Kraftakt an der Elbe: Wie der 1. FC Magdeburg gerade aufersteht

Mit 13 Punkten aus fünf Spielen – und damit genauso vielen Zählern wie aus den ersten 14 Partien dieser Saison – hat sich der 1. FC Magdeburg seit Anfang März beeindruckend rehabilitiert und wird urplötzlich nicht mehr als erster Abstiegskandidat genannt. Was mit der unverhofften Erfolgsserie einhergeht und warum das Restprogramm machbar klingt, aber tückisch ist.

Titz trotz dem Fehlstart

In der Bibel gilt der Ostermontag als der Tag der Auferstehung. Beim 1. FC Magdeburg wollte man in diesem Jahr so lange nicht warten: Schon zwei Tage vorher bescherte der Klub sich und seine Anhängerschaft mit dem wohl größten, wichtigsten, bedeutsamsten Schritt inmitten einer Aufholjagd, die sich schon jetzt sehen lassen kann – dem 2:0-Heimsieg über den klar favorisierten, aber glücklosen Tabellendritten FC Ingolstadt. Vom schillernden Traditionsverein, der vermeintlich dem Abstieg entgegentaumelt, zum formstärksten Team der Liga brauchte es nur wenige Wochen. Plötzlich stehen da 34 Punkte aus 30 Spielen auf dem Zettel, und der für unmöglich gehaltene Zwei-Punkte-Schnitt, den wir für den FCM noch fünf Spieltage zuvor als Maßgabe für den Klassenerhalt errechnet hatten, ist alles andere als unrealistisch. Was für eine Entwicklung!

Gehen wir die vergangenen Spiele einmal chronologisch durch. Am 2. März hatte die Mannschaft von Christian Titz – der mit drei Niederlagen gestartet war – nur 21 Zähler auf dem Konto. Noch nicht lange zurück lag die verheerende 0:4-Niederlage gegen den SC Verl, ein Offenbarungseid, in dem Magdeburg die Fragilität seines Mannschaftskonstruktes über 90 Minuten unter Beweis gestellt hatte. Für Titz, der üblicherweise nicht als Feuerwehrmann, sondern mit langfristigen Plänen und klar gezeichneter spielerischer Handschrift eine Trainerstelle antritt, war das eine ganz kalte Dusche. Beim Nachholspiel in Köln an jenem Dienstagnachmittag gerieten die Elbestädter dann einmal mehr ins Hintertreffen. Doch binnen zwei Minuten drehten sie das Spiel, eine Fähigkeit, die üblicherweise Aufstiegsanwärter mit all ihrem Selbstbewusstsein besitzen, nicht aber Krisenklubs.

Atiks Durchbruch unter widrigsten Umständen

Und was hatten diese Augenblicke, ob herbeigeführt durch Momentum, Spielglück oder Qualität, für eine Auswirkung! Magdeburg siegte souverän mit 4:2, holte dann gegen Mannheim immer einen Punkt (1:1) und legte in den Folgespielen beim FC Bayern II (2:0), gegen den 1. FC Kaiserslautern (1:0) und nun Ingolstadt perfekt nach – allein in den letzten 270 Minuten holte die Titz-Elf damit nicht nur neun Punkte selbst, sondern verhinderte sechs Zähler der direkten Konkurrenz. Sowohl Kaiserslautern als auch Bayern II liegen in der Tabelle mittlerweile hinter den Mitteldeutschen, und wer vor vier Wochen noch davon träumte, am 38. Spieltag noch den Sprung auf einen Nichtabstiegsplatz schaffen zu können, der mag sich jetzt die Augen reiben: Der 1. FC Magdeburg hat genau das dank dieses famosen Spurts schon acht Spieltage vorher geschafft. Das kann Segen und Fluch zugleich sein. Ein Spannungsabfall jetzt, wo aus der Rolle des Jägers wieder die des Gejagten wird, käme viel zu früh.

