Kommentar: Was nach dem Spielabbruch in Zwickau bleibt
Der Abbruch der Partie zwischen dem FSV Zwickau und Rot-Weiss Essen geht als schwarzes Kapitel in die Geschichte der 3. Liga ein. Doch was bleibt nach dem Abbruch? Ein Kommentar.
Imageschaden
Bundesweite Aufmerksamkeit ist oft gut, im Falle des FSV Zwickau jetzt allerdings überhaupt nicht. Dass die Schwäne nun derart negativ in den Schlagzeilen stehen, kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Schließlich kämpfen die Sachsen einerseits um den Klassenerhalt und stecken andererseits mitten in den Planungen für die kommende Saison. Angesichts der angespannten finanziellen Lage gilt es neue Sponsoren zu gewinnen, was nach dem Imageschaden durch den Abbruch nun nicht einfacher werden dürfte. Welches Unternehmen will schon mit einem Verein in Verbindung gebracht werden, bei dem Schiedsrichter aufgrund einer Attacke ein Spiel abbrechen müssen?
Dass der Abbruch dazu ausgerechnet durch einen Sponsor des FSV Zwickau verursacht worden ist, setzt dem Ganzen die Krone auf. Sicherlich war es nicht sein Ziel, einen Abbruch zu provozieren. Doch wie sehr können einem die Sicherungen durchbrennen, um dem Schiedsrichter ganz bewusst Bier ins Gesicht zu schütten? Dass es nach der Aktion nicht einfach so weitergehen würde, müsste ihm klar gewesen sein. So oder so hat er den Schwänen einen Bärendienst erwiesen.
Der Imageschaden ist nun aber auch da, weil es dem FSV Zwickau nicht gelungen war, den Schiedsrichter beim Gang in die Kabine – etwa durch Schirme oder einen ausziehbaren Spielertunnel – zu schützen. Beides war nicht der Fall. Dabei sind die Vereine vom DFB dazu verpflichtet, für die Sicherheit der Unparteiischen zu sorgen. Weil das nicht der Fall der war, droht dem FSV nun eine drastische Geldstrafe.
Abstieg kaum noch zu verhindern
Auch wenn sich der FSV Zwickau ein Wiederholungsspiel wünscht. Unter Paragraph 18 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist klar festgelegt: "Trifft eine Mannschaft oder ihren Verein (…) ein Verschulden an dem Spielabbruch, ist das Spiel dem (…) Schuldigen mit 0:2-Toren für verloren, dem Unschuldigen mit 2:0-Toren für gewonnen zu werten." Und weil der Abbruch zweifelsfrei durch einen Zuschauer des FSV verursacht worden ist, wird das DFB-Sportgericht die Partie mit großer Wahrscheinlichkeit für RWE werten.
Während Essen damit so gut wie gerettet wäre, würde der FSV bei 28 Zählern und sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer verbleiben. Damit wäre der Abstieg in den ausstehenden fünf Spielen kaum noch zu verhindern – zumal mit Osnabrück, Mannheim und Dresden nun drei Spitzenteams in Folge warten. Ob Zwickau die Partie gegen Essen in der zweiten Halbzeit in Unterzahl noch gewonnen hätte, darüber lässt sich diskutieren. Doch zumindest ein Unentschieden wäre sicherlich möglich gewesen.
Schiri-Nachwuchssorgen dürften wachsen
Was der Abbruch auch gezeigt hat: Schiedsrichter zu sein ist ein undankbarer Job. Macht ein Unparteiischer alles richtig, gibt es öffentlich nur selten Lob. Trifft er falsche Entscheidungen, steht er zum Teil tagelang in der Kritik – und muss sich mitunter, wie jetzt in Zwickau, auch noch Bierduschen gefallen lassen. Auch wenn sich Westsachsen in den ersten 45 Minuten von Winter in gleich mehreren Szenen benachteiligt sahen, ist mit der Bierdusche eine Grenze überschritten worden. Da spielt es auch keine Rolle, ob er mit Bier oder Wasser übergossen wird. Frust über Entscheidungen darf niemals dazu führen, eine Person – ob Schiedsrichter, Spieler oder Offizielle – in dieser Form anzugehen.
Der Vorfall in Zwickau wird sicherlich nicht dazu beitragen, dass sich Kinder oder Jugendliche dazu entscheiden, Schiedsrichter zu werden. Schon in den Amateurklassen sind die Unparteiischen zum Teil (mitunter auch körperlichen) Angriffen ausgesetzt. Allein in der Saison 2021/2022 mussten über 400 Amateurspiele wegen Angriffen auf den Schiedsrichter abgebrochen werden. Zudem sind in 1,2 Millionen Begegnungen im Amateurfußball 3.544 Gewalthandlungen, wie Tätlichkeiten oder Bedrohungen, und 2.389 Diskriminierungen gemeldet worden. Angesichts dieser Zahlen und der sich häufenden Vorfälle im Profifußball dürften sich in den kommenden Jahren immer weniger Schiedsrichter finden lassen, was sich auf absehbare Zeit auch im Profifußball bemerkbar machen wird. Dabei hat die Saison deutlich gezeigt, dass es gut ausgebildete Unparteiische braucht, die auch über das gewisse Fingerspitzengefühl verfügen.