Saisonvorschau Fortuna Köln: Kollektiv ist Trumpf
Bevor die 3. Liga am Samstag, den 26. Juli in die neue Saison startet, blickt liga3-online.de auf die 20 Drittligisten und schätzt die Chancen der Teams ein. In der heutigen Ausgabe werfen wir einen Blick auf den Aufsteiger Fortuna Köln: Der Verein aus dem Kölner Süden feiert nach einem dramatischen Aufstiegsszenario und 14-jähriger Abstinenz die Rückkehr in den deutschen Profifußball. Nach dem Gewinn der Meisterschaft in der stark besetzten Regionalliga West setzte sich die Mannschaft von Uwe Koschinat dank eines Last-Minute-Treffers von Oliver Laux auch im Relegationsduell gegen die U23 des FC Bayern München durch. Der Aufstieg in die 3. Liga ist das Resultat einer konzepttreuen und kontinuierlichen Arbeit des gesamten Vereins. Cheftrainer Uwe Koschinat formte dabei in den vergangenen drei Jahren eine eingeschworene Mannschaft, die sich mit Hilfe einer festen Spielidee und großer Leidenschaft mit dem Aufstieg belohnte.
Die Testspiele
Es scheint fast so, als ob es die Fortuna geschafft hätte, die Siegermentalität der letzten Saison mit in die Vorbereitung zu transportieren. Sechs der bisherigen neun Testspiele konnte die Mannschaft gewinnen. Nach anfänglichen Erfolgen gegen Jeunesse Esch (1:0), den KFC Uerdingen (2:1) und den FC Hennef 05 (4:1) sowie den 1. FC Saarbrücken (1:0) und KAS Eupen (2:1) unterlag das Team lediglich gegen den Süd-West Regionalligisten Eintracht Trier mit 0:1. Dem 3:1-Sieg gegen den Nachwuchs des 1. FC Köln und einem Remis gegen Alemannia Aachen (1:1) folgte am heutigen Sonntag eine 1:3-Niederlage gegen die Kölner Bundesligamannschaft. Die Partie gegen die Elf von Peter Stöger lieferte erstmals Hinweise auf die potentielle Anfangsformation zum Saisonstart gegen Großaspach. So agierten Hörnig/Laux als Innenverteidiger-Duo, flankiert von Jan-Andre Sievers und Tobias Fink. Im zentralen Mittelfeld agierte Sascha Marquet als einziger Akteur über 90 Minuten. Neben den gesetzten Thomas Kraus und Johannes Rahn scheinen in der Offensive Hamdi Dahmani und Ercan Aydogmus das Rennen gemacht zu haben. Die Partie gegen den Mittelrheinligisten FC Bergheim 2000 am kommenden Dienstag bildet den Schlusspunkt der Testphase.
Die Neuzugänge
Die Fortuna baut auch in der 3. Liga auf den Stamm der Aufstiegsmannschaft und hat sich lediglich punktuell verstärkt. Uwe Koschinat hat seine Hausaufgaben früh erledigt und konnte bereits zum Vorbereitungsstart alle seine Wunschspieler vorstellen. Auf dem Papier dürfte Johannes Rahn mit über 50 Zweitligaeinsätzen der Königstransfer der Fortuna sein. Dazu sollen sich Lars Bender und Sascha Marquet zu weiteren Leistungsträgern des Teams entwickeln. Alle drei Akteure bringen die für die Mannschaft so wichtige Drittliga-Erfahrung mit, zudem kennt Uwe Koschinat die drei Spieler sehr gut. Sei es aus vergangenen Koblenzer Zeiten oder im Falle von Marquet aus den Duellen mit Alemannia Aachen in der letzten Saison.
Dino Bisanovic ist für das Team eigentlich kein Neuzugang mehr. Der 24-Jährige war bereits in der Rückrunde über mehrere Monate Trainingsgast am Südstadion und erlebte die Aufstiegsdramaturgie rund um das Team hautnah mit. Der Bosnier ist ein spielstarker Sechser und eine Alternative für das zentrale Mittelfeld. Zudem verpflichtete der Verein vier Spieler, welche die U23-Regel erfüllen. Innenverteidiger Boné Uaferro von der U23 des FC Schalke 04 duellierte sich in den vergangenen Regionalliga-Spielzeiten etliche Male mit seinen jetzigen Kollegen. Mit Leon Heine und Dennis Engelmann lotste man zwei U19-Talente von Bayer 04 Leverkusen in die Südstadt. Im Sturm soll Marco Ban Druck machen auf die Etablierten Ercan Aydogmus, Thomas Kraus und Thiemo-Jérôme Kialka. Der eigentlich aus der eigenen U19 hochgezogene Daniel Isken wird in der kommenden Saison auf eigenen Wunsch doch nicht für die Fortuna spielen.
Voraussichtliche Startelf
Sturm: Dahmani, Aydogmus
Mittelfeld: Rahn, Pazurek, Marquet, Kraus
Abwehr: Fink, Laux, Hörnig, Sievers
Tor: Poggenborg
Wichtigster Spieler
Die Mannschaft definiert sich über das Kollektiv. Wenn man aber dennoch einen Akteur hervorheben muss, ist das Kristoffer Andersen. Der 28-Jährige war in der letzten Saison nach den Verletzungen von Ozan Yilmaz und Albert Streit der spielerische und organisatorische Glanzpunkt im Fortuna-Spiel. Der Däne ist mit Sicherheit der kompletteste Spieler im Kader, verfügt über ein gutes Passspiel und ein noch besseres Zweikampverhalten. Zudem ist Andersen der Organisator und Aufbauspieler im zentralen Mittelfeld. Ruhig und zurückhaltend neben dem Platz, kommt es nicht selten vor, dass er auf dem Feld verbal explodiert und stets am Limit spielt. Bei Koschinat ist Andersen auf der Doppel-Sechs gesetzt. Allerdings wird er der Mannschaft zum Saisonstart gegen Großaspach fehlen. Der Grund ist sein Platzverweis im Relegations-Rückspiel gegen die U23 des FC Bayern München.
