und hier muss ich ganz klar das Training von Kosta Runjaic loben, der wie schon erwähnt, sehr akribisch seine Spielphilosophie trainieren lässt und auch durch seine Ansprüche für ein hohes Niveau sorgt.
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liga3-online.de: Wenn Du das gesamte Umfeld zwischen beiden Vereinen, der Eintracht und den Lilien vergleichst, wo finden sich Parallelen, was ist bei dem einen Club anders als beim anderen?
Zimmermann: Sowohl die Eintracht, als auch der SV Darmstadt 98 sind Vereine mit sehr viel Tradition und einer begeisterten Fangemeinschaft. Aber Vergleiche hinken hier, denn Frankfurt hat durch die langjährige Zugehörigkeit der ersten und zweiten Bundesliga wesentlich bessere Voraussetzungen. Darmstadt hingegen ist noch wesentlich näher dran am Kern und der Fußballleidenschaft. in Frankfurt spürt man die Entwicklung hin zum Geschäft schon um einiges mehr.
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liga3-online.de: Wie würdest Du Deine frühere Situation und Zeit bei der Frankfurter Eintracht beschreiben, auch im Hinblick auf Deine damalige Verletzung?
Zimmermann: Da muss man sicherlich in verschiedene Phasen unterteilen. In meinen ersten Jahren war ich lediglich der junge, dritte Torwart, der bei den Profis mit trainieren durfte, aber in keiner Konkurrenz zu den etablierten Keepern wie Oka Nikolov oder Markus Pröll stand. Später attestierte mir mein damaliger Trainer Friedhelm Funkel eine sehr gute Entwicklung, und dass ich mich leistungstechnisch auf einem Niveau mit den beiden anderen Torhütern befände. Leider kam er nicht mehr dazu, sein Versprechen einzulösen, in dem er mir die Chance auf Einsätze versprach, da er kurz darauf die Eintracht verlassen hat. Ab da war für mich die Zukunft bei der Eintracht verbaut, da auch zeitgleich Ralf Fährmann als zukünftige Nummer eins verpflichtet wurde. Danach kam dann auch meine lange Verletzung dazu und so war ich bestrebt, mich umzuorientieren.
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liga3-online.de: Wenn Du zurückdenkst, was waren denn Deine persönlichen Highlights aus der Aufstiegssaison 2010/2011? An was erinnerst Du Dich besonders gerne?
Zimmermann: Da etwas Spezielles zu nennen, ist mir unmöglich. Die komplette Rückrunde war ein Highlight, da könnte ich jedes einzelne Spiel aufzählen. Aber als wirkliches Highlight für mich empfinde ich das Zusammenspiel zwischen den Fans und der Mannschaft. Ich bin auch im Nachhinein immer noch beeindruckt, wie eng wir alle zusammen standen, um den Aufstieg zu verwirklichen. Und als wir dann alle zusammen den Aufstieg am Bölle feiern konnten, war dieses „Zusammen“ absolut überwältigend.
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liga3-online.de: Ein Schwenk auf die aktuelle Situation: Ihr spielt als Aufsteiger bislang eine gute Runde, habt zum Teil tolle Spiele gezeigt. Aktuell steht ihr jedoch „nur“ auf Rang 16, habt dabei aber etwas Luft zu den Abstiegsrängen. Wie zufrieden bist Du mit der bisherigen Saison?
Zimmermann: Wenn man unsere Voraussetzungen betrachtet, mit dem späten Aufstieg, dem niedrigen Budget, den vielen Spielern ohne Profierfahrung und den schlechten Trainingsbedingungen, dann können wir sicherlich zufrieden sein. Aber wenn man die einzelnen Spiele, unsere Qualität und unser Training betrachtet, dann wären mehr Punkte durchaus möglich gewesen bzw. hätten wir sie uns verdient. Aber es ist an uns, die Punkte zu erspielen, sie zu erarbeiten. Deswegen helfen uns Gedankenspiele unter dem Motto „hätte, wäre, wenn“ nicht weiter.
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liga3-online.de: Wie schätzt Du die weitere Entwicklung beim SV 98 ein? Kann man in ein oder zwei Jahren in der Tabelle auch weiter nach oben schielen, hat der Verein das Potential für eine Rückkehr in Liga 2?
Zimmermann: Der Verein arbeitet im Moment daran, die Entwicklung voran zu treiben. Das Potenzial hat er absolut. Alleine schon durch die einzigartige Fangemeinschaft. Wer in der Regionalliga gegen die zweite Mannschaft des FSV Frankfurt 7.500 Zuschauer ins Stadion lockt und beim Saisonfinale gegen Memmingen mit 17.000 Fans ein fast ausverkauftes Haus hat, der gehört einfach in höhere Gefilde als nur in den Abstiegskampf der dritten Liga. Auf unser Team bezogen kann ich definitiv sagen, dass die Substanz in Verbindung mit der hervorragenden Arbeit des Trainerteams zwangsläufig zu einer Weiterentwicklung führen wird.
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liga3-online.de: Du bist nach Deiner Ankunft in Darmstadt relativ schnell auch Mannschaftskapitän geworden. Was verbindest Du mit dem Amt, macht es Dich auch ein Stück weit stolz?
Zimmermann: Es macht mich natürlich sehr stolz, denn ich darf mich Kapitän des SV Darmstadt 98 nennen und bin damit auch der Kapitän aller Lilienfans. Ich darf das Team als erster aufs Feld führen und den Verein nach außen hin repräsentieren. Es ist schön zu wissen, dass ich von Kosta Runjaic so viel Vertrauen entgegengebracht bekomme. Intern bedeutet es, dass ich das Team führe und den Spielern, wo ich kann, helfe. Es bedeutet aber auch, dafür zu sorgen, dass der Erfolg nicht gefährdet wird. Das heißt zum Beispiel, dass ich zuweilen auch unangenehme Dinge klar anspreche und kontraproduktive Strömungen bereits im Vorfeld versuche zu verhindern.
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liga3-online.de: Als Kapitän und Leistungsträger ist es für die Fans natürlich auch interessant zu wissen, wie es mit Dir und den Lilien weitergeht. Dein Vertrag läuft aus. Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Vertragsverlängerung?
Zimmermann: Wir sind in Gesprächen und diese verlaufen bislang positiv. Allerdings kann ich mehr dazu nicht sagen, da ich Stand jetzt noch nichts vermelden kann und keine Wasserstandsmeldungen über den Verlauf geben möchte.
Interview: Frank Leber
Foto: www.o-m-d.org