Kommentar: Dotchev-Aus als unwürdiges Schauspiel
Jetzt also doch: Entgegen der ursprünglichen Ankündigung hat sich der FC Erzgebirge Aue nun sofort von Trainer Pavel Dotchev getrennt. Was für ein unwürdiges Schauspiel! Ein Kommentar.
Begründung wenig glaubwürdig
Es ist gerade mal eine Woche her, als sich Sportchef Matthias Heidrich beim Spiel gegen Dortmund II vor die Kameras stellte und betonte: "Wir wollen die Saison gemeinsam (mit Pavel Dotchev; d. Red.) zu Ende bringen." Auch am Samstag, unmittelbar nach der 2:5-Niederlage gegen Verl hatte Heidrich laut "Tag24" gesagt: "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir die Auswärtsfahrten (nach Ingolstadt und Sandhausen; d. Red.) mit Pavel Dotchev machen." Eine Aussage, die keine 24 Stunden später nichts mehr wert ist. Ohne Frage: Die Leistung gegen den SC Verl in der ersten Halbzeit war desaströs. Doch die Trennung von Dotchev nur einen Tag später mit der "bedenklichen Entwicklung" in den letzten drei Monaten zu begründen, wirkt wenig glaubwürdig. Schließlich zeigte die Entwicklung – zumindest, wenn man dieses Narrativ bedienen möchte – schon vor den beiden Spielen gegen Dortmund II und Verl mit nur drei Siegen aus den zehn Spielen zuvor nach unten. Davon war vor eineinhalb Wochen, als die Entscheidung zum Dotchev-Aus im Sommer bekanntgegeben worden war, jedoch nicht mit einem Wort die Rede.
Vermutlich deshalb, weil die sportliche Situation mit 23 Punkten aus 14 Partien und nur drei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer alles andere als bedenklich war. Oder haben die Verantwortlichen gedacht, mit einem Kader, der bei "transfermarkt.de" den viertniedrigsten Wert aller Drittligisten aufweist, vorneweg marschieren zu können? Eher war es so, dass Aue mit vier Siegen aus den ersten vier Spielen überperformt hat. Das zeigt sich auch in der Auswertung der "Expected Points", wonach der FCE satte neun Zähler zu viel auf dem Konto hat. Generell waren öffentlich keine Gründe genannt worden, warum der 59-Jährige zum Saisonende gehen muss. Nichtmal Dotchev selbst wusste nach eigenen Angaben Bescheid, was mehr als ungewöhnlich ist. Und nach nur zwei Spielen soll jetzt die sportliche Situation ausschlaggebend sein?
Diesen Abschied hat Dotchev nicht verdient
Erst in der letzten Woche hatte Heidrich noch davon gesprochen, dass es nun darum gehe, "Dotchev den würdigsten aller Abschiede bescheren zu können". Den habe er sich mehr als verdient. Doch von einem würdigen Abschied kann nun wahrlich nicht mehr die Rede sein. Erst wird der 59-Jährige trotz seiner großen Verdienste um den Klub in drei Amtszeiten, die sogar Präsident Roland Frötschner in der am Sonntag verschickten Pressemitteilung nochmal ausdrücklich hervorgehoben hatte, zur "Lame Duck" gemacht, was für sich betrachtet schon wenig würdevoll ist, dann wird Dotchev öffentlich im Regen stehen gelassen, weil er nicht weiß, warum er gehen muss, und schließlich muss der Deutsch-Bulgare seine Koffer sofort packen weil die "jüngsten Leistungen und Ergebnisse" eine "deutliche Sprache" sprechen würden, wie es Heidrich formuliert hatte. Es fehle die Überzeugung, in dieser Konstellation die Trendwende zu schaffen, so der 46-Jährige.
In der letzten Woche war die Überzeugung also noch da? Aber warum wird dann bereits sechs (!) Monate vorher beschlossen, den auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern? Klar, Aue wollte frühzeitig Klarheit schaffen. Doch das wäre auch mit einer vorzeitigen Verlängerung möglich gewesen, wo das Vertrauen in Dotchev doch scheinbar noch vorhanden war. Und wenn der Glaube nicht mehr da war, warum hat man den 59-Jährigen dann nicht bereits zu diesem Zeitpunkt freigestellt? So hat Dotchev nun einen Abschied bekommen, den er in keinster Weise verdient – auch, wenn die Leistung gegen Verl alles andere als gut war.
Heidrich muss sich hinterfragen
Heidrich wird sich hinterfragen müssen, ob die Entscheidungen und die öffentlichen Verlautbarungen in den letzten Tagen richtig waren. Und ob die Verantwortlichen mit ihrem höchst fragwürdigen Zick-Zack-Kurs nicht ihren Anteil an den beiden Niederlagen zuletzt haben. Auch, wenn sämtliche Spieler betonten, dass die Unruhe um Dotchev keinen Einfluss auf die Leistung gehabt habe: Komplett ausblenden lässt sich das unterbewusst nicht. Fakt ist: Heidrich und Co. haben an Glaubwürdigkeit eingebüßt und völlig unnötig eine Baustelle aufgemacht, die kein gutes Licht auf den Verein wirft. Der künftige neue Trainer muss sich bewusst sein, dass er sich in Aue auf einen Schleudersitz begibt – mehr noch als bei anderen Klubs.