Rostock verschenkt zwei Punkte – Leemans fällt monatelang aus
Führung verschenkt, Klassenerhalt vertagt, Ken Leemans schwer verletzt. Das Spiel gegen die Offenbacher Kickers war für den F.C. Hansa Rostock ein Spiegelbild der Saison, von der sich spätestens jetzt jeder Fan wünschen dürfte, dass sie doch bald und glimpflich zu Ende gehen möge. Es war für 70 Minuten ein perfekter Fußballsamstag in Rostock, strahlender Sonnenschein, frühsommerliche Temperaturen, gute Laune im und um den Verein, ein Gegner, der weitaus gefährlicher strauchelt als die Kogge und eine prall gefüllte Südtribüne mit sangesfreudigen Hanseaten. Dazu eine 2:0-Führung, die weder schmeichelhaft noch unverdient war, denn Hansa passte sich zwar ästhetisch dem destruktiven Spiel des OFC an, spielte aber cleverer und kaltschnäuziger. Symptomatisch: Aus vier deutlichen Chancen, netzte der F.C.H. zwei ein, hielt den OFC über weite Strecken an der langen Leine vom eigenen Strafraum entfernt und im Falle des mehr oder weniger zufälligen Durchbruchs der Offenbacher stand Kevin Müller wie zuletzt wie eine Bank zwischen den Pfosten. 70 Minuten lang gab es keine einzige Situation, die den Blutdruck des Rostocker Publikums in irgendeiner negativen Form hätte hochtreiben können.
Vorsichtiger, disziplinierter Beginn
Wie erwartet bot das Spiel fußballerische Schonkost. Die anfangs bemitleidenswerten Offenbacher stemmten sich mit allem was sie hatten gegen die souveränen Hanseaten. Leider war das nicht viel mehr, als die Angriffe des F.C. Hansa im Keim zu ersticken und auf Fehler der Rostocker Hintermannschaft zu warten, die sich aber diszipliniert zeigte. Ben Zolinski tat, was man von einem defensiven Außenverteidiger erwartet, er spielte absolut unauffällig und ließ somit keinen gefährlichen Angriff über seine Seite zu, Holst und Trapp in der Innenverteidigung kann man mittlerweile als „eingespielt“ bezeichnen, Mendy war einmal mehr einer der besten Spieler auf dem Platz, wohlgemerkt über das gesamte Spiel. Im zentralen Mittelfeld walteten Humbert und Leemans entsprechend ihrer gewohnten Stärken. Humbert mimte solide die Schnittstelle zwischen Abwehr und Angriff, Leemans gab dem Spiel allein durch sein Engagement und seine Ausstrahlung Charakter, auch wenn ihm ersteres auf schockierende Art und Weise kurz vor dem Schlusspfiff zum Verhängnis werden sollte. Die Angriffsreihe um Blum, Weilandt, Starke und Smetana agierte unglaublich fleißig, Michael Blum wurde anders als in den Spielen davor nun auch in die Offensivrochaden eingebunden und kam tatsächlich vereinzelt über die rechte Seite, während Manfred „Manni“ Starke mehr und mehr zum Schlüsselspieler im System von Marc Fascher wird. Ondrej Smetana ließ sich wie gewohnt oft in die Tiefe fallen und harmonierte bestens mit seinem namibischen Teamkollegen.
