Saisonfazit Erfurt: Schlechte Rückrunde verspielt Sympathien
Mit 50 Punkten und einer Tordifferenz von 53:49 Toren belegte der FC Rot-Weiß Erfurt am Ende der Spielzeit den zehnten Platz der Tabelle und spielte somit die drittschlechteste Saison der eigenen Drittliga-Geschichte. Nur im letzten Jahr (44 Punkte) und in der Premiere-Saison 2008/2009 (ebenfalls 50 Punkte, aber ein schlechteres Torverhältnis) waren die Thüringer erfolgloser. Zudem schaffte es der Klub erneut nicht, sich über den Landespokal für den lukrativen DFB-Pokal zu qualifizieren. Im Folgenden schaut sich liga3-online.de die Saison von Rot-Weiß Erfurt genauer an.
Das lief gut
Die Anzahl der Tore
Mit 53 Treffern stellten die Erfurter die fünftbeste Offensive der Liga. Lediglich die Aufsteiger aus Heidenheim und Leipzig, sowie Darmstadt und Münster waren in dieser Kategorie besser. Zwar haperte es oft im Spielaufbau, doch wurden die herausgespielten Chancen sehr oft effektiv genutzt. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass neun Tore durch Elfmeter zustande kamen (die meisten der Liga).
Die Auswärtsbilanz
Mit fünf Siegen und ebenso vielen Unentschieden aus 19 Partien belegen die Rot-Weißen den siebten Platz in der Auswärtstabelle. Zwar waren die Leistungen auf fremden Plätzen nicht immer zufriedenstellend, dennoch blieben hohe Niederlagen aus. Lediglich beim Chemnitzer FC (0:4) hatte die Mannschaft von Trainer Walter Kogler einen ganz schwachen Tag erwischt und kam unter die Räder. Ansonsten verloren die Blumenstädter nur drei Spiele mit mehr als einem Tor Unterschied.
Das lief nicht gut
Das Verhalten nach Rückständen
Wenn der Gegner in Führung ging, hatte er mit den Erfurtern in der Folge sehr oft leichtes Spiel. Der Mannschaft vom Steigerwald fehlte es in der kompletten Spielzeit an Führungsfiguren, die das Zepter bei Rückständen in die Hand nahmen. Vor allem die erfahrenen Spieler wie Kapitän Nils Pfingsten-Reddig und Marco Engelhardt enttäuschten dabei sehr oft. Nur einmal gelang es dem Team, einen Rückstand in einen Sieg umzubiegen: Gegen den VfB Stuttgart II wurde nach 0:1-Rückstand mit 4:2 gewonnen. Ansonsten schaffte man gegen Burghausen und Rostock nach Rückstand noch ein Unentschieden. Doch fünf Punkte sind in dieser Bilanz ungenügend und der fünftschlechteste Wert der Liga.
Die Rückrunde
Der Saisonstart war sehr zufriedenstellend, letztlich beendete die Mannschaft als Tabellenfünfter mit zwei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz die Hinrunde. Doch gaben die zuletzt erzielten Resultate bereits einen Vorgeschmack auf das, was folgen sollte. In den verbliebenen 19 Spielen holte man nur 21 Punkte und belegte somit im ligaweiten Vergleich den 14. Platz. Sogar in der Vorsaison, als man am Ende noch um den Klassenerhalt bangen musste, holte das Team fünf Punkte mehr. Es war die zweitschwächste Rückrunde der persönlichen Drittliga-Geschichte (2008/2009 waren es 20 Punkte). Durch eine Serie von sieben Partien ohne Erfolg und nur vier Punkten rutschte man bis auf Rang zehn ab. Nach einem zwischenzeitlichen Hoch kassierte die Kogler-Truppe drei Niederlage am Stück und fand sich auf Tabellenplatz 13 wieder. Durch einen Sieg beim feststehenden Absteiger gelang zumindest der Sprung in die obere Tabellenhälfte.
Die Kreativität
Im Sommer konnten die Thüringer mit starken Offensivaktionen und Toren überzeugen, das Sturmduo Brandstetter/Tunjic harmonierte. Doch mit der Verletzung des Neuzugangs fiel dem Team auch das Toreschießen nicht mehr so leicht. Weitere Verletzungen von Schlüsselspielern wie Kevin Möhwald sorgten auch im weiteren Verlauf dazu, dass man in das Muster der Vorsaison verfiel und vieles dem Zufall überlassen wurde. In der Rückrunde gelang es dem Team nur noch sehr selten, spielerisch zu überzeugen.
