Reportage: Die Gründe für den Absturz des 1. FC Saarbrücken

Als Geheimfavorit auf den Aufstieg gestartet, findet sich der 1. FC Saarbrücken zwei Spieltage vor Schluss auf dem vorletzten Tabellenplatz wieder – der Abstieg in die Regionalliga steht bereits fest. Damit wird sich das Bundesliga-Gründungsmitglied mindestens für ein Jahr wieder aus dem Profifußball verabschieden. Zurück bleibt eine Drittliga-Saison, in der fast alles schief lief. liga3-online.de geht noch ein Stück weiter zurück und erklärt die Gründe für den Absturz des 1. FC Saarbrücken.

Die Zusammenfassung der Fußball-Bundesliga wirkt wie der Gruß aus einer anderen Welt. Obwohl nicht weit vom Fernseher weg einige FCS-Utensilien an der Kneipenwand hängen, könnte die Entfernung gerade nicht größer sein. Dabei wollte der 1. FC Saarbrücken nicht einmal in die Bundesliga – vorerst zumindest nicht. Der blau-schwarze Wimpel in der Ecke führt das letzte Gastspiel seines Farbengebers im Oberhaus unter den Erfolgen auf und ruft den Stolz in Erinnerung, der die Geschichte dieses Vereins ausmacht. Unter dem Wimpel liegen Autogrammkarten längst vergessener Spieler. Überhaupt erinnert dieser FCS-Winkel an eine Frömmigkeit, zu welcher der Club nur noch selten Anlass gibt – zu wechselhaft ist seine Entwicklung. So verblichen wie Anthony Yeboah’s Autogrammkarte sind die Erfolge des Vereins. Auch wenn sich heute kaum jemand an die einstigen Siege gegen Real Madrid und den AC Mailand erinnert, hatte die Vereinsführung vor, wenigstens im Kleinen daran anzuknüpfen. So war an Stelle der Bundesliga das Unterhaus als mittelfristiges Ziel ausgegeben worden. Inzwischen nicht mehr im Amt, äusserte sich zu Saisonbeginn Präsident Paul Borgard gegenüber der „Bild“ bereits für die anstehende Spielzeit „vorsichtig optimistisch“ zum Thema Aufstieg. Der Abstieg in die Regionalliga hat die Pläne nun nicht nur wie ein Paukenschlag überholt. Das Fußballgeschäft hat den Verantwortlichen auch erneut eine Lehrstunde erteilt.

Fehlende sportliche Kompetenz

Bereits 2008 verschlug es den FCS sogar in die Oberliga und weil das Zustandekommen des jüngsten Abstiegs an jene Phase erinnert, bereitet er den Anhängern besonders große Sorgen. Die einst so große Aufbruchstimmung, für die Ex-Trainer Dieter Ferner mit der Rückkehr von der fünften in die dritte Liga gesorgt hatte, scheint längst dahin. Während mit dem erneuten Abstieg das sportliche Vermächtnis Ferners nahezu verschwunden ist, sind die Weichen für erfolgreiche sportliche Arbeit schon zuvor falsch gestellt worden. Die offensichtlichen Fehlentwicklungen brachte Torhüter Timo Ochs im „Saarländischen Rundfunk“ auf den Punkt. Die erste Halbzeit im Heimspiel gegen Burghausen sei „der Gipfel dessen, was in den letzten Monaten hier passiert ist.“ Zu den von Ochs angesprochenen Themen gehört auch die sportliche Kompetenz. Dazu lohnt es sich, weiter auf das Beispiel Ferners einzugehen. In der ersten Drittligasaison noch als sportlicher Leiter beschäftigt, wurde er nach seinem Rücktritt nicht ausreichend ersetzt. Zwar wurde Trainer Jürgen Luginger zunächst vom ehrenamtlichen Vizepräsidenten Harald Ebertz nach Kräften in der Planung unterstützt. Die zusätzliche Aufsicht eines Sportdirektors wäre allerdings insbesondere in der abgelaufenen Saison hilfreich gewesen. Verbunden mit der grundsätzlichen sportlichen Kompetenz ging dem FCS mit dem Menschen Ferner ein Faktor verloren, der im Fußballgeschäft mehr ausmacht, als mit neuem Personal aufzuwiegen ist.

