Schultz: "Haben ein anderes Selbstverständnis entwickelt"

Rot-Weiss Essen zeigt 2025 ein anderes Gesicht und schwimmt seit Wochen auf einer Erfolgswelle. Mit liga3-online.de spricht RWE-Kapitän Michael Schultz über den Aufschwung, die veränderte Tabellenlage, Interview-Erfahrungen als Kapitän und das kommende Duell gegen Waldhof Mannheim am Sonntagabend.
"Unser Anspruch ist es, an die jüngsten Leistungen anzuknüpfen"
liga3-online: Aus den letzten sechs Spielen gewann Rot-Weiss Essen fünf. Wie bewerten Sie die vergangenen Wochen, Herr Schultz?
Michael Schultz: Es läuft sehr gut, nachdem wir zum Jahreswechsel einen Tiefpunkt erreicht hatten. Beim Rückrundenauftakt in Aachen haben wir noch verdient verloren, weil es einfach kein gutes Spiel von uns war. Jetzt sind wir gefestigter, extrem torgefährlich und wir verteidigen gut zusammen. Wir haben eine breite Brust und ein anderes Selbstverständnis entwickelt. Aber klar: Ein gewisses Matchglück gehört auch immer dazu.
Was gibt es noch für Gründe für den Aufwärtstrend im neuen Jahr?
Wir hatten in der Hinserie einen Umbruch, mit einigen Verletzungen zu kämpfen und sind nie in einen richtigen Flow gekommen. Jetzt haben wir mehr Kontinuität im Team und jede Woche eine ähnliche Mannschaft auf dem Platz. Der Formationswechsel hat uns gut getan, und viele Spieler glänzen aktuell mit einer individuellen Top-Form. Neuzugänge wie Klaus Gjasula haben sich schnell ins Team eingefügt und sind zu entscheidenden Erfolgsfaktoren geworden.
Vor allem defensiv hat sich das Team stabilisiert. In allen sechs zurückliegenden Partien gab es maximal einen Gegentreffer. Gab es Veränderungen, die dazu geführt haben?
Unter anderem der Formationswechsel hat zu einer neuen Stabilität geführt. Die Dreierkette passt super zu uns. Das Trainerteam hat akribisch an einem Defensivkonzept gearbeitet. Die aktuellen Statistiken sind das Resultat daraus. Bereits in der Offensive angefangen, verteidigen wir nun konsequenter.
Zuletzt gewann RWE 1:0 bei der zweiten Mannschaft des BVB. Wie haben Sie das Spiel erlebt?
Es war nach dem 2:0 gegen Ingolstadt der zweite Zu-Null-Erfolg hintereinander. In der gesamten vorherigen Saison hatten wir nur zweimal ohne Gegentor gewonnen. Diese positive Entwicklung ist kein Zufall. Wir haben kontrolliert gespielt, wenig zugelassen und sind nach dem Platzverweis des BVB nicht wild geworden, sondern ruhig geblieben. Es war insgesamt eine reife Leistung.
In der Tabelle ist RWE auf Platz zwölf vorgerückt. Wie denken Sie über die Tabellensituation?
Wir tun gut daran, uns nicht jeden Tag damit zu beschäftigen. Das bringt uns nicht weiter. Nach den Spieltagen schauen wir aber natürlich mal auf die Tabelle. Wir denken, dass wir 45 Zähler für den Klassenverbleib brauchen. Die wollen wir so früh wie möglich auf dem Konto haben. Die 3. Liga bleibt eine enge Liga, in der sich schnell viel verändern kann. Wir haben uns jetzt aber eine gute Position erarbeitet und sind an viele Teams herangerückt. Unser Anspruch ist es, jetzt an die jüngsten Leistungen anzuknüpfen.
"Darf endlich mal positive Interviews geben"
Sie kamen im Sommer 2024 von Viktoria Köln und wurden direkt Kapitän. Hatten Sie Respekt davor – auch aufgrund des emotionalen Vereinsumfeldes?
Das würde ich nicht sagen. Ich habe mich über das Vertrauen einfach sehr gefreut. Weil es nicht selbstverständlich ist, einem Neuzugang direkt das Kapitänsamt zu übergeben. Insgesamt kann ich sagen, dass ich im Sommer nicht lange überlegen musste, als die Anfrage von RWE kam. Ich hatte mich bei Viktoria Köln zwar wohlgefühlt, aber ich wollte unbedingt die Chance nutzen, für Essen zu spielen. Direkt Kapitän zu werden, war großartig. Und dass ich jetzt nach dem Dortmund-Spiel auch mal positive Interviews geben darf, ist noch schöner! (lacht)
Das müssen Sie uns erklären.
Bisher war ich als Kapitän in den Post-Match Interviews immer dann gefragt, nachdem wir verloren oder zumindest keine gute Leistung gezeigt haben. Bei Siegen haben eher unsere Goalgetter die Fragen der Journalisten beantwortet. Ich habe mich diesmal sehr gefreut, mal nach einem Sieg ran zu dürfen.
Wie nehmen Sie den Verein wahr – auch im Vergleich zu Ihren vorherigen Stationen?
Rot-Weiss Essen ist ein großer Traditionsverein mit einer wahnsinnigen Wucht. Schon beim Einlaufen spüren wir Spieler das. Wenn das Stadion explodiert, führt das zu einer unbeschreiblichen Gänsehaut. In der Stadt nimmt RWE eine große Rolle ein, den Menschen ist der Klub sehr wichtig. Nicht bei vielen Vereinen wechseln sich Euphorie und Tristesse so schnell ab. Das gehört dazu, wenn die Aufmerksamkeit so groß ist. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, in so einem Verein zu spielen.
Am Sonntagabend hat RWE Ihren Ex-Klub SV Waldhof Mannheim zu Gast, der sich ebenfalls im Aufwind befindet. Was erwarten Sie für eine Partie?
Mannheim ist in einer ähnlichen Situation wie wir und befindet sich mitten im Abstiegskampf. Auch der SV Waldhof ist ein Traditionsklub mit positiv verrückten Fans. Letzteres weiß ich aus meinen vier Jahren dort noch sehr gut. Es wird ein emotionales Spiel unter Flutlicht gegen einen Gegner mit großer Qualität, der derzeit auch gut drauf ist.