Keller im Interview: "Kontakt zu Rang 3 nicht abreißen lassen"
Seit dem Trainerwechsel beim SV Sandhausen weht ein Hauch von Champions League-Flair durch den Hardtwald: Jens Keller erklärt im Interview mit liga3-online.de, warum seine Mission beim SVS kein "Schalke light" ist und spricht auch über seinen Ausflug ins Immobilien-Business und mögliche Winterzugänge.
"Turnaround ist geschafft"
liga3-online.de: Acht von zwölf möglichen Punkten aus den ersten vier Spielen: Fällt dieser Start im Hinblick auf Ihre lange Auszeit in die Kategorie "Nichts verlernt", Herr Keller?
Jens Keller: Von der Punkte-Ausbeute her hätten es beim 1:1 in Bielefeld sogar noch zwei Zähler mehr sein können. Insgesamt sind acht Punkte in Ordnung. Wenn ich die beiden Pokalspiele (DFB-Pokal, Badenpokal, d. Red.) dazu nehme und die Partien in Relation zu den wirklich intensiven Trainingseinheiten setze, ist da in den ersten Wochen schon so einiges auf einen eingeprasselt. Einen solchen Rhythmus war ich eben dreieinhalb Jahre nicht mehr gewohnt. Aber wie beim Fahrradfahren kommst du als Trainer dann schnell wieder in Tritt.
Bei Ihrem Amtsantritt forderten sie vor allem "Leidenschaft und Laufen" von Ihrem Team. Was ist spielerisch der nächste Step?
Der Turnaround ist geschafft. Jetzt legen wir den Fokus darauf, das Umschaltspiel zu verbessern und die richtigen Räume zu besetzen. Auch beim Verhalten im hohen Ballbesitz gibt es viel Verbesserungspotenzial.
Sie kennen den Fußball von der Junioren-Bundesliga über die 2. Bundesliga bis zur Champions League. Welchen Eindruck haben Sie nunmehr von der 3. Liga gewonnen?
Meine ersten Eindrücke waren: Etwas fehlerbehafteter, aber enorm intensiv und ebenso ausgeglichen wie viele Partien in der 2. Bundesliga.
Das Fachmagazin "Kicker" bezeichnete Ihre Mission am Hardtwald als "Schalke light"! Passt dieser Vergleich?
Dieser Vergleich hinkt angesichts der Dynamik rund um den Klub. Ich schätze die Bedingungen hier in Sandhausen. Du merkst, dass der Klub ganze elf Zweitliga-Jahre auf dem Buckel hat. Genau da wollen wir gemeinsam wieder hin. Klar entsteht aus solchen Zielen ein gewisser Druck und dieser wird – mal mehr mal weniger – medial aufgebauscht. Als Trainer muss und kann ich damit leben.
Spüren Sie heute im täglichen Umgang mit Spielern oder Medien eine größere Autorität?
Ganz im Ernst: nein. Selbst habe ich mich auch nicht verstellt und pflege einen respektvollen Umgang mit meinen Spielern. Wenn damals nicht eine gewisse Autorität vor dem Trainer da gewesen wäre, hätten wir auf Schalke sicher nicht zweimal die Champions League erreicht. Das macht mich bis heute stolz. Genauso freut es mich, wenn ehemalige Spieler bei meiner folgenden Station Union Berlin sagen: Mit mir sei eine andere Mentalität in den Club gekommen.
"In der Breite sind wir nicht optimal aufgestellt"
In Ihrer vereinslosen Zeit investierten Sie in Start Ups und machten einen Immobilienmakler-Schein. Fußball-Trainer vs. Immobilien-Business – wo ist das dickste Fell nötig?
Als Makler kannst du dann gutes Geld verdienen, wenn du dich total in den Job reinhängst. In dieser Phase hat mir mein Fußball-Background insofern geholfen, dass ich andere Menschen lesen und verstehen kann. Am Ende ist Fußball-Trainer für mich durch den Faktor Öffentlichkeit der viel härtere Job.
Bei Ihrem Comeback an der Seitenlinie hat auch die jahrzehntelange Freundschaft zu SVS-Sportdirektor Matthias Imhof eine gewichtige Rolle gespielt!
Als Matthias und ich zusammen beim TSV 1860 München gespielt haben, ist er für mich zu einer großen Vertrauensperson geworden. Wir kennen die Stärken des anderen, respektieren jedoch auch die Schwächen. Auf unseren Stationen nach der aktiven Karriere haben sich die Wege zwar nie gekreuzt. Doch es gab immer einen regelmäßigen, fast täglichen Austausch. Über das letzte halbe Jahr dann auch über viele Spieler bei Sandhausen. Rein gedanklich war ich hier schon in der Materie drin, bevor ich Ende Oktober das Amt übernommen habe.
An der Tabellenspitze sind der SSV Jahn Regensburg und Dynamo Dresden ein Stück enteilt. Führt der mögliche Wiederaufstieg über die Relegation?
Die Blickrichtung geht dorthin. In den ausstehenden vier Partien bis zur Winterpause wollen wir den Kontakt zu Rang 3 nicht abreißen lassen und dann selbstbewusst in die Rückrunde gehen.
Muss der Klub dafür in Winterpause auf bestimmten Positionen nachlegen?
Durchaus. In der Breite sind wir nicht optimal aufgestellt. Im Zuge der aktuellen Ausfälle wollen wir möglichst in der Defensive nachrüsten.