Saisonvorschau Würzburg: Direkter Wiederaufstieg kein Muss
Nach dem bitteren Abstieg aus der 2. Bundesliga, mit 17 Sieglos-Spielen, stehen die Zeichen am Dallenberg auf Neustart. Die Ära von Bernd Hollerbach, der den Profifußball nach Würzburg brachte und den Verein von der Regionalliga bis in die Zweite Liga führte, ist Geschichte. Sein Nachfolger Stephan Schmidt tritt ein äußerst schweres Erbe an.
So lief die Vorbereitung
Auch unter dem neuen Coach schlagen die Kickers, wie schon in den vergangenen drei Jahren, ihre Zelte zum Sommertrainingslager im österreichischen Bad Häring auf. Dort findet der Drittligist hervorragende Bedingungen vor (im Gegensatz zu den heimischen Trainingsmöglichkeiten, die auch nach der Fusion mit dem Post SV Würzburg zu Wünschen übrig lassen), um die kurze Vorbereitungsphase mit dem rundum erneuerten Team optimal zu nutzen. Im Fokus stehen vor allem Teambuilding und das Einstudieren von Systemen. Die ersten vier Testspiele, gegen Großteils unterklassige Gegner, konnten allesamt gewonnen werden. Zum Abschluss der Vorbereitung warten mit Zweitligist MSV Duisburg und Erstligist Bayer Leverkusen noch zwei echte Gradmesser.
Die Transferperiode
Zugänge | Abgänge |
Wolfgang Hesl (Arminia Bielefeld) | David Pisot (Karlsruher SC) |
Kai Wagner (FC Schalke 04 II) | Clemens Schoppenhauer (FC St. Pauli) |
Jannis Nikolaou (Rot-Weiß Erfurt) | Patrick Weihrauch (Arminia Bielefeld) |
Dominic Baumann (1.FC Nürnberg II) | Nejmeddin Daghfous (SV Sandhausen) |
Maximilian Ahlschwede (FC Hansa Rostock) | Rico Benatelli (Dynamo Dresden) |
Florian Kohls (Hertha BSC II) | Lukas Fröde (MSV Duisburg) |
Marvin Kleihs (VfL Wolfsburg II) | Jörg Siebenhandl (Sturm Graz) |
Björn Jopek (Chemnitzer FC) | Peter Kurzweg (1.FC Union Berlin) |
Enis Bytyqi (SV Werder Bremen II) | Tobias Schröck (FC Ingolstadt) |
Patrick Göbel (FSV Zwickau) | Sebastian Ernst (SpVgg Greuther Fürth) |
Dennis Mast (Arminia Bielefeld) | Daniel Nagy (Ujpest Budapest) |
Hendrik Hansen (VfL Wolfsburg II) | Robert Wulnikowski (Karriereende) |
Simon Skarlatidis (FC Erzgebirge Aue) | Valdet Rama (Yanbian Funde/China) |
Anthony Syhre (VfL Osnabrück) | Júnior Díaz (unbekannt) |
Patrick Drewes (VfL Wolfsburg) | Anastasios Lagos (unbekannt) |
Sebastian Schuppan (Arminia Bielefeld) | Dennis Schmitt (Würzburger Kickers II) |
Bewertung der Transfers
Kurz nach dem Abstieg setzte eine regelrechte Spielerflucht am „Dalle“ ein. 16 Akteure verließen Unterfranken – Großteils ablösefrei, da die meisten Spielerverträge nur für die 2. Bundesliga abgeschlossen wurden. Für Mittelfeldspieler Tobias Schröck, der sich Bundesliga-Absteiger Ingolstadt anschloss, soll allerdings ein hoher sechsstelliger Betrag in die Kickers-Kassen geflossen sein. Den 16 Abgängen stehen exakt genauso viele Neuzugänge gegenüber. Vorstandsvorsitzender Daniel Sauer, der den Job als Sportdirektor von Bernd Hollerbach übernahm, leistete beachtliche Arbeit. Neben den zwei verbliebenen Stammspielern Taffertshofer und Neumann, sollen vor allem die Neuerwerbungen Ahlschwede, Mast, Jopek, Skarlatidis, Schuppan und Torwart Hesl, tragende Rollen im neuen Team der Rothosen einnehmen. Sauer und Schmidt scheint ein gelungener Mix aus Talenten und erfahrenen Spielern, die nahezu allesamt über reichlich Drittliga-Erfahrung verfügen, gelungen zu sein. Verpflichtet werden könnte noch ein Mittelstürmer, nach dem Elia Soriano dem Training seit Wochen fernbleibt und über seinen Berater derzeit prüfen lässt, ob sein Vertrag für die 3. Liga Gültigkeit besitzt.
