MSV Duisburg im Keller: Wo bleibt der Impuls zur Trendwende?
Platz 18, nicht einmal ein Punkt pro Spiel, elf Niederlagen: Um den MSV Duisburg im Dezember 2021 ist es nicht gut bestellt. Seit Jahren schwebt das Schreckensgespenst Regionalliga über der Wedau, nun spukt es mehr denn je – auch weil die Zebras orientierungslos durch den Herbst schlittern. Wo verstecken sich die Hoffnungsschimmer?
Erste Durchhalteparolen vor dem Ende der Hinrunde
Duisburg ist eine Stadt der Grautöne, dafür braucht es keinen regnerischen Spätherbst wie in diesen Tagen. Wer ein Duisburger ist, kennt und schätzt seine Heimat dafür, so unperfekt zu sein: eine zubetonierte Innenstadt, verlassene Gebäude, Asphaltwüsten, von der Stahlindustrie geprägte Stadtteile. Hier wird hart geschuftet – genau das, was selbst in trüben Zeiten wie derzeit Fans des ortansässigen Meidericher SV immer von ihrer Fußballmannschaft verlangen wird. Nun: aktuell genügt das nicht. Nach dem 1:3 gegen Waldhof Mannheim, das kein Offenbarungseid war, aber eben doch zu wenig, hängt der MSV weiter im Tabellenkeller. Platz 18 ist die Realität. Duisburg ist ganz akut gefährdet, in die Viertklassigkeit abzutauchen. Ein Szenario mit nach wie vor schwer abschätzbaren Folgen für den gesamten Verein.
Elf Niederlagen sind eine bittere Zwischenbilanz nach 17 Spielen. Alleine acht davon gab es in den bislang neun Auswärtsspielen. Damit stehen die Fußballer vom Niederrhein in dieser Teiltabelle sogar noch hinter dem Gesamtschlusslicht TSV Havelse. Nur die Nachholpartie des 1. Spieltags gewann der MSV, und das immerhin beim Aufstiegskandidaten VfL Osnabrück. Danach: pure Tristesse. Zumal der ehemalige Bundesligist nur selten chancenlos war, unter anderem dreimal – beim BVB II, dem FSV Zwickau und 1860 München – eine Führung in der Fremde noch herschenkte. Auch die Kehrseite der Statistik liest sich nicht besser: Zwölfmal geriet der MSV im Saisonverlauf in Rückstand, nur ein Eigentor des 1. FC Kaiserslautern brachte Duisburg dann noch einen Punkt. Der Rest: verloren.
So auch das Spiel am vergangenen Freitag gegen Mannheim. "Wenn wir die individuellen Fehler nicht abstellen, werden wir auch in den nächsten Spielen Probleme haben", sagte Aziz Bouhaddouz in einem emotionalen Interview mit "MagentaSport" nach Spielende. Der 34-Jährige analysierte ohne Umschweife: "Das ist immer die gleiche Scheiße." Bei Trainer Hagen Schmidt, dessen Verpflichtung aus Mönchengladbachs Nachwuchsabteilung überraschend kam und der sich bei seinem ersten Cheftrainerposten gleich eines Klubs im Existenzkampf angenommen hat, klang das Ganze sogar schon nach Durchhalteparolen. "Bis zum letzten Tropfen" werde man alles reinhauen und wer glaube, "dass wir tot sind", der werde sich noch wundern. Ganz so dramatisch ist die Lage nicht. Noch nicht. 21 Spiele sind noch zu gehen.
Ex-Trainer trumpfen nun groß auf
Eine spezielle Rolle in der Causa Duisburg nimmt Ivica Grlic ein. Zehn Jahre lang ist der zuvor langjährige Spieler des MSV nun als Sportdirektor tätig, sein kürzliches Amtsjubiläum ging aber inmitten der lauten Kritik etlicher Fans unter. Viele trauen Grlic, unter dem der MSV zwar die Fast-Insolvenz und den Zwangsabstieg in die 3. Liga 2013 ordentlich verkraftete, sich nun aber seit Jahren nicht mehr vom Fleck bewegt, diesen entscheidenden Impuls nicht mehr zu. Vielmehr hat sich Duisburg auch bei der sportlichen Führung in eine Sackgasse manövriert, die Beziehung wirkt irreparabel beschädigt, aber keiner will den Schritt gehen und sie beenden.
