SF Lotte: Kontrollverlust mit unabsehbaren Konsequenzen

Wer dachte, die Sportfreunde Lotte hätten sich in der vergangenen Spielzeit mit ausreichend zweifelhaftem Ruhm bekleckert, der sieht sich nun getäuscht. Der kleinste Verein der Liga hat mal wieder seine Launen und hält damit die Konkurrenz in Atem. Was am Donnerstag geschehen ist, sollte eigentlich Konsequenzen haben. Aber wie sollen die noch aussehen? Ein Kommentar.

Verein verkommt zur Lachnummer

Es ist ein merkwürdiges, aber zweifellos blamables Bild, das die SF Lotte seit 13 Monaten nahezu konstant in der Öffentlichkeit abgeben. Seit Ismail Atalan die Sportfreunde in Richtung Bochum verließ, wurde offengelegt, wie fragil das Konstrukt am Autobahnkreuz eigentlich ist – und wie wenig Professionalität vorherrscht. Zunächst traf es Atalan-Nachfolger Oscar Corrochano, die Grillabend-Affäre. Er wurde von der Mannschaft ausgebootet, weil er diese nicht erreicht hatte, keinen Fußball nach ihrem Geschmack spielte. Schon das war eine ungeheure Macht, die Spieler im Normalfall nie ausüben sollten. Ebenfalls nie richtig den Draht fand Nachfolger Marc Fascher, der wiederum noch vor dem Jahreswechsel von Andreas Golombek abgelöst wurde. Drittliga-Deutschland schmunzelte über diesen Verein, der kein Jahr zuvor die besten Schlagzeilen schrieb und nun ins Chaos verfiel.

Obmann Manfred Wilke ist nicht bekannt dafür, lange zu zögern, wenn etwas nicht rund läuft. Als er seinen damaligen Trainer Golombek nach dem Ausscheiden im Westfalenpokal nicht bloß kritisierte, sondern unsachlich und unprofessionell wurde, überschritt er auch öffentlich eine Grenze. Damit holte er weder die Mannschaft auf seine Seite, noch arbeitete er an einem Vertrauensverhältnis zum Trainer. Nun, einige Monate später, muss er mitansehen, wie sein Projekt, in das er so viel Herzblut, Geld und Eifer – manchmal Übereifer – gesteckt hat, zur Lachnummer verkommen ist. Denn das ein professioneller Verein vier Leistungsträger auf einen Schlag suspendiert, das hat es hierzulande selten gegeben. Und das anschließend weite Teile der Mannschaft solidarisch des Trainings fernbleiben, ebenso nicht.

Macht der Spieler zeigt Ohnmacht des Vereins

Es ist ein Versagen auf so vielen Ebenen. Angefangen mit einer Kaderzusammenstellung, die offensichtlich unzulänglich war und allemal deutlich zu hinterfragen ist. Spieler, die vor dem Amtsantritt von Coach Matthias Maucksch verpflichtet wurden, wurden von diesem nach wenigen Wochen aussortiert. Stammspieler, die nicht nur Leistung, sondern auch Identifikation stifteten, wurden durch Talente aus der Regionalliga ersetzt. Dazu wird gemunkelt, dass das Team – ähnlich wie im Fall Corrochano – in den bisherigen gut zwei Monaten der Zusammenarbeit überhaupt keinen Draht zu Trainer Maucksch gefunden hat. Seine taktischen Konzepte werden intern stark hinterfragt, Spieler sollen sich bereits beim Vorstand des Vereins beklagt haben.

Angesichts dieser Umstände ist auch die Leistung im Westfalenpokal, als die SFL dem SV Rödinghausen mit 2:3 unterlagen, nicht mehr überraschend. Es gibt Brüche im Team, weil sich Gruppen gebildet haben. Der Trainingsboykott am Donnerstagnachmittag zeigte in etwa, wer sich wem angeschlossen hat – die Mehrheit blieb fern. Die Macht der Spieler zeigt die Ohnmacht des Vereins, der sich ohnehin in eine sportlich sehr prekäre Lage manövriert hat. Die einzigen Aussagen, die das wahrlich nicht beneidenswerte kleine Medienteam der Sportfreunde auf seiner Webseite zur vierfachen Suspendierung publizierte, blieben vage. Man stärke dem Trainer dem Rücken, sagt Manfred Wilke. Man wolle neue Strukturen schaffen, sich neu justieren, sagt Matthias Maucksch.

Maucksch ist angezählt

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies eines der letzten Zitate in der kurzen Amtszeit des Matthias Maucksch bei den Sportfreunden gewesen ist. Kein Geheimnis ist, dass der Trainer angezählt ist – dieses Mal von der Mannschaft, nicht von den Vereinsbossen. Schon am heutigen Freitag sollen weitere Gespräche zwischen Hauptsponsor, Fußball-Obmann und Trainer folgen. Die einzig realistische Lösung ist die Freistellung des Übungsleiters, soll das nächste Desaster nicht am Sonntag gegen den Halleschen FC folgen. Mit den nur sechs verbliebenen, trainingswilligen Spielern kann Lotte jedenfalls ebenso wenig antreten wie mit einem vollbesetzten, aber unmotivierten Kader. Doch wer einen Schritt weiterdenkt, kommt zwangsläufig zur Frage: Wer soll sich dieser Herkulesaufgabe als Übungsleiter noch stellen?

Die neuerlichen Schlagzeilen sind Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die den Lottern mangelnde professionelle Strukturen schon seit Jahren vorwerfen. Im ersten Drittliga-Jahr lebte man von Euphorie und einem Coach, der einer eingeschweißten Mannschaft seinen Stempel aufgedrückt hatte. Im zweiten Jahr bröckelte der Putz, Stammspieler gingen, das Gefüge stimmte nicht mehr und der Klassenerhalt war kein Selbstläufer mehr. Jetzt deutet schon nach vier Spieltagen einiges darauf hin, als wollten sich die Sportfreunde aus der 3. Liga verabschieden. Nicht aber, ohne vorher noch mit Pauken und Trompeten für Aufsehen zu sorgen.

   

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