Auf diesen Spieler sollte man achten
So viel Talent hatten die Rothosen wohl in ihrer 110-jährigen Vereinsgeschichte selten im Kader. Einer der es besonders wissen will ist Linksaußen Dennis Mast, der in der Vorsaison sieben Tore und sieben Torvorlage im Trikot des Chemnitzer FC verbuchen konnte. Der 25-Jährige deute in der Vorbereitung bereits eindrucksvoll an, dass er zum absoluten Aktivposten der Kickers-Offensive werden kann. Zugute wird ihm kommen, dass Stephan Schmidt großen Wert auf das Angriffsspiel setzt und er mit den jungen und hochbegabten Mitspielern Enis Bytyqi, Dominic Baumann, Patrick Göbel und den gestandenen Marco Königs und Simon Skarlatidis viel Qualität an seiner Seite hat.
Stärken und Schwächen
Die große Frage wird sein, ob es Schmidt gelingt dem neuformierten Team bis zum Saisonstart in Meppen seine Spielphilosophie zu vermitteln. Demnach würde im Optimalfall ein frühes Pressing und schnelles Umschaltspiel über die schnellen Außen, auf die Gegner der Rothosen warten. Ob die Sturmwellen dann auch in Tore umgemünzt werden, wird nicht zuletzt auch von Stürmer Marco Königs abhängen, der ein sehr schwieriges Jahr, ohne einen erzielten Treffer, hinter sich hat. Findet der Ex-Fortuna-Stürmer, der in der Saison 2015/16 16 Tore für die Kölner erzielte, zu alter Stärke zurück, könnten die Würzburger einen furiosen Saisonstart hinlegen. Weit weniger Kopfzerbrechen dürfte Schmidt die Defensive bereiten, die für Drittligaverhältnisse überdurchschnittlich gut bestückt ist. Auf den Außen in der Viererkette sind die erfahrenen Schuppan und Ahlschwede gesetzt, in der Innenverteidigung hat der 40-jährige Fußballlehrer mit Sebastian Neumann, Anthony Syhre, Jannis Nikolaou und Hendrik Hansen gar die Qual der Wahl. Bei aller Qualität wird es freilich eine Mammutaufgabe die 22 Akteure auf die Schnelle zu einer Einheit werden zu lassen. Abstimmungsprobleme und kaum vorhandene Automatismen sind für das erste Saisondrittel quasi vorprogrammiert.
Die Erwartungen der Fans
In der Residenzstadt herrscht auch nach dem völlig unnötigen Abstieg Ruhe. Dem Kater nach dem Weggang vieler Stammspieler, folgt allmählich die Vorfreude auf das neue Team und ein weiteres Jahr in der 3. Liga. Die 2. Bundesliga war im Plan der Kickers so etwas wie ein Bonusjahr. Nach knapp 40 Jahren Profifußball-Abstinenz kann man am Dallenberg momentan auch sehr gut mit drittklassigem Fußball leben. Der direkte Wiederaufstieg wird von den Fans sicherlich gewünscht, aber nicht vorausgesetzt.
Fazit & Prognose
Die Verantwortlichen um Ex-Handballprofi Daniel Sauer und Trainer Stephan Schmidt haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die (Fast-)Abstiege von Paderborn und dem FSV Frankfurt dienen als warnende Beispiele, dass die 3. Liga für Zweitliga-Absteiger kein Selbstläufer ist. Vieles wird von einem erfolgreichen Saisonstart abhängen und davon wie schnell die Mannschaft wirklich zusammenwächst. Rein vom Potential her gehört die Schmidt-Elf zu den Top Fünf der zehnten Drittliga-Saison. Mit einem ausformulierten Saisonziel hält man sich in Würzburg derweil noch zurück. Alle Verträge mit den neuen Spielern wurden für zwei Jahre abgeschlossen. Will heißen, der Aufstieg in der anstehenden Spielzeit ist kein Muss.