Offiziell: Türkgücü meldet Insolvenz an – Neun-Punkte-Abzug droht

Jetzt ist es offiziell: Türkgücü München hat am Montag einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Wie es beim ambitionierten Klub nun weitergeht, ist offen. Der Spielbetrieb soll zwar fortgeführt werden, allerdings wird der Insolvenzantrag wohl mit einem Abzug von neun Punkten einhergehen, sodass Türkgücü kaum noch realistische Chancen auf den Klassenerhalt hat.

"Schritt war unumgänglich"

Schon in der vergangenen Woche hatte es Gerüchte um eine Zahlungsunfähigkeit bei den Münchnern gegeben, nun hat Türkgücü endgültig die Reißleine gezogen. Wie der Klub mitteilte, sei im Zuge der Nachlizenzierung "ein für die weitere Planung der Spielzeit 2021/22 erforderlicher Finanzbedarf festgestellt" worden, der durch "Gesellschaftermittel hätte ausgeglichen werden sollen". Eine konkrete Summe nennt der Klub nicht, dem Vernehmen nach geht es aber um zwei Millionen Euro, die in der Kasse fehlten. Nachdem "zunächst zugesagte Gesellschaftermittel nicht flossen", sei der Schritt des Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens "unumgänglich" gewesen, heißt es. Im Klartext: Investor Hasan Kivran, der 2015 eingestiegen war und den Klub auf direktem Wege von der Landesliga in die 3. Liga geführt hatte, war nicht bereit, die notwendigen Zahlungen zu tätigen.

"Bis zum Tag der Antragsstellung haben wir alles in unserer Macht Stehende versucht, um diesen Schritt noch abzuwenden", erklärt Geschäftsführer Max Kothny. "Auch wenn das leider nicht gelungen ist, so gilt es jetzt, die Situation nicht als Ende, sondern als Chance zu sehen." Türkgücü habe nun die Möglichkeit, sich "ohne Belastungen aus der Vergangenheit und mithilfe von möglichen neuen, starken Förderern neu auszurichten", so Kothny. In welcher Spielklasse ein Neuaufbau erfolgen kann, sei von "sportlichen sowie finanziellen Faktoren abhängig", äußert sich Türkgücü diesbezüglich nur vage. Mit einem "langfristigen, stabilen und wirtschaftlich-nachhaltigen Plan" sei ein Verbleib oder im Falle eines Abstiegs eine Rückkehr in den Profi-Fußball "nicht ausgeschlossen", heißt es. Hierfür befinde man sich "auf der Suche nach passenden Partnern und Investoren".

Wohl neun Punkte Abzug

Im ersten Schritt hat der Antrag auf Insolvenz gemäß Paragraf 6 der DFB-Spielordnung nun sehr wahrscheinlich einen Abzug von neun Punkten in der laufenden Saison zur Folge, wobei dieser zunächst noch vom DFB-Spielausschuss bestätigt werden muss. Nach aktuellem Stand fallen die Münchner auf den letzten Tabellenplatz zurück, haben zehn Punkte Rückstand auf das rettende Ufer und somit kaum noch realistische Chancen auf den Klassenerhalt.

Die Saison soll aber dennoch regulär zu Ende gespielt werden. "Der Klub steht hierzu mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem DFB in Verbindung", teilte der DFB mit. Ziel sei es, "den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten". Falls das nicht gelingen sollte, würden alle Spiele der Münchner annulliert und aus der Wertung genommen, was große Auswirkungen auf die Tabelle hätte. Türkgücü stünde dann zudem als erster Absteiger fest und würde zu den restlichen Partien in dieser Spielzeit nicht mehr antreten. Es wäre das Aus für den ehrgeizigen Klub, der bis 2023 in die 2. Bundesliga aufsteigen wollte, den Ambitionen aber schon seit längerer Zeit nicht mehr gerecht wurde. Zehn sieglose Spiele in Folge und der drittletzte Tabellenplatz sprechen eine eindeutige Sprache.

Bereits vor etwas mehr als einem Jahr stand Türkgücü vor dem Aus, nachdem Investor Hasan Kivran seinen Rückzug angekündigt hatte, es sich nach vier Wochen aber doch nochmal anders überlegte. Nun scheint der 55-Jährige endgültig die Lust verloren zu haben. Das würde auch erklären, warum er die Finanzlücke nicht gestopft hat und der Klub dadurch den vom DFB geforderten Nachweis über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht vollständig erbringen konnte.

Börsengang vertagt

Um neues Kapital zu generieren, hatte Türkgücü im vergangenen August angekündigt, an die Börse gehen zu wollen. Sieben Wochen lang konnten 666.666 Aktien zum Preis von je zwölf Euro gekauft werden, was dem Klub rund acht Millionen Euro eingebracht hätte. Doch offenbar wurde das Ziel deutlich verfehlt, sodass Türkgücü den Börsengang ohne weitere Stellungnahme vertagt hat.

Weitere Gründe für die finanzielle Schieflage sind das Fehlen eines Haupt- und Trikotsponsors sowie die Geisterspiele der letzten Wochen und in der vergangenen Saison. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich auch beim Spiel gegen Freiburg II am vergangenen Dienstag. Um Kosten zu sparen, wollte Türkgücü laut der "Süddeutschen Zeitung" mit einem kleineren Kader anreisen. Damit aber niemand zu Hause bleiben musste, sollen die Spieler aus der Mannschaftskasse ein zusätzliches Hotelzimmer bezahlt haben. Zudem will die "Bild" erfahren haben, dass die Januar-Gehälter noch nicht überwiesen worden sind. In den nächsten drei Monaten werden die Spieler ihre Gehälter nun von der Agentur für Arbeit erhalten.

Kothny richtet die Blicke derweil bereits in die Zukunft: "Wir sind jedem Fan, jedem Mitglied, jeder Sponsorin/jedem Sponsor und jeder sonstigen Sympathisantin/jedem sonstigen Sympathisanten dankbar, der dem Klub in dieser Zeit weiterhin die Treue hält. Gemeinsam kann der steinige, aber aussichtsreiche Weg des Neuanfangs gegangen werden. Das Motto 'Überall Familie' gilt nun mehr denn je und auch weiterhin für jeden, der Teil dieses Vereins sein möchte." Vorerst ist das ehrgeizige Projekt allerdings gescheitert.

Weiterlesen: Wie geht es weiter? Fragen und Antworten zur Türkgücü-Insolvenz

 

   

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