Kevin Großkreutz: Ein Noch-Weltmeister in der 3. Liga

Ein bisschen stiehlt er allen anderen die Show, ohne das wirklich zu wollen: Kevin Großkreutz hat am Donnerstag einen Vertrag beim KFC Uerdingen unterschrieben. Er bringt eine ganz neue Prominenz in die 3. Liga. Jedoch auch, weil seine Karriere seit dem WM-Titel im Jahr 2014 einen gewaltigen Abwärtstrend erlitten hat. Ein Rückblick.

Weltmeister 2014

Maracana, Juli 2014. Kevin Großkreutz jubelt über einen, vielleicht sogar den glücklichsten Moment seines Lebens. Stolz reckt er den schweren, goldenen Pokal in die Höhe, macht sich auf die Ehrenrunde. Es war nicht weiter wichtig, dass der Außenverteidiger während des größten Fußballturniers der Welt gar kein Spiel gemacht hatte. Er war Weltmeister, er gehörte zur besten Mannschaft der Welt. Die pure Glückseligkeit. Links neben ihm sind Mesut Özil, der vier Jahre in Russland später eine eher tragische Rolle spielen wird, und Christoph Kramer, der die WM als ZDF-Experte analysieren wird. Das wäre für Kevin Großkreutz wohl nichts. Seine Aussagen sind klar und heftig. Fußball bestehe nur noch aus Erfolg und Kommerz, sagte er einst. Auch die Stimmung bei den Länderspielen gefalle ihm nicht, sagte er vor zweieinhalb Jahren. In den Monaten darauf sollten ihm viele Fußballfans zustimmen.

Unrühmliches Ende beim VfB

Großkreutz, den viele am Ende seiner Laufbahn wähnen, der tatsächlich aber in zwei Wochen erst 30 Jahre alt wird, wählte seine Clubs bewusst. Der geborene Dortmunder, der den Weg vom glühenden Fan auf der Südtribüne in den Profi- und späteren Meisterkader unter Jürgen Klopp schaffte, wagte nach einem gescheiterten Intermezzo bei Galatasaray Istanbul den Weg zum VfB Stuttgart, bei dem er in der Zweitliga-Saison 2016/17 prompt zu einem vom Publikum sehr geschätzten Spieler wurde. Das änderte sich jedoch nachdem herausgekommen war, dass Großkreutz im Februar 2017 mit drei U17-Spielern ein Bordell besucht haben soll. Seine Zeit beim VfB war damit abgelaufen, der 29-Jährige verabschiedete sich auf einer Pressekonferenz unter Tränen.

Döner-Affäre

Weiter ging es für ihn in der vergangenen Saison beim SV Darmstadt 98, sportlich eher mittelmäßig. Unter Dirk Schuster war er anders als bei Vorgänger Torsten Frings nicht mehr gesetzt – im heikelsten Abstiegskampf auf einen solchen Typen zu verzichten, ist auch ein Zeichen. Denn Geradlinigkeit, Authentizität, Ehrlichkeit – Attribute, die der Profifußball an vielen Stellen vermissen ließ, erfüllte Großkreutz, ohne sich dafür verstellen zu müssen. Er hat Ecken und Kanten, und noch immer wird mit dem Namen auch die Dönerwurf-Affäre verbunden bleiben: Im Mai 2014 beschuldigte ihn ein Fan, dass er vom damaligen Dortmunder mit einem Döner beworfen sei. Die Polizei stellte das Verfahren wenig später jedoch ein. Kurz danach geriert der 29-Jährige jedoch erneut in die Schlagzeilen, als er nach dem Pokalfinake 2014 betrunken in eine Berliner Hotel-Lobby gepinkelt und eine Hotelangestellte beschimpft hatte.

Tiefer Fall

Machen wir uns nichts vor: Der Fall des Kevin Großkreutz ist ein tiefer, ein ziemlich tiefer. Wenn er sich beim KFC Uerdingen sein Trikot abstreifen wird, dann entdecken Zuschauer drei Trophäen, die er mit den Rheinländern – man verzeihe die pessimistische Einschätzung – wohl nicht mehr erreichen wird: Den WM-Pokal, die Meisterschale und den DFB-Pokal. Er, der in der Bundesliga schon als Torhüter auf dem Feld stand, der 2013 nur haarscharf den letzten fehlenden Triumph, den Gewinn der Champions League verfehlte, aber dann eine Seuchenphase mit zahlreichen Verletzungen erwischt hatte: Er fährt jetzt zum SV Wehen Wiesbaden, zur SG Sonnenhof oder zur SpVgg Unterhaching. Und er spielt vor Kulissen, die bei seinem damaligen Arbeitgeber in Dortmund regelmäßig zum Training kamen. Ihm ist aber zuzutrauen, dass er die neue Rolle annehmen kann. Großkreutz scheut den persönlichen Abstieg nicht. Zumindest wird er, das ist eine Vermutung, nicht schlecht bezahlt sein.

Neue Attraktion in der 3. Liga

Nichtsdestotrotz bereichert die Person Kevin Großkreutz die 3. Liga ungemein. Neben den üblichen hämischen Kommentaren, die ein Spieler nie verdient haben sollte, kam in den sozialen Netzwerk auch Vorfreude auf. "Ich freue mich, Kevin Großkreutz im Preußenstadion zu sehen“, hieß es etwa. Klar ist: Großkreutz ist für diese Spielklasse ein Leuchtturm und eine weitere Attraktionen nebst all den ehemaligen Bundesliga-Vereinen, die sich dem zwanzigköpfigen Drittliga-Tross angeschlossen haben. Er wird neue Leute ins Stadion ziehen, und wenn es nur einige Dutzend sind. Er wird auch in der 3. Liga der Charakter bleiben, der er ist, nur ein wenig ruhiger – wie er es bereits in Darmstadt war. Ob sich an seinen Prinzipien etwas geändert hat, muss indes die Zukunft zeigen. Dass der KFC Uerdingen zwar unbestritten ein traditionsreicher Name ist, aber in der Vergangenheit zunächst von einem griechischen und nun von einem russischen Investor ein gutes Stück weit ausgehöhlt wurde, das wird der Ex-Profi sicher wissen.

   

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