Ochs schlägt Alarm

Die Sorge um den 1. FC Saarbrücken ist aber auch der aktuellen Vereinsführung nicht abzusprechen. So stellte Präsident und Hauptsponsor Hartmut Ostermann, der den FCS ohnehin beständig mit hohen Beträgen unterstützt, in der Winterpause weitere Mittel zur Verfügung. Doch den Personen, denen das Präsidium die sportliche Verantwortung übertragen hatte, gelang trotz größter Handlungsfreiheit nicht die Wende. Auf Trainer Jürgen Luginger, dem vergleichbare Gelder verwehrt worden waren, folgte Milan Šašić. Da sich der Erfolg auch unter ihm nicht einstellte, kam die Kritik, die bereits bei seinen vorherigen Stationen angeklungen war, auch beim FCS auf. Während Šašić’s bislang erfolgreiche Arbeitsweise bei seiner Verpflichtung noch ein ausschlaggebendes Argument gewesen war, funktionierte sie nach fünf Monaten nicht mehr. Mit Jürgen Luginger noch weitgehend solide unterwegs, kam mit dem akribischen und engagierten Kroaten zwar viel Bewegung in den Verein. Doch angesichts der Vielzahl an Neuzugängen auf allen Ebenen im Winter erwies sich nicht nur die Mannschaftsbildung als schwierig. Innerhalb kurzer Zeit versuchte Šašić die professionellen Strukturen nachzuholen, die er für notwendig hielt, verzichtete jedoch ebenfalls auf einen sportlichen Leiter. Sein Nachfolger und bis dahin Co-Trainer Fuat Kilic konnte nicht mehr reparieren, was im Laufe der Saison in die Brüche gegangen war. Timo Ochs' Rückblick auf die Saison im „Saarländischen Rundfunk“ klingt alarmierend: „Es geht um den Anspruch, den der Verein gehabt hat. Es muss sich jeder hinterfragen, die Leute, die auf dem Platz standen und die Leute, die neben dem Platz agiert haben. Nur dann kann es mit dem 1. FC Saarbrücken wieder in die richtige Richtung gehen. Es gibt viele Gründe, die zu dieser Saison geführt haben. Man muss die Lehren daraus ziehen und darf jetzt nicht einfach so weiter machen. Im Moment habe ich das Gefühl, dass man nicht die richtigen Erkenntnisse aus dieser Phase gezogen hat.“

„Bruch zwischen Verantwortlichen und Fans“

Eine der richtigen Erkenntnisse mag in der bereits angesprochenen zu schwachen sportlichen Kompetenz im Verein liegen. Obwohl für einen Drittligisten alleine in dieser Saison hohe Summen aufgewendet wurden, konnte der Abstieg nicht verhindert werden. Da die falschen Entscheidungen getroffen wurden, liegt es nahe, für die Zukunft entsprechend vorzusorgen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Formulierung der sportlichen Ziele. Im Allgemeinen ist die öffentliche Artikulation der Saisonziele ein Faktor, der die Arbeitsatmosphäre des Trainers beeinflussen kann, sobald er hinter diesen zurückbleibt. Nun hat der Verein diese sogar gänzlich verpasst. Nach dem Abstieg in die Oberliga tat es dem FCS gut, das sportliche Tiefstapeln geradezu zu kultivieren und die sportlichen Ziele lediglich intern zu formulieren. Im Interview mit liga3-online.de erklärte Dieter Ferner einmal: „Ich glaube, vor allen Dingen sind in der Vergangenheit Ziele postuliert worden, die im Endeffekt nicht erreicht wurden. Dadurch entstand ein großer Bruch zwischen Verantwortlichen und Fans. Als wir dann in der Oberliga angetreten sind, habe ich als Saisonziel nicht vom sicheren Aufstieg gesprochen. Zwar waren wir einer der Favoriten, ich bin aber zu lange im Fußball. Fußball ist ein Tagesgeschäft. Einen Plan über drei Wochen zu machen, ist schon ein Abenteuer.“ Der Bruch zwischen Verantwortlichen und Fans, an dessen Überwindung Ferner 2008 großen Anteil hatte, droht nun erneut. Bei den für die Vereinsführung anstehenden Aufgaben darf auch dieser Umstand nicht unterschätzt werden. Vielmehr ist nach dem erneuten Abstieg der Schulterschluss mit den treuen Anhängern wichtig. Ohnehin scheinen sich Anhänger und Vereinsführung sehr ähnlich zu sein, haben doch beide, Präsident Ostermann als Sponsor und die Fans, den FCS schon bis in die Oberliga begleitet. Wie sagte Dieter Ferner einst im Interview: „Selbst Leute, die den Verein geliebt haben, haben ihn schon mal gehasst.“

FOTOS: Dieter Schmoll // Sven Rech

   

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