Starke schauspielert und trifft erneut
Die Führung der Hanseaten resultierte in der 27. Minute aus einem katastrophalen Abwehrverhalten des Offenbachers Maximilian Ahlschwede, der Tom Weilandt nahezu in den Strafraum begleitete und ihn dann mit einem Schüsschen an Torwart Robert Wulnikowski vorbei das 1:0 erzielen ließ. Hansa ließ sich nicht gehen und zehn Minuten später hatte Kapitän Matthias Holst mit einem satten Kopfball die Chance auf 2:0 zu erhöhen, scheiterte aber an Wulnikowski und der Abseitsfahne. Unmittelbar danach gab es einen Aufreger im Offenbacher Strafraum, als Starke zu Boden ging. Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus entschied zu Recht auf Schwalbe und zeigte Gelb, eine Entscheidung Starkes, die ihm später noch auf den Fuß fallen sollte, denn kurz nach Anpfiff der 2. Halbzeit wurde Starke nun tatsächlich von Dzwiniel im Strafraum gefoult, Steinhaus gab den Elfmeter aber nicht. Der Namibier, seit Wochen in Bestform, ließ sich aber nicht hängen und schloss in der 61. Minute einen Zuckerpass von Ondrej Smetana mustergültig zum dritten Tor im dritten Ligaspiel in Folge ab. Die Rostocker Fans sangen und tanzten, das Spiel, die Saison, alles war in Sack und Tüten und der Sommer konnte genüsslich begrüßt werden. Zumindest normalerweise…
Das Pech kehrt zurück
Denn ab der 70. Spielminute konnte man getrost alles oben genannte vergessen, die hässliche Fratze des Pechs, mit dem aufkommenden Frühling in Rostock nicht mehr gesichtet, fand ihren Weg zurück an die Ostsee und schlug in den Gestalten von Matthias Fetsch auf Seiten der Offenbacher, sowie Ken Leemans, Ben Zolinski und Ronny Marcos auf Seiten des F.C. Hansa eiskalt zu. Mit dem Tor Starkes musste Verteidiger Zolinski verletzt vom Platz, eine Diagnose war nach dem Spiel noch nicht bekannt. Ronny Marcos ersetzte ihn und knüpfte leistungstechnisch an das Spiel gegen Babelsberg an, was ich zuletzt den Stammplatz auf der linken Abwehrseite gekostet hatte. Man kann dem 19-jährigen Publikumsliebling mit den Dreadlocks eigentlich keinen Vorwurf machen, er kämpft regelmäßig bis zum Umfallen für die Kogge, reibt sich auf, bleibt aber dabei zu oft mit seiner fehlenden Erfahrung auf der Strecke. Er ist in Kopfballduellen oft etwas zu klein, flink, aber kein Sprinter und ihm fehlt defensiv wie offensiv noch die Technik für getimte Tacklings oder zielgenaue Flanken. Im Spiel gegen Offenbach war ein mächtiger Stellungsfehler von Marcos dann der Beginn der Aufholjagd der Kickers. Marcos verlor in der 73. Minute Gegenspieler Bender völlig aus den Augen, welcher unbedrängt in dessen Rücken auf Mitspieler Fetsch passen konnte, der, von der Rostocker Innenverteidigung völlig allein gelassen, zum 2:1-Anschlusstreffer einnetzte.
Plat scheitert an Wulnikowski
Nun hatte Offenbach das Momentum auf seiner Seite und drückte auf den Ausgleich, welcher in der 82. Minute unmittelbar bevor stand. Marcos verliert das Laufduell gegen Ahlschwede, der den Ball in den Strafraum an Mosch weitergibt, welcher einen Augenblick später von Ken Leemans sprichwörtlich „umgemäht“ wird. Schiedsrichterin Steinhaus pfiff sofort Elfmeter, aber dieser allein wäre das geringere Übel im Vergleich zur Realität gewesen, denn beim Tackling verletzte sich Ken Leemans so schwer, dass er vom Platz getragen werden musste. Die Diagnose lautete bereits nach dem Spiel Schien- und Wadenbeinbruch, das Bein war nach Angaben von Kapitän Matthias Holst „völlig verdreht“, was nach dem Spiel ergebnisunabhängig für Fassungslosigkeit beim F.C.H. sorgte. Doppelt bitter: Sowohl der Elfmeter als auch die Verletzung waren vermeidbar, denn Mosch hatte den Ball im Kontaktmoment bereits weggespielt und Humbert hatte geklärt. So verlor Hansa Leemans UND zwei hochverdiente Punkte, auch, weil der eingewechselte Johan Plat in der 87. Minute den Ball allein vor Wulnikowski per Kopf ins kurze Eck legen will, statt ihn ins lange Eck zu schädeln, sodass der Offenbacher Keeper mit den Fingerspitzen den Rostocker Sieg verhindert.
Schlussendlich könnte der Rostocker Klassenerhalt unabhängig vom Ergebnis gegen Offenbach unter der Woche beschlossen werden, wenn nämlich Darmstadt und Dortmund II ihre Spiele verlieren, die Enttäuschung war aber jedem im Stadion anzumerken, auch wenn die Sorge um Ken Leemans alles überwog. Die liga3-online.de-Redaktion wünscht an dieser Stelle gute Besserung.
FOTO: Sebastian Ahrens / rostock-fotos.de