Jetzt wird ernst: Zieht Preußen Münster den Endspurt durch?
Sechs Siege in Folge! Der Preußen-Adler ist mit dem 2:1-Erfolg bei 1860 München irgendwo kurz vor dem Ende der Erdatmosphäre angelangt, so scheint es. Plötzlich liegt der Zweitliga-Aufstieg in der eigenen Hand. Und ganz Münster fragt sich auch das: Schafft diese Mannschaft, was ihren Vorgängern vor ziemlich genau elf Jahren verwehrt blieb?
Aufstieg in eigener Hand
Am 16. Juni 1991 verabschiedete sich der SC Preußen Münster vor nur noch 1.500 Zuschauern gegen den FSV Mainz 05 an der heimischen Hammer Straße aus Zweitliga-Territorium. Wer ahnte damals, wie lange der Sportclub für die Rückkehr benötigen würde? Noch heute ist die Antwort auf die Frage unklar, 33 Jahre des Wartens haben sich angehäuft – doch ob es mehr werden, das hat Schwarz-Weiß-Grün plötzlich wieder in der eigenen Hand. Mit dem 2:1-Sieg beim TSV 1860 hat sich die Mannschaft von Trainer Sascha Hildmann in die komfortable Lage katapultiert, aus eigener Kraft aufsteigen zu können. Behält die Überflieger-Truppe dieser Saisonphase trotzdem die Leichtigkeit, die sie zuletzt im krassen Gegensatz zu fast allen Konkurrenten ausgezeichnet hat?
Genau das wird zur zentralen Frage in diesem Endspurt, der für die Preußen aus fünf Heim- und drei Auswärtsspielen besteht – schon einmal keine schlechte Ausgangslage. Dazu kommen die Wochen der Wahrheit, die am Länderspiel-Wochenende schon mit einem interessanten Duell beginnen: dem Landespokal-Derby beim lange übermächtigen DSC Arminia Bielefeld. Der kickte vor zwei Jahren noch drei (!) Ligen über den Münsteranern und wird in dieser Spielzeit tabellarisch klein beigeben müssen. Immerhin geht es am Samstag (14 Uhr) aber noch um viel Prestige und die Pokal-Qualifikation, die der SCP freilich auch über den 4. Platz in der Liga schaffen kann. Nochmals deutlich wichtiger ist also, was danach passiert: Heimspiel gegen Dresden! Heimspiel gegen Regensburg! Auswärtsspiel in Ulm! Selbst die Spitze erklimmen oder das Trio ziehen lassen – darüber entscheidet der Aufsteiger höchst selbst.
Eine böse Erinnerung will besiegt werden
Wenn auch nicht durchweg mit der individuell besten Mannschaft ausgestattet, halten die Westfalen dennoch mächtige Trümpfe in der Hand. Der Sturm ist dank des Duos Joel Grodowski (15 Tore) und Malik Batmaz (14 Treffer) einer der Extraklasse und das Beste der Liga, das Mittelfeld ist mit dem aufstiegserfahrenen Sebastian Mrowca und Durchstarter Luca Bazzoli ein verstecktes Juwel, um sie sortieren Local Heros wie Marc Lorenz, Simon Scherder und Torwart Max Schulze Niehues das große Ganze. Genau dies erweist sich als die aktuell beste Mischung im Drittliga-Zirkus, einzig Spitzenreiter und Mit-Aufsteiger SSV Ulm 1846 kann mit dieser Form noch mithalten. Abstrus ist das, dass gerade diese beiden Vereine – nach investiertem Geld sicherlich in der unteren Hälfte angesiedelt – in dieser Saisonphase alle anderen Drittligisten abhängen und womöglich einen Doppel-Durchmarsch feiern, den es so noch nie gegeben hat.
Was besiegt werden will, ist eine böse Erinnerung. Die Drittliga-Saison 2012/13 war die beste des bisherigen Jahrtausends. Preußen Münster sammelte 72 Punkte und grüßte lange von den Aufstiegsrängen, ehe an den letzten vier Spieltagen unerklärlich die Puste ausging. Karlsruhe, Bielefeld und Osnabrück zogen der Reihe nach vorbei und ließen den völlig verdatterten SCP als todunglücklichen Vierten zurück – nie wieder kamen die Adlerträger der 2. Bundesliga so nah. Nun mag die Euphorie ähnlich ausgeprägt sein wie damals, doch die Voraussetzungen sind andere – der Klub steht auf den handelnden Positionen im Gremium durchweg professioneller da als früher, die Stadt will in diesen Wochen die Ausschreibung für den Stadionausbau auf knapp 20.000 Plätze abschließen. Die Mannschaft ist homogener und hat von Talenten bis zu Heimatverbundenen etliche Kicker in sich, die für den Traum 2. Bundesliga brennen.
Preußenstadion noch fünfmal ausverkauft?
Das tun die Fans längst. Für die flugs eingeführte "Frühlings-Dauerkarte" fand der SCP binnen weniger Tage 1.300 Abnehmer, an diesem Dienstag dürften auch die Tickets für die letzten fünf Heimspiele allesamt über die Ladentheken gehen. Sechsmal war der Heimbereich des Preußenstadions in dieser Saison schon ausverkauft – die neue Normalität, sicherlich auch durch laufende Umbaumaßnahmen bedingt, und doch ein neues Gefühl für den in den vergangenen Jahrzehnten meist unter dem Radar laufenden Sportclub. Alles wirkt bereit für den anstehenden Schlagabtausch mit den weiteren Topteams und die schweren letzten Spieltage, die noch folgen. Und just die, die am wenigsten verlieren haben und den größten Rückhalt spüren – Preußen Münster und auch der SSV Ulm 1846 – haben damit den womöglich größten Vorteil auf ihrer Seite.