Kommentar: DFB zahlt seinen Preis für das kleinere Übel
Nun also doch: Der KFC Uerdingen darf in die 3. Liga aufsteigen. Sportlich war es eine relativ klare Angelegenheit, doch hinter den Kulissen reizte der Klub des russischen Investors Mikhail Ponomarev den Spielraum der Regularien aus. Der DFB hätte eine Entscheidung pro als auch contra Uerdingen fällen können. Er hat das kleinere Übel genommen. Doch dafür könnte der Verband noch einen hohen Preis zahlen. Ein Kommentar.
Mehrheit befürwortet den Aufstieg
Links von Rhein atmeten tausende Zuschauer auf, rechts von ihm verflüchtigten sich die letzten Hoffnungen auf den Drittliga-Aufstieg: Während der KFC Uerdingen in einer eigens anberaumten Live-Übertragung des Deutschen Fußball-Bundes als glücklicher "Sieger" hervorging, der seinen sportlich erreichten Aufstiegsplatz tatsächlich wahrnehmen kann, muss Waldhof Mannheim einen vierten Anlauf wagen. Wobei: War dieser Montagnachmittag, war der Aufstieg durch die Hintertür nicht bereits so etwas wie der vierte Versuch? Dreimal ist Waldhof sportlich gescheitert, nun hat es selbst am grünen Tisch nicht gereicht. Eine weitere bittere Pille für den gebeutelten Verein, der obendrein noch eine saftige Strafe für den von Chaoten erzwungenen Spielabbruch im Rückspiel gegen den KFC erwartet – vielleicht sogar einen Punktabzug.
Blau-Rot jubelt derweil. Ein nicht repräsentatives erstes Stimmungsbild in den sozialen Medien, die die Entscheidungsfindung des DFB am Nachmittag angeregt verfolgten, ergab: Die Mehrheit der Neutralen scheint hinter den Uerdingern. Nicht unbedingt, weil der Verein der Masse als sonderlich sympathisch daherkommt – wer von Investoren gedeckt wird, wird traditionell eher kritisch gesehen. Selbst, wenn der Klub Vergangenheit hat, wenn er Charisma besitzt. 1860 München lässt grüßen. Nein. Er ist in den Augen vieler schlichtweg das kleinere Ungemach.
Eine neue Grauzone für den KFC
Seriös war das alles ganz und gar nicht, was KFC-Investor Mikhail Ponomarev ablieferte, als es um das Geschäft ging. 1,2 Millionen Euro wollte er offenbar einen Tag vor Fristende mit einer herkömmlichen Überweisung in Frankfurt hinterlegen und wunderte sich, warum die Banken bei seinem Zeitplan nicht mitspielten. Mikhail Ponomarev darf sich mit Fug und Recht als größten Glückspilz in der gesamten Debatte bezeichnen, denn seine Nachlässigkeiten bleiben ohne Folgen. Er, der dem Verein im Falle einer verweigerten Zulassung wiederholt mit seinem Weggang gedroht hatte, wäre der Hauptverantwortliche für den Super-GAU gewesen.
Ein fader Beigeschmack bleibt an der Sache. Denn der DFB bewegte sich, als er die Entscheidung im Zulassungsbeschwerdeausschuss diskutierte und endgültig fällte, in einer Grauzone. Zum Fristende am Dienstag, 15.30 Uhr, war das Geld nun einmal noch nicht beim Fußballbund auf dem Tisch – sondern erst 20 Minuten später. Hätte man in Frankfurt knallhart gehandelt, und damit rechneten im Vorfeld viele, dann müsste der KFC Uerdingen in der kommenden Spielzeit weiterhin ein Viertligist sein. Dass diese Grauzone erstmalig bei einem Anwärter mit durchaus potentem Geldgeber betreten wird, sorgt naturgemäß für Irritationen oder gar Skepsis. So haltlos etwa Vorwürfe der Bestechlichkeit, die nun von der "Verlierer"-Seite einprasseln, auch sein mögen, so angreifbar hat sich der Verband in den vergangenen Jahren gemacht. Das Vertrauen in das höchste deutsche Fußball-Organ ist bei vielen Beteiligten erschüttert.
Welche Auswirkungen hat die Entscheidung für die Zukunft?
Aber: Die Entscheidung selbst, sie war verflixt noch mal nicht leicht, und sie wäre in jede Richtung kaputt diskutiert worden. Hätte doch ausgerechnet Waldhof Mannheim profitiert. Waldhof Mannheim, das die letzte Version der Aufstiegsspiele mit dem Spielabbruch, provoziert von wenigen, torpediert hat. Sie wollte wohl niemand als Belohnung dafür in die 3. Liga nachrücken lassen. Das Problem: So steht es im Regelwerk. Daher musste die Grauzone her, um das kleinere Übel durchzuwinken: Den an einer Überweisung gescheiterten KFC Uerdingen. Ein vielleicht unmoralischer, aber auch nicht unmenschlicher Gedankenstreich für einen Verantwortlichen des DFB. Ein Gedanke, mindestens ebenso nachvollziehbar wie der Frust der SVW-Anhänger über die dreifach verbaselte Aufstiegsrelegation. Wessen Idee war das eigentlich nochmal?
Möglicherweise wird der DFB für seine Entscheidung noch einen Preis zahlen. Denn jeder andere Verein, der künftig kurz vor knapp noch Gelder für die Lizenz oder Zulassung hinterlegen muss, wird sich auf den Präzedenzfall KFC Uerdingen berufen können. Er wird darauf verweisen können, dass es von nun an Ermessensspielraum gibt. Vielleicht wird sich das durch die vom DFB angekündigte Veränderung, die Frist künftig auf 24 Uhr setzen zu wollen, regeln. Vielleicht aber auch nicht. Weil gerade in der 3. Liga stets eine Handvoll Vereine nah am wirtschaftlichen Ruin steht, wird der Zulassungsbeschwerdeausschuss, wird der DFB weiterhin Arbeit zu verrichten haben. Möglicherweise schon im Frühjahr 2019.
Dann muss er zeigen, dass er nicht mit fußball-fernen, aber in der Wirtschaft exzellent vernetzten Investoren sympathisiert. Dass er im so wichtigen Zulassungsverfahren nicht an seiner Lieblingsbeschäftigung interessiert ist: einen anderen Verein für das Fehlverhalten seiner Fans abzustrafen. Dann darf er die Anhänger eines Klubs nicht tagelang Fingernägel-kauend schmoren lassen, nur um ein fünfzehnminütiges Live-Video für alle sozialen Medien vorzubereiten. Der Deutsche Fußball-Bund muss einfach nur eine für jeden klar nachvollziehbare Entscheidung treffen. Ohne Grauzonen. Aber ist das leicht gesagt.