Stärken
Es gibt zwei wesentliche Faktoren, welche die Mannschaft um Kapitän Daniel Flottmann so stark machen. Zum einen die mannschaftliche Geschlossenheit. Jeder einzelne Spieler im Kader zerreißt sich für das Team, wie der Last-Minute-Erfolg in München eindrucksvoll unterstreicht. „Nur der gemeinsame Erfolg festigt ein Mannschaftsgefüge“, predigte ARD-Experte Mehmet Scholl in den letzten Wochen immer wieder während der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilen. Der Aufstieg und die damit geschriebene „Legenden-Geschichte“ rund um die Fortuna wird die Mannschaft auch in der 3. Liga ein Stückweit tragen. Nicht nur die positiven Aufstiegserlebnisse aus diesem Sommer, auch die bittere Vizemeisterschaft im Jahr 2013 mit dem anschließenden Pokalsieg fließen hier mit ein.
Ein großes Plus ist auch die klar definierte Spielphilosophie von Trainer Uwe Koschinat, welche sich insbesondere durch körperbetontes Spiel und zielorientierte Offensivaktionen auszeichnet. Die Mannschaft wurde in den letzten Jahren speziell nach diesen Kriterien zusammengestellt, stetig ergänzt und verbessert. Die Kombination aus den gemeinsamen Erlebnissen der Vergangenheit, klaren taktischen Vorgaben und eingespielten Automatismen sind die große Stärke des Teams
Schwächen
Ein Schwachpunkt der Mannschaft ist sicherlich die Unerfahrenheit. Mehr als die Hälfte der Spieler des aktuellen Kaders betritt in der 3. Liga fußballerisches Neuland. Die Spieler müssen sich umstellen. Dies fängt bereits bei den weiten Auswärtsfahrten an. Ob sich jeder Einzelne auch in der höheren Klasse etablieren kann, muss erst noch bewiesen werden. Zudem fehlen der Mannschaft zum Saisonstart mit Kapitän Daniel Flottmann, Ozan Yilmaz und Sebastian Zinke verletzungsbedingt drei wichtige Leistungsträger. Bereits jetzt ist klar, dass das hochgelobte Klima innerhalb des Teams in der kommenden Saison auf die Probe gestellt wird. In den vergangenen zwei Spielzeiten konnte die Fortuna einen Schnitt von mehr als zwei Punkten pro Partie verzeichnen. Das wird sich jetzt ändern. Schafft es die Mannschaft sich auf den anstehenden Abstiegskampf umzustellen und auch bei längeren Durststrecken die Ruhe zu bewahren?
Die entscheidende Frage ist allerdings, was passiert, wenn der Koschinat-Code geknackt wird? Der Cheftrainer wird im absoluten Notfall auch Alternativen zu seiner körperlichen und gradlinigen Spielphilosophie parat haben müssen. Zwar zeigte sich die Fortuna in der Vergangenheit im System stets sehr variabel, allerdings fehlt im Kader ein echter Spielmacher.
Trainer
Es ist nicht übertrieben, Uwe Koschinat als „Vater des Erfolgs“ zu bezeichnen. Seitdem der 42-Jährige vor drei Jahren als frischgebackener Fußballlehrer seine erste Cheftrainerstation bei der Fortuna antrat, hat sich bei dem Klub viel verändert. Er hat die Mannschaft und den Verein nach vielen Jahren im Amateurfußball auf eine höhere und professionelle Ebene geführt. Koschinat ist ein emotionaler Trainer der sein Team von der Seitenlinie aus extrem pushen kann. Trotz des Erfolges bleibt er aber ein Typ zum Anfassen, der sich gänzlich mit der Fortuna identifiziert und das Image des familiären Vereins vorlebt. Seine Frau Kyra ist mit den beiden Kindern bei fast jedem Spiel dabei. Sohn Ole unterstützt die Mannschaft im Südstadion sogar als Balljunge.
Prognose
Die Rechnung erscheint auf den ersten Blick denkbar simpel. „Wir müssen nur drei Teams hinter uns lassen“, skizziert Uwe Koschinat das Saisonziel seiner Mannschaft. Ein guter Start in den Duellen gegen die direkten Konkurrenten SG Sonnenhof Großaspach und die U23 des FSV Mainz 05 wird dafür ganz wichtig sein. Erst mal in Fahrt gekommen ist der Fortuna sogar ein Platz im unteren Mittelfeld zuzutrauen, auch weil die Mannschaft in den Spielen zumeist die komfortablere Situation als Außenseiter genießen darf. Wenn innerhalb der Schwächephasen, die im Laufe einer Saison bei jedem Team auftreten, die Ruhe bewahrt wird und sich das Verletzungspech in Grenzen hält, schafft die Fortuna den vorzeitigen Klassenerhalt. Sollte die Mannschaft wiedererwartend mit dem Fußball und der Gesamtsituation in der 3. Liga überfordert sein, wird es am letzten Spieltag im Mai 2015 ein neues Legenden-Märchen brauchen um die Klasse zu halten.
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