Janßen im Interview: "So etwas werde ich wohl nie wieder erleben"
Im Sommer endet eine von Erfolg geprägte Ära: Viktoria Köln-Coach Olaf Janßen spricht mit liga3-online.de über die Gründe für seinen Abschied nach Saisonende, seinen Co-Trainer und Nachfolger Marian Wilhelm, seine persönliche Zukunft und die am Sonntag mit dem Top-Spiel bei Spitzenreiter Dynamo Dresden startende Rückrunde.
"Wir mussten das Budget dritteln"
liga3-online: Noch vor dem Start der Rückrunde gab Viktoria Köln bekannt, dass Sie im Sommer an Ihren aktuellen Co-Trainer Marian Wilhelm übergeben und den Verein verlassen werden. Was sind die Gründe für diese Entscheidung, Herr Janßen?
Olaf Janßen: Wir hatten nach der Saison 2023/24 unser Sommer-Meeting mit einem Ausblick auf das neue Jahr. Dabei haben wir besprochen, dass wir aus wirtschaftlichen Gründen viele Leistungsträger nicht halten können. Wir mussten das Budget dritteln, und viele Spieler und Mitarbeiter passten nicht mehr in den finanziellen Rahmen. Zwar hatte ich noch einen laufenden Vertrag, und der Verein wollte gern mit mir weitermachen. Aber die Viktoria hat mir freigestellt, ob ich bleiben möchte. Wir haben dann festgestellt, dass Marian Wilhelm mein perfekter Nachfolger werden könnte und sind von ihm als Mensch und Coach extrem überzeugt. Er ist seit vielen Jahren in verschiedenen Positionen im Verein tätig. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit habe ich meine Entscheidung getroffen: Ich bleibe noch ein Jahr, weil ich überzeugt davon bin, dass das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, und übergebe dann an Marian Wilhelm.
Erklären Sie den letzten Satz gern einmal genauer.
Wir haben in den bisherigen viereinhalb Jahren eine DNA entwickelt, die erkennbar von außen für uns als Verein steht und es geschafft, diese DNA durchlässig in den gesamten Verein zu transportieren. Selbst bei unserer U12 erkennt man mittlerweile den Fußball, für den wir stehen wollen. Außerdem war es immer unser Ziel, den Klub dauerhaft in der 3. Liga zu etablieren. Hinzu kommt – und das ist sicher ein Mitgrund für das zusätzliche Jahr – , dass die Einarbeitung von Marian nun absolut stressfrei ist. Wir können optimal zusammenarbeiten, und er hat dabei die Möglichkeit, mir während der gesamten Saison über die Schulter zu schauen. Das alles – so wie wir es gemeinsam im Verein entschieden haben – fühlt sich total richtig an. Aber klar: Der Abschied im Sommer wird dennoch ein emotionaler Moment für mich.
Warum wurde diese Trainerentscheidung gerade jetzt bekannt gegeben?
Wir wollten transparent und ehrlich sein. Dem Trainerstab, dem Funktionsteam und auch den Spielern gegenüber. Es ist nie schön, eine so weitreichende Veränderung auf den letzten Metern zu erfahren. Jeder soll wissen, woran er ist, und dann für sich selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Die Öffentlichkeit haben wir ebenfalls informiert, um Transparenz zu zeigen. Und uns Diskussionen um meine Zukunft zu ersparen. Andernfalls hätte es vermutlich während der Rückserie ständig die Frage gegeben, ob und wann mein Vertrag verlängert wird.
Wie Sie sagen: Die frühe Kommunikation hat auch den Vorteil, dass sich alle im Verein auf die Veränderung einstellen können – Spieler, Staff und auch die Fans. Das hat also eine entscheidende Rolle für den Zeitpunkt gespielt?
Absolut. Es sollte überall Klarheit herrschen. Die Spieler verstehen jetzt umso mehr, warum Marian und ich in der Hinserie noch enger als ohnehin schon zusammengearbeitet haben. Es ist ihnen sicher schon vorher aufgefallen, dass unser Austausch mehr war als die klassische Arbeit zwischen Chef- und Co-Trainer. Jetzt versteht es jeder und es gibt nirgendwo mehr Fragezeichen.
Nach viereinhalb Jahren als Viktoria-Trainer wird damit im Sommer eine Ära enden. Auf was blicken Sie am liebsten zurück – und auf was freuen Sie sich in Ihren letzten Monaten am meisten?
