Lotte und Großaspach: Ladehemmung auf dem Dorf

"Du triffst doch kein Scheunentor!" Wie oft mussten wir Hobbykicker, ob Dorfkinder oder Stadtmenschen, uns diesen Spruch früher anhören. Doch wo noch so mancher Bauer sein Stroh, Heu und Vieh im Trockenen hütet, da ist auch in der 3. Liga aktuell Ladehemmung und wenig Spektakel anzutreffen. Die Teams erzielen damit akzeptable bis beachtliche Ergebnisse, doch was bedeutet genau das für die Drittliga-Spielkultur?

Hauptsache, die Null steht

Zwei Dorfklubs gibt es aktuell in der 3. Liga, die aus ihrer Herkunft auch keinen Hehl machen. Die SG Sonnenhof Großaspach einerseits, die kürzlich beim Auswärtsspiel in Osnabrück mit kreativen Bannern den Gästeblock trotz nur wenigen Dutzend Mitfahrern als "ausverkauft" erklärten. Und die Sportfreunde Lotte, die beim Montagsspiel gegen Preußen Münster gegen die Ansetzung mit dem Verweis "Sind Kühe melken" protestierten. Ihr großes Faustpfand der vergangenen Jahre waren nicht die großen Kulissen, dafür aber attraktiver Fußball. Mittlerweile hat sich das ein wenig geändert.

Denn sowohl bei Lotte als auch bei Großaspach fallen selten Tore. Wirklich selten. Weniger Treffer als bei allen anderen Drittligisten. 25 Tore haben die SFL bislang erzielt, 22 Mal jubelte die SG Sonnenhof Großaspach. In 26 Spielen, wohlgemerkt. Weniger als ein Tor pro Partie – als wäre das nicht dürftig genug, so können sich zeitgleich immerhin die Defensivreihen der Klubs gegenseitig auf die Schulter klopfen. Sechs Gegentore sind es etwa bei der SGS in den sieben Rückrundenspielen, ein beachtlicher Wert für einen Abstiegskandidaten.

Sogar herausragend ist die blanke Statistik die Sportfreunde Lotte: Im Jahr 2019 haben die Westfalen genau einen Ball aus dem eigenen Netz holen muss. Das war im ersten Spiel, keine zehn Minuten rum, und eingeleitet durch einen Mega-Fehler. Seitdem steht die sprichwörtliche Mauer felsenfest. Fünf Spiele, 534 Minuten ohne Gegentor. Zwei Punkte im Schnitt. Acht Punkte vor den Abstiegsrängen.

Den Preis zahlen die Zuschauer

Den Preis dafür zahlen neutrale Zuschauer, die Großchancen, ein flottes Spiel und allen voran Tore sehen wollen. Lotte und Großaspach sind die einzigen beiden Klubs, bei denen pro Punktspiel im Durchschnitt weniger als zwei Treffer fallen. Und das ist gewiss kein Zufall. Fünfmal spielten die Sportfreunde, sieben Mal die Großaspacher bereits 0:0. Nirgendwo werden in der 3. Liga öfter die Punkte geteilt als auf dem Dorf, nämlich zusammengerechnet bereits 25 Mal.

Und doch stehen beide Minimalisten über dem Strich, Lotte sogar deutlich. "Wie wir das verteidigt haben, darauf kann man stolz sein“, sagte Trainer Nils Drube kürzlich nach dem 2:0-Auswärtssieg in Zwickau. Ein Spiel, über das selbst Beobachter nur staunten, weil Langholz auf Langholz traf, keine Mannschaft auf der Attraktivitätsskala über unteres Mittelmaß stieg und die Tore bezeichnenderweise nach Freistößen fielen.

Der Drittliga-Fußball wird unattraktiver

Den Sportfreunden wird’s recht sein, sie stehen im gesicherten Mittelfeld, können dank ihrer exzellenten Defensivleistungen möglicherweise sogar die obere Tabellenhälfte in Angriff nehmen. Der 3. Liga, in der diese Saison im Schnitt nur noch gut 2,5 Tore pro Spiel fallen, sollte das aber zu denken geben. Denn auch 2019 ist das Wagnis, eine riskante Offensivstrategie einzugehen und dafür die Stabilität aufzugeben, unpopulär geblieben.

Der Fußball wird eher unattraktiver, was gewiss nicht nur an den Dorfklubs liegt. Überhaupt stehen derzeit nur wenige Klubs, etwa Haching, Wiesbaden, Würzburg und 1860 München, für Risiko und das Unberechenbare. Dabei hatte etwa der SC Paderborn im Vorjahr beeindruckend gezeigt, dass sich die Umstellung auf Vollgas-Fußball sehr wohl lohnen kann.

   

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