In Kai Brünker und allen voran Baris Atik zwei Urheber des Erfolgs zu sehen, liegt nicht fern. Atik hat sich unter widrigsten Umständen als Volltreffer entpuppt, sein Spielverständnis ist in der 3. Liga nicht oft anzutreffen, sein technisches Vermögen ebenfalls. Obgleich der Wintertransfer, der zunächst verletzt gefehlt hatte, nur in sieben der 30 Saisonspiele zum Einsatz kam, ist er hinter Stammkraft Raphael Obermair (10) mit sieben Scorerpunkten schon auf dem zweiten Platz in der mannschaftsinternen Rangliste angekommen. Fraglos ist Atik der entscheidende Baustein auf einer Position, auf der Magdeburg längere Zeit die Qualität eines solchen Spielmachers abgegangen war. Mit 30 erzielten Treffern stellt der FCM noch immer eine der schwächsten Angriffsreihen – das Potenzial, dies aufzupolieren, scheint aber gegeben.

Stiller Abschied von Beck

Doch vergesse man nicht die Defensive: Seit gut 340 (!) Minuten ist der Abstiegskandidat mittlerweile ohne Gegentor. Dabei läuft neben Alexander Bittroff und Tobias Müller nun auch dessen Namensvetter Andreas Müller in der Dreierkette auf – die Entdeckung dieser Saison ist als Inbegriff der Polyvalenz der Traum eines jeden Trainers. Ob im zentralen Mittelfeld, zuletzt auf den Flügelpositionen oder nun in der Abwehr: Müller, der mit seinen 1,73 Metern sicher kein klassisches Gardemaß für den zentralen Innenverteidiger mitbringt, kompensiert das mit cleverer, vorausschauender Abwehrarbeit. Und bringt als gelernter Mittelfeldspieler auch für den geordneten Spielaufbau, der in der ersten Saisonhälfte meist uninspiriert und für Gegner dankbar war, neue Möglichkeiten mit.

Titz hat es nicht nur geschafft, dass die Zuversicht in Magdeburg zurückgekehrt ist, dem Profifußball in der Saison 2021/22 erhalten zu bleiben – und alle für dieses Ziel an einem Strang ziehen. Unter ihm hat die Mannschaft endgültig eine neue, nun auch klar definierte Struktur erhalten, angeführt vom Kapitän Tobias Müller. Dessen Vorgänger Christian Beck ist der Leidtragende: Im Januar gab der 33-Jährige aus eigenen Stücken die Kapitänsbinde ab, sie passte vielleicht schon damals nicht mehr zum langjährigen Torjäger, weil dieser nicht mehr um jeden Preis gesetzt schien. An der tollen 13-Punkte-Serie seit Anfang März hatte Beck nun nur noch 14 Minuten Anteil, stand zuletzt in drei von vier Spielen gar nicht mehr im Kader. Nach bald neun bemerkenswerten Jahren scheint die Zeit von "Beckus" abgelaufen, Stunk aber macht der Musterprofi, dessen Vertrag bald ausläuft, deshalb nicht. Seine eigene Situation über die des Klubs stellen? Das wäre nicht er, und das ist in dieser Phase sehr bedeutsam. Nebengeräusche braucht inmitten einer Aufholjagd keiner.

Machbares Restprogramm

Schauen wir abschließend noch kurz auf das Restprogramm, das mit einem speziellen Wiedersehen beginnt: Samstag gastiert der FCM bei Ex-Trainer Jens Härtel und etlichen weiteren ehemaligen Mitstreitern in Rostock – es ist der letzte Gegner aus den Top 4. Dann folgen Zwickau, Meppen, Lübeck, Saarbrücken, Duisburg, Uerdingen und Unterhaching – Mittelfeldteams, aber auch so einige direkte Konkurrenten. Dennoch: Plötzlich wirkt der Klassenerhalt so realistisch, dass ein Verfehlen des Ziels gegen diese Gegner einer herben Enttäuschung gleichkäme. Es spricht klar für den 1. FC Magdeburg, dass er sich überhaupt erst in so eine vergleichsweise komfortable Ausgangslage gebracht hat. Schafft er es nun, im Kopf fokussiert zu bleiben – Stichwort Spannungsabfall – und das Momentum noch einige Wochen mitzunehmen, werden wir ihn auch im kommenden Jahr in der 3. Liga sehen.

   

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