Preußen zwischen Sparzwang und sportlichem Niedergang

So schlimm wie in dieser Hinrunde hat es Preußen Münster in der 3. Liga noch nicht erwischt. Trainer Sven Hübscher steht massiv unter Beschuss, die Fans fordern seinen Rauswurf. Warum der Verein nach 13 Sieglos-Spielen noch nicht reagiert. Eine Analyse.

Fast alles zu hinterfragen

Preußen Münster ist wieder einmal in Schwierigkeiten. Im fast jährlichen Rhythmus erwischt der SCP wahlweise eine richtig gute oder eine erschreckend schwache Hinserie – 2019/20 ist eines dieser schwächeren Jahre. Weil selbst die Partien, in denen der SCP gleichauf mit dem Gegner ist, seit Anfang August nicht mehr gewonnen werden, nimmt die Krise Dimensionen an, in denen sie kaum mehr steuerbar scheint. Klar ist: Die Situation ist so ernst wie nie. Sechs Punkte Rückstand auf das rettende Ufer, so schlimm hat es die Westfalen noch nie erwischt. Maßgeblich daran beteiligt ist Trainer Sven Hübscher, dessen Rauswurf von der Mehrheit der Fans mittlerweile gefordert wird. Ist das berechtigt? Ja – 13 sieglose Pflichtspiele in Serie lassen keinen anderen Schluss mehr zu. Reagiert der Verein? Nein, noch nicht. Und das wird auch finanzielle Gründe haben.

Marco Antwerpen, der kürzlich bei Eintracht Braunschweig angeheuert hat, steht für die besseren Zeiten in der jüngeren Preußen-Historie. Er verließ die Münsteraner, weil ihm zu geringe Perspektiven aufgezeigt worden waren. Das Budget ist an der Hammer Straße knapp und wird im regelmäßigen, fast jährlichen Rhythmus noch etwas geringer. Große Sponsoren sind rar, die Zuschauerzahlen sinken – jeder Taler wird zweimal umgedreht, auch bei der Personalwahl. Sven Hübscher stellte sich der Herausforderung, er dürfte keine großen Summen für sich gefordert, sondern vielmehr Münster als Sprungbrett betrachtet haben. Sport-Geschäftsführer Malte Metzelder stellte ihm im Sommer einen jungen, talentierten Kader zusammen. In der Theorie war das stimmig, aber nach 16 meist ernüchternden Spieltagen ist fast alles zu hinterfragen. Natürlich auch der Trainer.

Doppeltes Dilemma für die Preußen

Der Fairness halber: Eine möglicherweise schwierige Saison war im Umfeld einkalkuliert worden, nicht aber ein Desaster des aktuellen Ausmaßes. Die Neuzugänge, die Münster präsentierte, waren mit Bedacht ausgesucht, hatten sich zumeist in den Regionalligen ordentlich bewiesen. Es waren Leute aus jenem Teich, in dem ein klammer Drittligist wie der Sportclub angeln muss, und die individuelle Qualität ist unbestritten. Seref Özcan, Fridolin Wagner, Okan Erdogan, Maurice Litka – sie sind nicht die Ursache der Krise. Schon eher ist es der unerklärliche Leistungsabfall in der Defensivreihe. Innenverteidiger Simon Scherder ist ein Schatten seiner selbst. Nebenmann Ole Kittner ist weniger fehleranfällig, aber zuletzt in Zwickau ebenso überfordert. Auch Niklas Heidemann hat auf der linken Seite in der Rückwärtsbewegung Schwierigkeiten.

Es ist ein doppeltes Dilemma für die Preußen, weil eben jene Akteure der im Vorjahr noch gepriesenen "westfälischen Mauer" urplötzlich straucheln, die für die höchste Identifikation mit dem Klub stehen. Scherder und Kittner, zwei bodenständige und sympathische Menschen, zwei Lieblinge der Fans, stehen sinnbildlich für die Preußen-Krise. Kapitän Julian Schauerte kommt zwar auf sehenswerte sechs Scorerpunkte, ist aber auch nicht jener Typ, der dazwischenhaut, wenn es darauf ankommt. Vielleicht, nein wahrscheinlich ist dies das Problem des SC Preußen: Er ist zu lieb geworden. René Klingenburg fehlt im Mittelfeld mehr denn je, auch den unverwüstlichen Abwehrmann Fabian Menig, denn sie alle nur "Eisen" nannten, wird bitter vermisst. Vor allem in der Defensive fehlt Münster unglaublich viel Qualität. Spieler wie Jannik Borgmann, Ugur Tezel, Alexander Rossipal – sie sind entweder verletzungsanfällig oder schlicht, keinen anderen Schluss lassen die Auftritte zu, nicht drittligatauglich.

Trainerwechsel: Geld, das der Verein nicht hat

Es gibt einige andere Klubs, die mit ähnlich geringen Mitteln haushalten wie Preußen Münster und es besser machen. Der FSV Zwickau etwa setzt auf körperliche Stärke und fährt damit seit Jahren erfolgreich. Auch bei 1860 München und dem SV Meppen fließt das Geld nicht bedingungslos. Münsters attraktiver, spielerischer Ansatz funktioniert bislang nicht ausgewogen, sondern geht zulasten der Abwehr – eine robustere Spielweise ist umgekehrt mit flinken und wendigen Spielern wie Luca Schnellbacher, Kevin Rodrigues Pires, Litka und Özcan vor allem im Mittelfeld nicht möglich. Ohne defensive Stabilität aber, die Erkenntnis ist gereift, wird Münster absteigen, selbst wenn der Klub hochgerechnet 55 eigene Tore schießt.

Jetzt steht der SCP vor dem Dilemma, denn ein Trainerwechsel geht ins Geld, das der Verein nicht hat – und wenn er es doch auftreiben könnte, wäre das Sparen für Wintertransfers nicht die sinnvollere Lösung? Dass Malte Metzelder Sven Hübscher nun aus der Schusslinie nimmt und ihm mindestens ein weiteres Spiel Zeit gibt, wäre so zu erklären. Auch er, der Hübscher selbst im Sommer aufspürte, müsste die Entlassung des dann erfolglosesten Münsteraner Trainers seit rund 50 Jahren zudem auf seine Kappe nehmen. Bleibt aus Sicht des Vereins zu hoffen, dass Hübscher diese unverhoffte Chance gegen Mannheim nutzen kann – geht auch das nächste Heimspiel schief, sind heftige Reaktionen von den Tribünen kaum mehr zu vermeiden.

   

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