Nach Spielabsagen: Termin-Chaos in der Regionalliga
Der Winter hat Deutschland seit Wochen fest im Griff. Während in der 3. Liga bisher "nur" neun Spiele abgesagt werden mussten, fielen in den fünf Regionalliga-Staffeln gleich dutzende Partien den Witterungsbedingungen zum Opfer. Die zahlreichen Absagen in den vergangenen Wochen sorgen nun vielerorts für ein echtes Termin-Chaos – mit Folgen.
17 Spiele in 59 Tagen
Selten hatte eine Tabelle weniger Aussagekraft, als die der Regionalliga Nord derzeit. So konnte der VfB Lübeck in diesem Jahr erst eine (!) von elf Partien austragen. Schuld daran sind der andauernde Winter und die schlechten Platzverhältnisse. Um das noch bis zum Saisonende Mitte Mai aufzuholen, muss der VfB in den nächsten Wochen im Schnitt alle drei bis vier Tage spielen. Die Rechnung ist einfach, dient in Lübeck aber nicht gerade als Mutmacher: 17 Spiele muss der VfB bis zum Ende der Spielzeit am 13. Mai absolvieren, dafür bleiben allerdings nur 59 Tagen – Englische Wochen sind da garantiert. Und Probleme auch. Fast alle Lübecker Akteure studieren oder üben einen Job aus. Wie es die Spieler unter diesen Bedingungen schaffen sollen, regelmäßig unter der Woche abends Reisen von bis zu drei Stunden auf sich zu nehmen, kann so recht niemand beantworten.
"Ich bin mal sehr gespannt, wie der Verband das Problem lösen möchte", sagte Lübecks Trainer Rolf Landerl den "Lübecker Nachrichten", nachdem am Wochenende wieder einmal ein Spiel seines Teams abgesagt worden war. Auch beim Verband scheint man dem Bericht zufolge ratlos zu sein. "Ich habe das in 40 Jahren noch nicht erlebt. Fußball alle drei Tage? Trainingsdosierung kann man da an die Wand nageln", sagte Jürgen Stebani, der zuständige Staffelleiter des Norddeutschen Fußballverbandes (NFV). "Wenn bis Ostern noch reichlich Spiele ausfallen, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen." Schon bei zwei weiteren Absagen wird es eng.
Verlängerung ausgeschlossen
Nur sind der Kreativität in diesem Fall ganz besonders enge Grenzen gesetzt. Denn durch den vom DFB vorgegeben Terminkalender, der in diesem Jahr durch den Start der WM in Russland Mitte Juni und die Aufstiegsspiele in die 3. Liga, die vorher beendet sein müssen, auch noch besonders eng getaktet ist, bleibt dem NFV nicht einmal die Möglichkeit, die Saison eigenständig zu verlängern. "Ich sehe da keine Möglichkeit", sagte DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch der Zeitung.
Und dann macht auch noch der Vorwurf der Wettbewerbungsverzerrung die Runde. "Die Zweitvertretungen der Bundesligisten – und davon haben wir sechs in der Liga – trainieren unter Profibedingungen, die Jungs machen nichts anderes als Fußball", sagte Lübecks Trainer Landerl, der mit dem VfB zwar derzeit nur Siebter ist, aber aufgrund der vielen Nachholspiele noch ein wenig von Platz eins und der damit verbundenen Teilnahme an den Aufstiegsspielen träumen darf. Solange man nach dem regulären Plan spiele, ließe sich das noch ausgleichen. Doch je mehr Spiele nachgeholt werden müssen, desto größer der Nachteil aller Vereine, die nicht nur Profis beschäftigen. Eigentlich ganz logisch, nur derzeit eben einfach nicht zu ändern.
"Ausfälle mit aller Gewalt vermeiden"
Doch nicht nur der Norden ist von den vielen Spielabsagen gebeutelt, auch in einigen anderen Staffeln sorgt das Wetter für Probleme. Im Westen steht am kommenden Wochenende Spieltag 27 an, die Hälfte der 18 Teams hat aber erst 21 oder sogar noch weniger Spiele absolviert. Auch hier gerät die Tabelle zur Farce. "Diese Saison ist es wirklich der Wahnsinn, was die Spielabsagen betrifft. Unsere Begegnung in Verl wurde schon fünfmal abgesagt", sagte Dortmund Trainer Jan Siewert dem "RevierSport". Besonders hart hat es bisher Schlusslicht Westfalia Rhynern getroffen, das in diesem Jahr erst zweimal auf dem Platz stand. Alle anderen sechs Spiele wurden abgesagt.
In der Südwest-Staffel sieht das Tabellenbild weit weniger verzerrt aus, auch wenn auch dort Spiele ausgefallen sind. Am Freitag wird der 30. Spieltag eröffnet, die meisten Teams haben aber zumindest 26 oder 27 Spiele bestritten, zumal jede Mannschaft aufgrund der ungeraden Anzahl an Mannschaften zwei Mal im Laufe der Saison spielfrei hat. In der Regionalliga Nordost fallen dagegen munter Partien aus, alleine am vergangenen Wochenende waren es derer sechs. So ist die Tabelle gerade im Keller wenig aussagekräftig: Chemie Leipzig steht auf Rang 15 mit 23 Punkten, errungen in 24 Spielen. Zwei Plätze dahinter scheint die TSG Neustrelitz mit 17 Punkten fast schon abgeschlagen, hat aber auch erst 20 Spiele absolviert. Unmöglich, eine Tendenz zu erkennen. Gleich fünf Teams fehlen bereits sechs Spiele.
Auch Bayern trifft es hart
Besonders hart trifft es derzeit die Regionalliga Bayern. Zwei Beispiele: Der TSV 1860 München muss in den nächsten 47 Tagen zehn Spiele austragen, der FC Ingolstadt II sogar derer 13. Es habe schon immer Probleme mit Spielausfällen gegeben, sagte Josef Janker, der Staffelleiter der Regionalliga Bayern, der "TZ". Aber noch nie seien die so gravierend gewesen wie heute. "Viel darf jetzt nicht mehr passieren, sonst müssen die Mannschaften irgendwann im Zweitage-Rhythmus ran." Um das zu vermeiden, hat er die Vereine und ihre Verantwortlichen angewiesen, Ausfälle "mit aller Gewalt" zu vermeiden. Ob es hilft? Bis Ende März sind in vielen Teilen Deutschlands weitere Schneefälle angekündigt – keine guten Aussichten für die Terminpläne vieler Viertligisten.