Kommentar zum Grlic-Rücktritt: Frischer Wind oder Sturmtief?
Ivica Grlic ist beim MSV Duisburg Geschichte. Der Sportdirektor machte den Weg unmittelbar nach der Niederlage gegen Dortmund II frei, um frischen Wind an die Wedau zu lassen. Doch es muss auch jemanden geben, der die Segel darin setzen kann. Wird in Duisburg jetzt alles besser? Die Antwort liegt endgültig in den Händen der Spieler. Ein Kommentar.
"Ohne ihn würde es den MSV nicht mehr geben"
Sein Abbild wird immer auf der Legendenwand in der Nordkurve zu sehen sein. Und zwar zurecht. Es waren die sportlichen Leistungen, die Ivica Grlic einen glorreichen Status in Duisburg verliehen. Seine Qualitäten bei Freistößen war berüchtigt, seine Eckballvarianten bekamen Kultstatus. 2011 führte der defensive Mittelfeldspieler den MSV ins Pokalfinale, dort nahm er als Kapitän den Schalker Wimpel entgegen. Es war das letzte Pflichtspiel des ehemaligen bosnischen Nationalspielers (16 Einsätze) – doch die Zeit danach wurde nicht weniger turbulent. Nach dem Karriereende startete Grlic als Teammanager, musste aber schon zeitnah mehr Verantwortung übernehmen und stieg noch 2011 zum Sportdirektor auf.
"Wenn Ivo Grlic – gerade in der Zeit rund um 2013 – nicht da gewesen wäre, würde es den MSV heute nicht mehr geben. Dass der MSV überhaupt noch Profifußball spielt, ist ein großer Verdienst von Ivo Grlic", verdeutlichte Präsident Ingo Wald noch am Sonntag, welche Bedeutung der Sportdirektor für die Zebras hatte. In besagtem Jahr wurde dem MSV die Lizenz entzogen, Grlic stellte innerhalb kürzester Zeit einen Notfallkader zusammen. Zwei Jahre später gelang die Rückkehr in die 2. Bundesliga. Nun ist der 46-Jährige aber weg, weil die größten Erfolge nur von kurzer Dauer waren.
Ohne Steuermann im Sturm
In der langen Ära von Ivica Grlic wurde aus dem Pokalfinalisten ein Abstiegskandidat in der 3. Liga. Das ist es, was die Kritiker dem Sportdirektor schon lange vor seinem Rücktritt vorgeworfen haben. Für viele Fans kommt der Abschied daher zu spät, an vielen Stellen bleibt Hohn und Spott für die MSV-Legende zurück. Blickt man auf die gesamte Zeit des 46-Jährigen zurück, dann ist das nicht gerechtfertigt. Aber Fakt ist eben auch, dass Grlics jüngste Entscheidungen nicht mehr allzu glücklich waren – das gilt insbesondere für die Trainerentscheidungen, denn weder Torsten Lieberknecht und Gino Lettieri, noch Pavel Dotchev – trotz kurzer Hochphase – erreichten über längere Dauer die Ziele. Und gerade die Rückholaktion von Lettieri im November 2020 zog enorme Unruhen nach sich. Aktuell stehen zudem sechs Innenverteidiger unter Vertrag, deren Drittliga-Tauglichkeit es nach 18 Gegentoren (!) in den letzten vier Heimspielen zu beweisen gilt.
Werden die Zebras diesen Nachweis jetzt ohne den Sportdirektor liefern? Das liegt in den Händen der Spieler. Jemand anderes steht auch gar nicht in Aussicht, um das Ruder in die Hand zu nehmen. Cheftrainer Hagen Schmidt ist angezählt, und Wald ließ durchblicken, dass der Vorstand unter den richtigen Voraussetzungen die Posten räumen würde. Der MSV wirkt von einem Tag auf den anderen führungslos, ohne Steuermann geht es in den Sturm. Einige werden sicherlich sagen, dass das schon vorher der Fall war. Doch nun muss erst einmal jemand kommen, der es besser macht – und die einzige Hoffnung ist, dass es nicht noch schlimmer wird. Es sind Tomanés, Brökers und Regäsels der letzten Jahre, die als kritische Verpflichtungen herangezogen werden. Grlic fand aber auch die Wiedwalds, Flekkens und Caulys. Zumindest das sollte stehen bleiben.