RWE muss Erkenntnisse aus knallharter Bodenlandung ziehen

Zwei Spiele, 0:9 Tore: Was schon für jeden anderen Drittligisten ein Grund für mehr als nur eine handfeste Schaffenskrise ist, nimmt bei einem Klub von der Strahlkraft Rot-Weiss Essens gleich Züge von Weltuntergangsstimmung an. Und jetzt? Gilt es mit der neuen Realität umzugehen – und schnell Erkenntnisse aus einer knallharten Bodenlandung zu ziehen.

Kredit binnen 100 Stunden verspielt

Es gab in dieser Saison schon so einige Spiele, die rot-weisse Rosen vom Himmel regnen ließen. Das 3:1 über Dynamo Dresden liegt erst etwas mehr als eine Woche zurück und war so ein Fall: Souverän verteidigt, vorne die Nadelstiche effizient gesetzt, den Spitzenreiter und Topfavoriten entnervt. So einfach kann es gehen! Auch das 2:0 bei der Freiburger Reserve war ein Ergebnis ziemlich reifen Fußballs und der dritte Saisonsieg, das 1:0 über Münster, in seiner Entstehung ein besonders emotionales Ereignis. RWE zehrte mit dem gesamten Umfeld davon, der Verein schuf Ruhe, die jeder Verantwortliche – allen voran der schon so einige Mal angezählte Trainer Christoph Dabrowski – gut gebrauchen konnte. Und hat es nun geschafft, mit zwei unerklärlichen, ja geradezu desaströsen Leistungen all diesen Kredit binnen nicht einmal 100 Stunden zu verspielen.

Erst das 0:4 bei Aufsteiger Unterhaching, wo sich die Mannen von der Hafenstraße viermal vom mittlerweile 35-jährigen, einst als Chancentod verschrienen Mathias Fetsch übertölpeln ließen. Kann an einem Ausnahmetag passieren, sollte es aber nicht. Der Gesamtauftritt war ja nicht vier Tore schlechter, Essen hatte sogar mächtig viel Ballbesitz, ohne daraus aber schnelle Spielzüge oder Torgefahr zu entwickeln. Dann kam Angstgegner SC Verl, acht Pflichtspiele lang hatte der jahrelange Rivale aus der ostwestfälischen Kleinstadt die Ruhrmetropole zum Verzweifeln gebracht – nie konnte RWE gewinnen. Jetzt folgte, drei Jahre nach einem nicht minder beeindruckenden 4:1-Sieg der Verler an der Hafenstraße, ein 0:5. Null zu fünf! Samt eines Verteidigungsverhaltens gegen den überragenden Oliver Batista Meier, das an Arbeitsverweigerung grenzte.

Uhlig ordnet die Leistung zurecht mit deutlichen Worten ein

Eine "absolute Frechheit", wie es Vorstandschef Marcus Uhlig völlig zurecht einordnete. Begriffe wie "Selbstaufgabe" und "in die Einzelteile zerfallen" rundeten den verbalen Angriff aus den eigenen Reihen ab. Erfüllt dieses Rütteln an einer konsternierten, zuletzt völlig den Faden verlierenden Mannschaft seinen Zweck, rüttelt es sie wach. Seine eigenen Spieler an der Ehre packen zu wollen, wie es Uhlig tat, ist allerdings in Fußballkreisen meist ein letztes Mittel – eines, das sich abnutzen kann, wenn es zu früh eingesetzt wird. Noch ist RWE nicht in einer handfesten Krise, drei Punkte aus drei Spielen der Englischen Woche sind keine Schande, das "Wie" war es in den vergangenen 180 Minuten durchaus. Und dafür haben die Fans, immerhin 14.900 kamen am Samstag, ein feines, zuweilen auch überkritisches Gespür.

Sie rollten ihre Fahnen ein und verzichteten auf Support, als der Untergang gegen Verl seinen Lauf nahm. Wer weiß: Dachte vielleicht mancher aus der aktiven Fanszene sogar darüber nach, die eingemotteten "Dabrowski raus!"-Mottoschals wieder aus dem Schrank zu kramen? Ja, da war etwas: Im Endspurt der vergangenen Spielzeit hatten sich Teile der prominentesten Fangruppen schon klar gegen ihren Cheftrainer positioniert, waren mit der Kritik dann zurückgerudert, weil der Klub standhaft blieb. Das war RWE und seiner Führung hoch anzurechnen, nun muss das sportlich verantwortliche Duo aus Marcus Steegmann und Christian Flüthmann einmal mehr das dickere Fell auspacken. Denn Dabrowski bleibt mindestens im Fan-Umfeld, und dessen Rolle ist beim für seine chronische Nervosität bekannten Ruhrpottklub nicht zu unterschätzen, eine kontrovers diskutierte Figur.

Nicht nur Dabrowski ist zu hinterfragen

Am Samstag mochte Dabrowski den einen oder anderen Fehler begangen haben: Vielleicht nominierte er mit Moussa Doumbouya den falschen Stürmer, vielleicht ist das Team vom raschen Wechsel zwischen Vierer- und Dreierkette und zurück überfordert gewesen. Alternativen für schwächelnde Spieler hat RWE, und das ist wiederum kaum Dabrowskis Schuld, derzeit nicht im Kader: Auf wenige, aber nach Positionen geballte Ausfälle kann Essen personell kaum reagieren. Gegen Verl fehlten Felix Götze und Vinko Sapina, ihr Ersatz Björn Rother "krönte" einen mäßigen Tag mit der roten Karte, die beim Stand von 0:5 ein überflüssiges Frustprodukt war. Dennoch verschärft der Ausfall Rothers an den Spieltagen 11 bis 13 die Personallage weiter, und auch um Kapitän Felix Bastians gibt es Sorgen, nachdem dieser mit Knieproblemen vorzeitig ausgewechselt werden musste.

Gerüstet ist der Kader der Rot-Weißen für solche Hiobsbotschaften nicht, es fehlt ihm gravierend an Tiefe und in der Abteilung Offensive auch schon in erster Reihe an Vollstreckerqualität. So liegt die Vermutung nahe: Geht es einmal mehr in den Abstiegskampf? Denn das ist nach zehn Spieltagen, nach denen sich mancher Experte zu einem ersten validen Fazit bemüßigt fühlt, eine nackte Tatsache: Zwölf Punkte und ein in wenigen Tagen ziemlich ramponiertes Torverhältnis haben die Dabrowski-Elf zurück ins untere Drittel gespült. Dazu gehört RWE neben Lübeck, Freiburg II und Duisburg zum Keller-Quartett, das nicht einmal einen Treffer pro Partie erzielt. Themen, die sehr an die Rückrunde der Vorsaison erinnern, in denen sich der damalige Liganeuling mit Ach und Krach über die Ziellinie zum Klassenerhalt rettete. Eigentlich sollten die Ansprüche nun andere sein – allein schon, weil RWE im Vorjahr finanziell alles andere als weitsichtig agierte und hohe Fehlbeträge anhäufte. Zarte Träume, trotz des folgenden Sparkurses nun weiter oben in der Drittliga-Nahrungskette mitzumischen, sind in den vergangenen Tagen erst einmal zerplatzt.

   

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