Die eine oder andere Personalentscheidung Grlic' gerade auf der Trainerposition geriet fraglos unglücklich. Vor allem die Rückholaktion von Gino Lettieri vor einem Jahr, die von Beginn an zum Scheitern verurteilt war, öffnete dem Klub viel mehr Baustellen als nötig und hätte schon im Vorjahr beinahe zum Regionalliga-Abstieg geführt. Andere ehemalige Übungsleiter haben plötzlich an anderen Standorten teils durchschlagenden Erfolg: Pavel Dotchev, im Oktober dieses Jahres erst entlassen, macht nun bei Zweitligist Erzgebirge Aue als Interimstrainer einen sehr ordentlichen Job. Torsten Lieberknecht, im November 2020 gefeuert, spielt mit Darmstadt 98 in der gleichen Liga die Sterne vom Himmel. Dem MSV bleibt nur der sehnsüchtige Blick zu seinen Ehemaligen, und vielleicht auch die Erkenntnis: Hier fehlt es an den strukturellen Voraussetzungen, am Vertrauen, an der Einheit im Umfeld – und eben nicht am jeweils nächsten Cheftrainer, der mit den Weiß-Blauen überfordert ist.
Vorne richten es die Routiniers – hinten wackelt der MSV
Auch die Zusammenstellung der Mannschaft ist, nachdem nun fast die gesamte Hinrunde absolviert worden ist, zu hinterfragen. Vorne funktioniert’s dank der Routiniers: Orhan Ademi (30 Jahre alt) steht bei neun Saisontoren, Bouhaddouz (34) kam zuletzt in Schwung, Kapitän Moritz Stoppelkamp spielt keine überragende, aber solide Saison, an denen sich gute und schlechte Tage munter abwechseln. Dann geht es schon bergab: Marvin Bakalorz war nominell der Top-Neuzugang, der 32-Jährige spielte aber bislang eine unglückliche Saison inklusive Rotsperre. Auch darüber hinaus mangelt es in der Mannschaftsachse an Führungsspielern, gerade in der Defensive, die auch qualitativ nur durchschnittlich besetzt ist. Einer, der dieses Gen mitbrächte, ist Dominik Schmidt, doch der schwächelte in der Vorsaison stark und wird – auch wegen massiver Fan-Kritik – nicht mehr berücksichtigt. Immerhin Torwart Leo Weinkauf bleibt der gewohnte Rückhalt – sofern er nicht, wie bereits zweimal in Heimspielen passiert, aus großer Distanz überrascht wird.
Was bleibt unter dem Strich? Von der Hoffnung, mit den gezielten Sommertransfers und wenigen abgegebenen Leistungsträgern den Schritt Richtung obere Tabellenhälfte machen zu können, ist nicht viel übrig. Stattdessen müssen Trainer, Mannschaft und Umfeld schnellstmöglich zurück in den Modus Abstiegskampf. Noch ist der Rückstand auf drei Punkte begrenzt und die Chancen stehen gut, denn ob die Konkurrenz, etwa Zweitliga-Absteiger Würzburg und Chaosklub aus Tradition Türkgücü, diese Situation besser wird annehmen können, ist nicht gesagt. Die wohl auch in diesem Jahr benötigte 45-Punkte-Marke ist 29 Zähler entfernt. Macht 1,4 Punkte pro Spiel ab sofort – der Auftrag ist klar. Im Winter wird der Kader allerdings verstärkt werden müssen, zumal auch Würzburg und Türkgücü aufrüsten werden.