Kruse, Sembolo und Ziege: Die „Two and a half men“ beim HFC
Während an der Saale momentan wieder eher zarte Frühlingstemperaturen herrschen, feiert der HFC bereits sein zweites „Winterwunder“ in Folge. Man erinnert sich an die Winterpause 12/13: Nach einem 1:2-Misserfolg gegen Rot-Weiß Erfurt stand die Mannschaft des gescholtenen Trainers Sven Köhler auf Platz 17 und holte dann mit Ziegenbein, Leistner, Ziebig, Furuholm und Kojola die Spieler, die die Hallenser am Ende fast im Alleingang zum Klassenerhalt schossen. Nicht zu wiederholen? Nach einem 1:2 gegen RB Leipzig geht der HFC als Drittletzter in die vergangene Winterpause. Die Moral der Mannschaft – am Ende. Leitwölfe, Torjäger, Überraschungsmomente? Fehlanzeige. Der Trainer endgültig vor de Rausschmiss. Keine Impulse aus dem Mittelfeld, eine wackelige Abwehr und ein harmloser Sturm – es deutete nichts darauf hin, dass sich der HFC in nächster Zeit aus dem Sog des Abstiegsstrudels würde befreien können. Dann kamen Halles „two and a half men“, die zweieinhalb Neuzugänge Francky Sembolo, Tim Kruse und der endlich vollends genesene Björn Ziegenbein und brachten den Erfolg zurück an die Saale. Auf ein fulminantes 3:0 in Wiesbaden folgte am Samstag ein hochverdienter 1:0-Heimsieg gegen harmlose Kieler „Störche“. Tor: Sembolo. Vorlage: Ziegenbein. Motivator: Tim Kruse. Die „two and a half men“ sind zurzeit in aller Munde beim HFC und auch liga3-online.de hat einen näheren Blick auf das explosive Trio riskiert.
Tim Kruse – der beruhigende Puppenspieler
Wer, der dem HFC nahe steht, kritisierte in der Winterpause nicht das Fehlen eines Lautsprechers? „Einer wie Wagefeld, nur etwas kreativer und fit“, so klang der fromme Wunsch der halleschen Fans, wahrscheinlich bei den meisten mit einem Augenzwinkern, wohlwissend, dass selbst Wagefeld seinerzeit ein absoluter Transfercoup war. Es kam – praktisch als Transfer in letzter Minute – Tim Kruse und die Kritiker waren unsicher. Technisch und taktisch sagte man Kruse eine hohe Intelligenz nach, die Vereinsvorsitzenden schienen erfreut über diesen Transfer, aber als Lautsprecher, als General auf dem Platz galt Kruse bei weitem nicht. Eher ruhig, eher abgeklärt und introvertiert wirkt der 31-jährige Ex-Saarbrücker auf dem Platz und geht dabei einen Weg, den alle Kritiker vor der Winterpause ausgeblendet hatten: Den Weg der Ruhe. Kein Spieler auf dem Feld hat eine dermaßen ruhige Ausstrahlung in seinem Spiel. Und während die „Ruhe“ von Trainer Sven Köhler, die „Ruhe“ von Geschäftsführer Ralph Kühne vor der Winterpause rückblickend eher ratlos als ernstgemeint wirkte, reist Kruse die Mannschaft mit seiner Souveränität förmlich mit. Jeder, wirklich jeder war schier überrascht, welches Selbstbewusstsein und welche Zielstrebigkeit die Hallenser in Wiesbaden an den Tag legten und wer von einem hessischen „One-Hit-Wonder“ ausging, wurde im Spiel gegen Kiel eines Besseren belehrt. Denn Kruse strahlt nicht nur Ruhe aus, im Gegenteil, Kruses Spiel sorgt für schiere Verzweiflung in den Defensivreihen des Gegners. Während Wiesbaden noch völlig überfordert war, hatte Kiel zwar etwas mehr entgegenzusetzen, musste schlussendlich aber ebenso vor der Qualität Kruses kapitulieren. Wie ein Puppenspieler zieht er aus der Tiefe die Fäden und schenkt damit seinen Mitspielern, allen voran Andy Gogia, nicht nur starke Pässe, sondern auch erheblich mehr eigene kreative Freiheiten.