Einfach zusammengefasst: Ich blicke auf alles gern zurück. Dieses Projekt ist so groß und umfangreich, dass ich gar nicht alles erwähnen kann. Wir haben viele talentierte Spieler, die in den Jahren zwischen zwölf und 14 zu Klubs wie Schalke 04 oder 1. FC Köln wechseln. Und einige dieser Jungs kommen drei bis vier Jahre später zurück, weil sie aussortiert wurden. Genau diese Spieler nach einer so negativen Erfahrung so auszubilden, dass sie später bei uns einen Profivertrag unterschreiben, ist alles andere als einfach. Aber genau darauf liegt in der Nachwuchsarbeit unser Fokus. Ich bin insgesamt sehr stolz auf das, was wir im Gesamtverein in den letzten Jahren bewirkt haben. Wir sind ein beständiger Drittligist geworden, haben unsere Nachwuchsabteilung kontinuierlich weiterentwickelt und eine tolle Art und Weise, wie wir Fußball spielen, manifestiert. Dem Verein bin ich dankbar für das entgegengebrachte Vertrauen. Ein so familiäres Verhältnis und eine so transparente und ehrliche Zusammenarbeit wie mit Franz Wunderlich werde ich vermutlich nie wieder erleben. Jeder Wunsch von mir als Trainer wurde mir von den Lippen abgelesen. Ob es die neue Trainingsanlage, neue Krafträume oder die VIP-Area war: Wir haben sehr viel gemeinsam umgesetzt.
"Da anknüpfen, wo wir in der Hinrunde aufgehört haben"
Gibt es etwas, das Sie schon jetzt vermissen werden?
Das familiäre Umfeld, das es in dieser Form sicher nicht noch einmal geben wird. Und die tollen Menschen in diesem Verein. Aber ich werde versuchen, das alles nicht zu sehr zu vermissen, sondern im Herzen damit abzuschließen und dann nach vorn zu schauen.
Wie Sie schon gesagt haben, gibt es mit Ihrem aktuellen Co-Trainer Marian Wilhelm als Nachfolger einen nahtlosen Übergang. Was für ein Trainertyp ist er?
Marian zeichnet ein extrem hohes Fachwissen aus. Er versteht das Spiel und hat eine schnelle Auffassungsgabe. Marian ist in der Lage, Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen und sie direkt in die Tat umzusetzen. Er ist sehr fleißig, spürbar fußballverrückt und insgesamt ein großes Trainertalent.
Wie geht es für Sie selbst nach der Zeit bei der Viktoria weiter?
Ganz ehrlich: Ich habe noch keine Ahnung, werde die Dinge auf mich zukommen lassen und bis zum Sommer einige Gespräche führen. Durch meine Erfahrung weiß ich: Es ist wichtig, ruhig zu bleiben und mich nicht verrückt zu machen, um meinem Bauch und Herzen die Entscheidung über meine Zukunft einfach zu machen. Am Ende wird es wie immer sein: Ich werde mich einem Projekt widmen, das mich reizt – und mich fordert.
Noch ist erst einmal eine komplette Rückserie mit Viktoria Köln zu spielen. Wie gehen Sie die an – und was nimmt sich der Verein vor?
Wir wollen da anknüpfen, wo wir in der Hinrunde aufgehört haben. Weiter den Fußball zeigen, für den wir stehen. Was wir nicht möchten, ist auf die 16 fehlenden Punkte bis zu der 45-Punkte-Marke zu schielen, die uns vermutlich für den Klassenverbleib reichen werden. Wir wollen stattdessen den Fokus immer auf das nächste Spiel richten. Und von Beginn an wieder beweisen, dass wir uns nicht klein machen, sondern weiter im Angriffsmodus sind. Die Mannschaft gibt mir ein sehr gutes Gefühl für eine erfolgreiche Rückrunde.
Der Auftakt hat es in sich – am Sonntag gastiert die Viktoria bei Tabellenführer Dynamo Dresden. Was erwarten Sie dort für ein Match?
Dynamo Dresden hat in den letzten Monaten große Schritte nach vorn im Ballbesitzspiel gemacht. Es wird schwer sein, den Gegner hier zu packen, und eine große Herausforderung, Dynamo von unserem Tor fernzuhalten. Wir erwarten vor rund 30.000 Zuschauern eine überragende Stimmung. Damit wir dort bestehen können, müssen wir diese Situation emotional annehmen. Jeder unserer Spieler soll ausstrahlen: Genau davon habe ich als kleiner Junge geträumt.