Wollitz hat "keine Gefühle mehr" für den VfL Osnabrück

Impulsiv war er schon immer, über die Stränge schlug er gerne. Das war bei Claus-Dieter, kurz Pele Wollitz, schon immer so gewesen, gerade in seinen mehreren Amtszeiten beim VfL Osnabrück. Nun reist er am Wochenende mit Energie Cottbus erstmals nach Rauswurf vor fünfeinhalb Jahren zurück zu seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem es prächtig geht. Und doch ist es nun sein Job, die Lila-Weißen zu ärgern. Probleme damit dürfte er auf emotionaler Ebene nicht haben.

Wutrede kostete Wollitz den Job

Für Emotionalität braucht es bei Wollitz keine Spiele mit besonderen persönlichen Beziehungen – er hat vor, während und nach jedem Pflichtspiel, das er als Trainer begleitet, ohnehin einen ordentlichen Adrenalin-Überschuss im Blut. Das eint seine zwei Amtszeiten, die er jeweils beim VfL Osnabrück als auch bei Energie Cottbus verbracht hat bzw. jetzt noch verbringt. Über seine zahlreichen Ausraster wird oft gesprochen, nicht jeder kann darüber lachen, wohl jeder aber bildet sich sein ganz eigenes Urteil über diesen impulsiven, lauten, kaum in eine Form zu pressenden Übungsleiter.

In Osnabrück blieb vor allem jene Wollitz-Wutrede in Erinnerung, die ihn 2013 mitten im Aufstiegskampf und vor dem letzten Spieltag den Job kostete: Fans filmten, wie Wollitz nach einer 0:1-Niederlage in Bielefeld lauthals über den Vorstand des VfL herzog und Mitglieder des führenden Vereinsgremiums jegliche Kompetenz absprach – kurz darauf wurde er von seinen Aufgaben entbunden. Bereits auf der Pressekonferenz nach dem Spiel in Bielefeld hatte Wollitz überraschend seinen Rücktritt zum Saisonende angekündigt, nachdem ihm nicht der Respekt gezollt worden sei, "den ich als Trainer, als Sportdirektor und als Mensch verdient habe", so der 53-Jährige damals. Heute sagt er im Interview mit der "Lausitzer Rundschau" rückblickend: "Das, was ich dort gesagt habe, war die reine Wahrheit. Ich bin damals vom Vorstand permanent provoziert worden." Diejenigen, die damals wussten, dass Wollitz die Wahrheit gesagt habe, "haben mir zu wenig Unterstützung gegeben", moniert der Energie-Coach, schließt mit dem Thema damit aber ab.

Thioune bringt neue Qualitäten

Wahrscheinlich sind in Osnabrück, wo viele der berühmten "Brücken-Momente" auch unter Wollitz entstanden sind, die meisten froh, mit Daniel Thioune aktuell einen deutlich ruhigeren Coach an der Seitenlinie zu wissen. Einen, der so manch ohnehin bis in die Nackenhaare motivierten Spieler wie Marcos Alvarez ausreichend erdet, damit dieser seine Stärken auf dem Feld ausspielt, ohne dabei zu übertreiben. Einer, der keine großen Reden schwingt, der im Frühjahr noch eine handfeste Krise zumindest nach außen hin mit größtmöglicher Souveränität moderierte und nun, in der wohl erfolgreichsten Phase seit Wollitz 2012/13, ebenso mit beiden Füßen fest auf dem Boden bleibt, nicht von der 2. Bundesliga spricht, sondern mit Uhrwerks-Präzision und nimmermüdem Ehrgeiz an den Qualitäten seiner Mannschaft arbeitet und damit sehr sehenswerte Ergebnisse erzielt.

Wie ist die Lage vor dem Spiel am Samstag? Energie Cottbus hat zuletzt gegen Osnabrücks Nachbarn Lotte nach einem 0:2-Rückstand noch ein 2:2 erkämpft. Allerdings stolperte die Abwehr, verursachte leichte Fehler und hätte sich über einen weiteren Elfmeter für die Sportfreunde sowie eine Rote Karte für Kevin Scheidhauer nicht beschweren dürfen. Der VfL verspielte dagegen zuletzt ein 1:0 in Aalen, holte aber immerhin trotz gewaltigen Drucks der Hausherren noch ein 1:1-Remis. Wieder nicht verloren, das ist mittlerweile die wichtigste Devise bei den Niedersachsen. Eine Pleite musste Lila-Weiß erst einstecken, das ist mittlerweile gut zehn Wochen her. Zum Vergleich: Verfolger und Rivale Preußen Münster hat schon fünfmal verloren – auch deshalb ist Osnabrück die Spitzenposition nach dem kommenden Wochenende völlig unabhängig davon, wie das Heimspiel gegen Cottbus endet, schon jetzt gewiss.

"Ich habe keine Gefühle mehr für den Klub"

Ob es Pele Wollitz noch schmerzen würde, dem ehemaligen Klub eins auszuwischen? Wohl eher nicht. Einerseits sagt er: "Ich habe keine Gefühle mehr für den Klub. Wenn ich nach Kaiserslautern, Köln oder Leverkusen gucke, habe ich da mittlerweile mehr Emotionen." Zu sehr hat er sich mit seiner neuen Aufgabe in Cottbus, mit der ganzen Lausitzer Region identifiziert. Denn das ist ihm trotz vieler streitbarer Ansichten, die Wollitz vertritt, und Vorkommnisse, die auf der Emotionalität des 53-Jährigen fußten, zugutezuhalten: Er entschuldigte sich oft für sein Verhalten, und er ging 2016 den bitteren Weg in die Regionalliga Nordost – und er führte Cottbus zurück in den Profifußball. "Ich bin mit meinen Gefühlen 100 Prozent im Reinen. Ich weiß, was ich in Osnabrück geleistet habe – und das war in einer ganz schwierigen ­Situation außergewöhnlich", betont der 53-Jährige, der am Samstag erstmals seit seinem Rauswurf wieder im Stadion sein wird: "Ich wäre da auch nicht mehr hingegangen. Aber am Samstag gehe ich ins Stadion, in der festen Überzeugung, mit meinem Team das Spiel gewinnen zu können."

Ob also nach seiner zweiten Amtsperiode im Osten Brandenburgs wiederum eine dritte beim VfL Osnabrück folgt, ist eher fraglich. Zu gut geht es den Lila-Weißen unter Daniel Thioune, der seinen Ruf, mit seinen 44 Jahren immer noch ein echtes Trainer-Geheimtalent zu sein, in den vergangenen Wochen und Monaten mehr als bestätigt hat. Über den Weg gelaufen sind sich Thioune und Wollitz übrigens nur ein halbes Jahr im Verein – und selbst da hatten der damalige Chef- und Jugend-Trainer eher wenig miteinander zu tun. Für Thioune ist die Sache, wie er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte, damit ebenso klar: "Uns beide verbindet wenig, mit Ausnahme der Identifikation für den Verein." Er freue sich auf jedes Spiel des VfL – unabhängig davon, welcher Trainer zu Gast sei.

   

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