Björn Ziegenbein – der Mann fürs Grobe
Wenn man ein Loblied auf Tim Kruse anstimmt, kommt man nicht umher, Björn Ziegenbein mindestens eine ausführliche Strophe zu widmen. Ziegenbeins Start beim HFC war kein leichter. Gerade von einer Verletzung aus Rostocker Zeiten genesen, arbeitete er sich nur langsam in die Mannschaft hinein. Sven Köhler machte im Sommer deutlich, dass er sich erheblich mehr vom Offensivallrounder, dessen Marktwert zu Rostocker Zeiten immerhin bei 800.000 Euro lag, erwarte. Dann kam eine erneute Knie-OP und Ziegenbein fiel die gesamte Hinrunde aus. Halles Pech vor der Winterpause, war „Zieges“ Glück: Während alle anderen unterdurchschnittlich spielten, zeigte der Alzenauer zumindest in Ansätzen, warum man im Norden große Stücke auf ihn gehalten hatte: Ziegenbein ist verrückt. Der einzig logische Grund, warum er mit seiner bemerkenswerten Philosophie vom Fußball nicht im Tor, sondern auf dem Feld steht, ist sein ebenso bemerkenswertes fußballerisches Talent. Er ist schnell, dribbelstark, trickreich, hat ein gutes Auge für seine Mitspieler, genauso wie ein gutes Gespür für den richtigen Moment, selber abzuschließen. Doch trotz seiner starken Technik, besitzt Ziegenbein die Physis und vor allem die Einstellung, aggressiv Fußball zu „arbeiten“. In Bestform ist Björn Ziegenbein für den HFC so etwas wie die vielzitierte „eierlegende Wollmilchsau“. Denn, und das ist der Clou, Ziegenbein ist sich nicht zu fein, den Mund aufzumachen, laut zu werden, zu dirigieren. Das was man von Tim Kruse (nicht) erwartet hatte, erledigt nun Ziegenbein. Er ebnet den Weg für Kruses Pässe, erkämpft Gogia den Freiraum, den dieser für seine Technik braucht – beides notfalls mit einer rustikalen Spielweise. Hat er selbst den Ball, glänzt er mit Übersicht und einem guten Gespür für Chancen, was ihm ein herrliches Tor gegen Wiesbaden und eine nennenswerte Chance gegen Kiel einbrachte.
Francky Sembolo – die personifizierte gute Laune
Was Kruse und Ziegenbein vorbereiten, weiß Francky Sembolo zu verwerten. In Wiesbaden noch als Linksaußen erfolgreich, durfte der kongolesische Nationalspieler gegen seinen Ex-Verein Kiel in der Sturmspitze ran – Furuholm musste angeschlagen auf der Tribüne Platz nehmen – und dankte es Sven Köhler und seiner Mannschaft mit dem Siegtreffer, herrlich und in bester Knipsermanier ins Tor gestupst. Ähnlich schnell wie Sembolo wurde in der Vergangenheit nur einer zum Publikumsliebling: Timo Furuholm. Der zuletzt glücklose Finne muss aber nicht um seine Sympathiepunkte bangen, denn die beiden Stürmer sind, wie in Wiesbaden bewiesen, durchaus in der Lage zusammen auf dem Platz zu stehen und zu spielen. Doch nicht nur Tore bringt Sembolo aufs Feld, sondern auch eine bemerkenswerte Physis. Er vereint die Kraft von Timo Furuholm mit der Dynamik von Pierre Merkel und macht sich somit nicht nur zum perfekten Mitspieler für beide Sturmkollegen, sondern auch zum ertragsreichen Alleinunterhalter in der Sturmspitze. Zudem hat Sembolo ein sehr gutes Gespür für sich öffnende Räume und sich somit bietende Chancen. Im Moment denkt er manchmal sogar schneller als seine Offensivkollegen, was sich aber mit der Zeit einspielen wird. Vor allem zeichnet sich der Kongolese durch eine dermaßen ansteckende gute Laune aus, dass man glauben könnte, die Sonne selbst pflügt über den Platz. Das Geheimnis für sein stetiges Lachen verriet er dem MDR im Fieldinterview nach der Partie gegen Kiel: Er wohnt zurzeit noch bei Teamkollege und Landsmann Patrick Mouaya. Und der ist ja seit jeher für die gute Laune am Erdgas-Sportpark zuständig.
FOTOS: Marcus Bölke // Marcel Junghanns / Klettermaxe Photographie / Fototifosi