Bester Spieler
Im Januar verkündete der Klub die Rückkehr von Carsten Kammlott nach Thüringen. Und das in ihn gesteckte Vertrauen zahlte der 24-Jährige schnell zurück. Obwohl er nur 15 Spiele für RWE bestritt, erzielte er neun Treffer, legte vier weitere Tore auf und war somit der Top-Scorer. Eine sehr gute Quote, die den Verein vor Schlimmerem bewahrte. In vielen Spielen war der gebürtige Bad Frankenhausener der Einzige, der kämpferisch überzeugen konnte, wurde jedoch zu oft von seinen Team-Kollegen im Stich gelassen. Mit mehr Spielern seines Formats wäre in dieser Saison mehr möglich gewesen.
Schwächster Spieler
Es war einfach nicht die Saison von Kapitän Nils Pfingsten-Reddig. Nach gutem Saisonstart mit zwei Toren und drei Treffern in vier Spielen baute der 31-Jährige ab und verlor auch immer mehr das Vertrauen von Trainer Kogler. Kevin Möhwald lief dem "Capitano" den Rang ab, Pfingsten-Reddig fand sich öfter auf der Bank wieder als ihm lieb war. Aufgrund von vielen Verletzungen und Sperren seiner Mitspieler brachte er es dennoch auf 29 Einsätze. Vom Elfmeterpunkt aus war der gebürtige Gehrdener gewohnt stark, doch gerade dann, wenn es für die Mannschaft auf dem Platz nicht rund lief, ging er viel zu selten vorweg. Er versteckte sich und passte sich dem sehr schnell dem überschaubaren Niveau an. Somit verwunderte es nicht, dass die große Mühe, ihn in Erfurt zu halten, ausblieb.
Saisonhighlight
Das beste Spiel der Saison lieferte die Mannschaft am 7. Spieltag gegen den SV Wehen Wiesbaden ab. Mit 3:0 wurde der Tabellenführer geschlagen, die Mannschaft wusste über die kompletten 90 Minuten zu überzeugen, fand wieder Anschluss an die Aufstiegsplätze und versöhnte die Fans somit wieder, nachdem man nur drei Tage zuvor dem MSV Duisburg mit 1:3 unterlag.
Negativer Höhepunkt
In negativer Hinsicht müssen die Spiele in Elversberg und Chemnitz hervorgehoben werden. Verlor das Team im Saarland "nur" mit 2:0 und schaffte es wenigstens eins, zwei Mal vor das gegnerische Tor, ergab sich die Mannschaft in Chemnitz von der ersten Minute an. Es war erschreckend, wie die bis dahin alles andere als souveränen Himmelblauen machen konnten, was sie wollten. Am Ende stand es aus Erfurter Sicht nur 0:4. Die Krönung war das Landespokal-Spiel in Jena, doch dies soll hier nicht genauer ausgeführt werden.
Bewertung der getätigten Transfers
Zu überzeugen wussten die Stürmer Simon Brandstetter, Carsten Kammlott (siehe bester Spieler), Verteidiger André Laurito, Mittelfeldspieler Christopher Drazan (kam im Winter) und Torwart Jean-Francois Kornetzky. Der Franzose nahm seine Rolle als Nummer zwei an und wurde immer wieder für seine Professionalität gelobt. Er war einmal gefordert und blieb fehlerfrei, als Belohnung wurde sein Vertrag verlängert. Aus Regensburg kam Innenverteidiger und Abwehrchef Laurito. Der 30-Jährige war eine Bank, kam aufgrund einiger Verletzungen jedoch nur auf 24 Spiele. Im Verlauf der Spielzeit fiel sehr deutlich auf, dass die Leistung der kompletten Defensive von seinem Auflaufen abhing. Brandstetter hatte keine Anlaufprobleme und konnte nach neun Spielen vier Tore und zwei Vorlagen nachweisen. Ein Leistenbruch und eine anschließende Schambeinentzündung brachten ihn aus dem Tritt. Bleibt er verletzungsfrei und kann die Vorbereitung komplett mitmachen, werden er und Kammlott in Zukunft eins der besten Sturm-Duos der Liga bilden.
