Kommentar: Ganz großen Respekt, 1. FC Saarbrücken!

Wie der 1. FC Saarbrücken den FC Bayern München am Mittwochabend durch einen Treffer in der sechsten Minute der Nachspielzeit niedergerungen hat, war ganz großes Kino – und verdient allerhöchsten Respekt. Auch in Richtung von Trainer Rüdiger Ziehl. Ein Kommentar.

Schlicht beeindruckend

Knapp vier Wochen ist es her, als Weltmeister Shkodran Mustafi dem 1. FC Saarbrücken ausgerechnet den großen FC Bayern München zugelost hatte. Was bei den Klubs einst Jubelstürme ausgelöst hatte, ließ Trainer Rüdiger Ziehl direkt nach der Auslosung erstarren. Von einem "Schockmoment" hatte der 46-Jährige gesprochen. Lieber hätte Saarbrückens Coach gegen einen Zweitligisten gespielt. "Dann hätten wir eine Chance gehabt", hatte er damals gesagt. "So ist jetzt wahrscheinlich Schluss", wollte der gebürtige Zweibrücker seinerzeit noch nicht allzu große Hoffnungen an eine Sensation verschwenden. Gleichwohl kündigte er an: "Wir werden uns etwas überlegen, um es den Bayern schwer zu machen."

Wie schwer es die Bayern tatsächlich haben würden, damit hätte Ziehl wohl selbst nicht gerechnet. Klar, es gehörte auch Glück dazu, dass die Münchner nur einen ihrer insgesamt 18 Torschüsse tatsächlich im Tor unterbrachten und ein vermeintliches Handspiel von Kerber in der achten Minute der Nachspielzeit nicht gepfiffen wurde. Doch der Pokal-Coup ist mitnichten nur auf die Unzulänglichkeiten des Rekordmeisters im Abschluss oder Glück zurückzuführen, sondern auch auf die starke kämpferische Leistung der Saarländer. Was die Blau-Schwarzen nur drei Tage nach der Wasserschlacht gegen Dresden auf einem tiefen, aber überraschend gut zu bespielendem Rasen ablieferten, war schlicht beeindruckend. Selbst in der Schlussphase, als der FCS schon längst stehend K.o. war, rannten sie weiter an, warfen sich mit ganz viel Leidenschaft in jeden Ball, hielten den Kasten damit sauber – und hatten in der sechsten Minute der Nachspielzeit noch Kraft für einen Konter, der dann sogar den Weg ins Tor fand. Wahnsinn!

Respekt, Herr Ziehl!

Ein Coup, der nicht zuletzt auch Ziehl zu verdanken ist. Denn anstatt sich irgendwie in die Verlängerung zu retten, wo Saarbrücken konditionell dann wohl endgültig am Ende gewesen wäre, wechselte der 46-Jährige in der Schlussphase offensiv ein, um den späten Siegtreffer zu erzwingen. Ein eigentlich aberwitziger Plan, der aber voll aufging. Dafür gebührt dem Coach Respekt. "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", hatte Ziehl bereits vor dem Spiel gesagt. Die zuletzt stärker gewordene Kritik am Coach der Saarländer dürfte jetzt erstmal im Keim erstickt sein. Wer den FC Bayern München aus dem Pokal wirft, dem gehört ganz viel Vertrauen entgegengebracht. Gleichwohl ist der FCS jetzt natürlich gefordert, die Energie und die Euphorie aus dem Pokal-Coup auch mit in die Liga zu übertragen.

Schon am Samstag sind die Saarbrücker beim SV Sandhausen gefordert. Ein Sieg könnte den Startschuss zu einer Aufholjagd geben, bei einer Niederlage droht dagegen das Abrutschen auf einen Abstiegsplatz. Dann wären die Blau-Schwarzen sofort wieder im harten Ligaalltag angekommen. Doch vielleicht hat der Pokal-Triumph neue Kräfte freigesetzt, die den Klub nach einem enttäuschenden Saisonstart zurück in die Spur bringen. Von einem neuerlichen Pokal-Märchen wie in der Saison 2019/20, als es die Saarländer als erster Viertligist der Geschichte überhaupt ins Halbfinale geschafft hatten, wollte Ziehl am späten Mittwochabend zwar nichts wissen. Doch ganz egal, wer der Gegner der Saarbrücker im Achtelfinale wird: Ähnlich wie Ziehl beim Bayern-Los wird der gezogene Klub keine Freudensprünge veranstalten. Denn der Respekt vor den Saarländern nach dem Coup ist nun da. Den hat sich der FCS, 46 Jahre nach dem letzten Erfolg gegen die Bayern, in einer magischen Pokalnacht erarbeitet.

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button