SCP vor ganz großem Coup: Widerstandsfähiger als gedacht
Der SC Preußen Münster auf dem Weg in die 2. Liga: Das 4:1 über Saarbrücken war eine Demonstration von Stärke, von Wille, von Lust auf einen Erfolg, den so niemand kommen sah. Wer im Endspurt die Strippen zieht und warum sich beim SCP niemand zu früh freuen wird.
Historisches bahnt sich an
Zwischen völliger Ekstase, ungläubigem Staunen und vereinzelten Freudentränen war am Sonntagnachmittag im Münsteraner Preußenstadion die gesamte Klaviatur an Emotionen zu beobachten. Und als die Mannschaft des SC Preußen Münster sicherlich eine knappe Viertelstunde lang von Tribüne zu Tribüne marschiert war, sich mehr als ausgiebig für den erdrutschartigen 4:1-Erfolg über den 1. FC Saarbrücken feiern ließ, da nahm sich der eine oder andere nochmals einen Moment Zeit. Setzte sich auf die alten, krummen Stehtraversen in der Osttribüne und pustete einfach nur tief durch. Zwickte sich vielleicht auch einmal in den Arm. Konnte das wirklich sein? Hatten die Adlerträger, seit Jahrzehnten chronisch erfolglos in Momenten, in denen es drauf ankommt, gerade wirklich die Nerven bewahrt, das geschlossene Scheitern der Konkurrenz an jenem Wochenende ausgenutzt und einen riesigen Schritt in Richtung 2. Bundesliga gemacht? Ja!
Der SSV Ulm 1846 hat es schon geschafft, nun jagen die Preußen hinterher, etwas bislang Einmaliges in der Drittliga-Geschichte fest im Blick. Zwei direkte Aufstiegsränge, beide belegt von Liganeulingen im Durchmarsch-Modus – sollte es das jemals wieder geben? In der Saison 2023/24 ist es möglich. Weil sich Favoriten wie Sandhausen und Ingolstadt nie richtig wohlfühlten in dieser Rolle. Weil das potenzielle Schwergewicht Arminia Bielefeld, immerhin vor zwei Jahren noch Bundesligist, überhaupt nicht richtig in der Saison ankam, gezeichnet von einem massiven Umbruch. Und weil Dynamo Dresden und Jahn Regensburg, die zum Bergfest die 3. Liga gefühlt nach Belieben dominierten, beide in der Rückrunde das Siegen verlernten. Es ist so oder so ein Jahr, das in die Geschichtsbücher eingehen wird. Der Preußen-Aufstieg wäre das i-Tüpfelchen.
Beeindruckende Reaktion auf das Spitzenspiel-Zwischentief
Vor knapp drei Wochen sah die Welt in Westfalen noch anders aus. Bei der 1:3-Niederlage eben gegen Regensburg waren die Schwarz-Weiß-Grünen an einem rabenschwarzen Tag dominiert worden, beim folgenden 0:2 in Ulm schien doch schon klar: Die Saison ist herausragend, aber für den großen Wurf reicht es vielleicht doch nicht. Drei Spieltage und alle neun möglichen Punkte (11:4 Tore!) später ist man um eine Erkenntnis reicher, denn die Preußen sind widerstandsfähiger als gedacht. Mehr als das: Sie stellen die mit Abstand beste Offensive von 66 Toren und sind damit und mit gewaltiger Leidenschaft immer wieder in der Lage, die hin und wieder auftretenden Defensivprobleme auszumerzen. Wo Ulm einen Typen wie Johannes Reichert als Anführer in den Sturm stellt, weiß der SCP gleich eine ganze Achse (Schulze Niehues, Scherder, Mrowca, Lorenz) aufzubieten. Und sollte der verletzte Ingolstädter Jannik Mause (18 Treffer) im Endspurt noch von Münsters 17-Tore-Stürmern Malik Batmaz und Joel Grodowski überholt werden, würde Preußen gleich zwei Toptorjäger stellen – auch das dürfte ein Novum sein.
Doch nicht Grodowski, nicht Batmaz, sondern Marc Lorenz ist der Name, der in diesen Wochen über allem schwebt. Ein 35-jähriger Familienvater mit so viel Profi-Vergangenheit, der im Herbst der Karriere in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist, der als Kapitän schon im Vorjahr die Schlüsselfigur zur Drittliga-Rückkehr war und nach (verletzungsbedingten) Startproblemen auch jetzt wieder mit Herzblut als Anführer vorangeht. Seine Lust auf den Sportclub scheint grenzenlos, als der Klub mit dem Vertragsangebot zögerte und zunächst andere Spieler bevorzugte, wirkte Lorenz etwas gekränkt – und schöpfte daraus noch mehr Energie, was sieben (!) Scorerpunkte in den vergangenen zwei Spielen unterstreichen. Sein Verbleib sollte nun nur noch Formsache sein, und zwar ligaunabhängig, selbst wenn der berüchtigte linke Fuß nicht in jeder Woche solch beeindruckende Präzision abliefern wird wie zuletzt.
Eine letzte Skepsis bleibt
Neben den vielen Fans, die Preußen Münster in diesen Monaten neu dazugewinnt, sind da noch viele Skeptiker. Schlechte Erfahrungen in entscheidenden Momenten hat der SCP in diesem Jahrtausend schon viele gesammelt: 2022 misslang der Aufstieg in die 3. Liga, weil Münster beim SC Wiedenbrück am vorletzten Spieltag patzte. 2013, damals drittklassig, brachte ebenfalls das zweitletzte Spiel eine 0:3-Klatsche in Unterhaching und die Preußen purzelten nach einer überragenden Saison noch aus den Top 3 – ein Szenario, das zu 99,9 Prozent so in dieser Saison nicht passieren kann, weil die Relegation faktisch kaum mehr zu nehmen ist.
Doch vor den scheinbar machbaren, finalen Aufgaben in Verl (Sonntag, 16.30 Uhr) und daheim gegen Unterhaching am 18. Mai schwingt immer noch der Respekt mit. Auch wenn die Ausgangslage für Sascha Hildmann und sein Team komfortabler kaum sein könnte. Stolpert Jahn Regensburg am Samstag bei Viktoria Köln und siegen die Preußen vor gut 2.000 mitreisenden Fans an der wohl ausverkauften Poststraße, wäre der Coup schon perfekt – und Preußen Münster nach 33 Jahren wieder in der 2. Bundesliga.