Verteidiger Stefan Kleineheismann ist von der Anwesenheit Lauritos abhängig. Mit dem 30-Jährigen an seiner Seite ist er ein souveräner Innenverteidiger, ohne ihn wackelte auch der 26-Jährige gelegentlich und erlaubte sich auch grobe Schnitzer. Luka Odak hatte einen starken Saisonbeginn, fiel leistungsmäßig jedoch wie der Großteil des Teams im Laufe der Saison ab. Andreas Wiegel, Mittelfeldspieler und Leihgabe aus Aue, fand nach Anlaufschwierigkeiten immer besser hinein, wurde jedoch von Leistenproblemen zurückgeworfen und fand danach nie wieder zu alter Stärke. Er fiel zudem durch eine Undiszipliniertheit (Schiedsrichterbeleidigung) auf.
Nur wenige gute Momente hatte Verteidiger Niklas Kreuzer, dessen Einjahresvertrag auch nicht verlängert wurde. Kaum zum Einsatz kam Okan Derici, den es im Winter genau wie Linksaußen Aykut Öztürk in die Türkei zog. Der Abgang des 26-Jährigen wurde gerade dann deutlich, wenn es im Kollektiv nicht so gut lief. Der Deutsch-Türke konnte die gegnerischen Reihen durch seine Schnelligkeit immer wieder in Verlegenheit bringen und war zudem in der Vergangenheit ein Garant für Strafstöße.
Bewertung des Trainers
Die Leistungen im vergangenen Sommer brachten Walter Kogler schnell einen guten Stand bei den Fans und auch in der Führungsetage des Vereins. Er hatte eine klare Philosophie, die auch früh auf dem Rasen erkennbar wurde und durchaus erfolgreich war. Mit zunehmenden Verletzungspech gingen dem Österreicher jedoch die dafür geeigneten Spieler aus, weshalb über weite Strecken der Saison nicht viel vom geplanten schnellen Umschaltspiel der Rot-Weißen zu sehen war. Der Vertrag des 46-Jährigen läuft noch bis Sommer 2015, ein guter Start in die kommende Spielzeit wäre von Nutzen, um die mittlerweile bröckelnde Fassade wieder neu zu errichten. Die Meinungen im Fanlager gehen nach dem Verpassen des DFB-Pokals auseinander. Viele halten ihm weiterhin die Treue, andere wünschen sich einen neuen Verantwortlichen auf der Bank.
Fazit
Das Ziel war es, sich aus dem Tabellenkeller fernzuhalten und eine zukunftsfähige Mannschaft aufzubauen. Der Verein musste nicht so lang und heftig um den Klassenverbleib zittern wie in der letzten Saison, aber er musste es zumindest kurz. Und es deutet sich im Sommer erneut ein kleiner Umbruch im Kader an, viele Spieler haben den Verein bereits verlassen, so manch einer wird noch folgen. In der kommenden Spielzeit laufen zudem viele weitere Verträge aus und mit den fehlenden finanziellen Mitteln wird es nicht leicht werden, die Leistungsträger halten zu können. Deshalb fällt es schwer, die Saison als gut zu bewerten. Viel wurde nicht erreicht.
Ausblick auf die kommende Saison
Wie bereits erwähnt hat Rot-Weiß Erfurt mit Simon Brandstetter und Carsten Kammlott zwei Stürmer, die bewiesen haben, Drittliga-Format zu haben. Auch die Defensive kann, wenn Laurito spielt, gute Leistungen erbringen. Zudem wurde Linksverteidiger Rafael Czichos weiterhin an den Verein gebunden. Doch im Mittelfeld fehlt es an Kämpfern und Kreativen. Viel wird vom Hoffnungsträger und Eigengewächs Kevin Möhwald abhängen: Bleibt er? Und wenn ja, bleibt er vor allem verletzungsfrei? An guten Tagen kann er den Unterschied machen, doch darf nicht die ganze Last auf den Schultern eines 20-Jährigen abgeladen werden.
FOTO: Marcel Junghanns / Klettermaxe Photographie / Fototifosi