Kommentar: Krämer-Entlassung löst das Problem nicht
Nach 642 Tagen ist die Amtszeit von Stefan Krämer als Cheftrainer beim FC Rot-Weiß Erfurt beendet, am Montagvormittag zogen die Thüringer die Reißleine. Beim Blick auf die Tabelle ist die Entlassung nachzuvollziehen. Das eigentliche Problem der Rot-Weißen löst sie allerdings nicht. Ein Kommentar.
Entscheidende Fehler vor der Saison gemacht
Klar, wenn eine Mannschaft aus elf Spielen nur neun Punkte holt und dementsprechend den letzten Tabellenplatz belegt, hat ein Trainer sicherlich auch seine Aktien daran. So wird Krämer auch zugeben müssen, in der bisherigen Saison nicht alles richtig gemacht zu haben. Doch die entscheidenden Fehler wurden an anderer Stelle gemacht – und zwar bereits vor Saisonbeginn. Der Knackpunkt: Gleich mehrere Stammkräfte ließ RWE ziehen und ersetzte sie durch Spieler, die teilweise nicht mal in der Regionalliga gesetzt waren oder zuletzt in der 6. Liga spielten.
Natürlich musste Erfurt seiner nach wie vor angespannten finanzielle Lage Tribut zollen, aber wenigstens Mario Erb (KFC Uerdingen) und Sebastian Tyrala (FSV Mainz 05 II) hätte RWE halten müssen. Dass das Duo in der Regionalliga mehr verdient als in Erfurt, sagt viel aus. Klar ist: Rot-Weiß Erfurt ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen kaum überlebensfähig in der 3. Liga, die Kaderzusammenstellung sorgt (notgedrungen) für eine Gratwanderung. Seit Jahren kämpft der Verein aus Thüringens Hauptstadt einzig und allein gegen den Abstieg. Das ist ermüdend – vor allem für die Zuschauer. So fanden sich am vergangenen Samstag zum Heimspiel gegen Wiesbaden nur 3.827 Fans im Steigerwaldstadion ein.
Krämer waren die Hände gebunden
Mit Stefan Krämer trennen sich die Thüringer nun von einem Trainer, der die Mannschaft mit seiner mitreißenden und emotionalen Art immer wieder aufrütteln konnte und sich nicht vor klaren, offenen und deutlichen Worten scheute. Krämer legte den Finger in die Wunde, vermied Floskeln und war loyal genug, nach dem 1:3 gegen Wiesbaden indirekt seinen Rücktritt anzubieten – und das obwohl er nach eigenen Angaben sehr am Verein, der Stadt und den Spieler hänge.
Ob nun ausgerechnet der im Profibereich noch unerfahrene David Bergner den Drittliga-Dino vor dem Abstieg retten kann, ist daher zu hinterfragen. Sicher ist derweil: Stefan Krämer hat an der aktuellen sportlichen Talfahrt nur einen minimalen Anteil. Einen großen Vorwurf kann man dem 50-Jährigen nicht machen, dafür waren ihm letztlich die Hände gebunden. Denn zum einen ist der Kader (abgesehen von einigen Ausnahmen) nicht stark genug besetzt, zum anderen hatte RWE mehrfach Pech mit Schiedsrichter-Entscheidungen. Auch die Verletzungsprobleme – ein Liridon Vocaj kann nicht gleichwertig ersetzt waren – haben zum Fehlstart beigetragen. Kurzum, auch wenn es hart klingt: Sehr viel mehr als Platz 20 ist für Erfurt aktuell nicht drin. Und somit löst die Trainerentlassung das Kernproblem der Erfurter nicht.