Mutzel im Interview: "Tabellarisches Saisonziel wäre unseriös"

Die Tränen des Doppel-Abstiegs auf der Alm sind getrocknet. Im Interview mit liga3-online.de erklärt Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel (43) mit langem Atem, wie er 17 Neuzugänge als auch vergraulte Fans neu für Arminia Bielefeld begeistert hat und spricht auch über unseriöse Ziele.

"Mussten bei einigen Zugängen Geduld mitbringen"

liga3-online.de: Hallo Herr Mutzel! Trifft durch die unzähligen Gespräche mit Beratern und Spielern sowie der hohen Zahl an Medienterminen auf Sie der Status "In einer Beziehung mit meinem Smartphone" zu?

Michael Mutzel: Ja, das kommt hin. Auch wenn ich zwischendurch immer mal versucht habe, mein Smartphone zur Seite zu legen, musste die Familie häufiger zurückstecken. Ich bin froh, wenn wir jetzt langsam wieder in den normalen Rhythmus kommen und bin ganz guter Dinge, dass meine Frau wieder in die Beziehung einwilligt (lächelt).

Mussten Sie bei einigen Spielern besonders viel Überzeugungsarbeit für eine Unterschrift leisten?

Wir haben uns intern selbst einen gewissen Druck auferlegt, weil wir den Fans schon zum Trainingsauftakt den Großteil unseres Teams präsentieren wollten. Mit unserer Idee, wie Arminia Bielefeld Fußball spielen möchte, und Mitch als den passenden Cheftrainer mit großer Überzeugungskraft ist uns dies häufig gelungen. Natürlich mussten wir bei einigen Spielern auch hartnäckig bleiben und etwas Geduld mitbringen.

Im Anschluss ging der Telefon-Marathon mit den letztjährigen Dauerkarten-Besitzern weiter!

Eine sehr interessante Geschichte, die wirklich Spaß gemacht hat. Auch, um die Stimmungslage aus Sicht unserer Fans einzufangen. Das waren alles richtig gute Gespräche mit Menschen, die etwas über Arminia zu erzählen hatten. Ich spüre bei vielen: Sie haben Bock auf den Neuanfang und wollen wieder ins Stadion kommen. Und einige, die sich zunächst gegen eine Dauerkarte entschieden haben, konnten wir durch diesen persönlichen Austausch sogar umstimmen.

Am Samstag startet die Arminia zunächst in der Fremde bei Dynamo Dresden – weiterhin ohne tabellarisches Saisonziel?

Genau, das wäre höchst unseriös. Ich wundere mich darüber, wenn wir auch von mehreren Konkurrenten als Aufstiegsfavorit hingestellt werden. In den letzten fünf Wochen wurden 17 neue Spieler, ein komplett neues Trainer-Team und vier weitere Neuzugänge im Funktionsteam verpflichtet. Bei so vielen Veränderungen ist es – Stand heute – nicht passend, ein tabellarisches Saisonziel zu benennen. Wir wollen zunächst unsere Fans mit leidenschaftlichem Fußball und 100-prozentigem Einsatz überzeugen und gehen natürlich in jedes Spiel, um es zu gewinnen. Über Platzierungen als Ziel können wir gerne zu einem späteren Zeitpunkt der Saison sprechen.

 

"Bewusste Entscheidung, nicht mit einem riesigen Kader in die Saison zu gehen"

Um das Wort "Aufstieg" mal anderweitig in den Raum zu werfen: Welche Erinnerungen haben Sie an den Sprung in die Bundesliga mit dem Karlsruher SC?

Das war in der Saison 2006/07, wobei wir auch im Vorjahr schon lange oben mitgemischt hatten. Wenn du eine optimal eingespielte Mannschaft gezielt verstärkst, auf denselben Trainer (Edmund Becker, Anm. d. Red.) setzt und obendrein den Rückhalt einer ganzen Region spürst, sind das optimale Aufstiegs-Voraussetzungen. Um mal den Vergleich zum hier und jetzt in unserer Liga zu ziehen: Diese Bedingungen sehe ich eher bei Teams wie Dynamo Dresden.

Sie gelten auch als großer Fürsprecher von jungen Spielern. Wie viel Perspektive bietet der Bielefelder Unterbau – unter anderem mit einer U17-Meistermannschaft – für die nächsten Jahre?

Ein großer Baustein unseres Neuanfangs. Daher haben wir auch entschieden, dass Lucas Kiewitt, Jonah Busse sowie Henrik Koch und Henry Obermeyer weiterhin bei den Profis trainieren, sofern es die schulische Situation zulässt.

Könnte das besagte Quartett schon in den ersten Wochen eine Chance in der 3. Liga bekommen?

Grundsätzlich gilt bei uns das Leistungsprinzip. Wenn die Leistung der Jungs entsprechend ist, ist dies sicherlich möglich. Ein wichtiges Kriterium für Einsätze in der 3. Liga sind auch die körperlichen Voraussetzungen. Mit 16 bzw. 17 Jahren ist es nicht einfach, sich auf Drittliga-Niveau zu behaupten. Ich bin ehrlich überrascht, wie gut sich die Jungs bisher präsentieren. Es war eine bewusste Entscheidung, nicht mit einem riesigen Kader in die Saison 2023/24 zu gehen. Damit fördern wir auch den Sprung der Talente in den Spieltags-Kader. Wir wollen ihnen Chancen und echte Entwicklungsmöglichkeiten geben.

Das Gegenstück dazu ist Routinier Fabian Klos, der sich bei den vorherigen Aufstiegen auch die Torjäger-Kanone (2012/13, 2014/15) gesichert hat. Was trauen Sie ihm mit 35 Jahren zu?

Fabian wird auf mehreren Ebenen für uns wichtig sein. Zum einen wird er sportlich auch mit seinen 35 Jahren noch einen entscheidenden Beitrag leisten können und zum anderen hat er in unserer jungen Mannschaft auch eine wichtige Funktion als Vorbild und Führungsspieler, der auf dem Platz, aber auch außerhalb des Platzes Verantwortung übernimmt. Beide Rollen füllt er aktuell sehr gut aus.

   

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