Sechs Gründe für den Abstieg von Dynamo Dresden

Seit Sonntagnachmittag herrscht an der Lennéstraße in Dresden die traurige Gewissheit: Es geht wieder runter in die 3. Liga. Ein Szenario, das die Sachsen in den vier Spielzeiten zuvor noch erfolgreich abwenden konnten. liga3-online.de nennt sechs Gründe für den Abstieg von Dynamo Dresden.

Grund 1: Die schwache Offensive

Noch in der Aufstiegssaison 2016/17 überraschte Dynamo mit höchst ansehnlichem Offensivfußball, stellte nach Zweitliga-Meister VfB Stuttgart mit 53 erzielten Treffern sogar den zweitbesten Sturm der ganzen Liga und wirbelte in Person von Akaki Gogia, Erich Berko und insbesondere Topscorer Stefan Kutschke (16 Tore, vier Vorlagen) die Abwehrreihen der 2. Liga reihenweise durcheinander. In den beiden Folgespielzeiten lief es zwar nicht mehr ganz so rund, mit 42 Treffern 2017/18 respektive 41 Toren 2018/19 fand man sich aber zumindest im (unteren) Mittelfeld der Liga wieder. 

Erschreckend schwach präsentierte sich dagegen die Dresdner Offensive in dieser Saison: Mickrige 32 Tore in 34 Spielen, ein Trefferschnitt von also weniger als einem Tor pro Partie, und so die mit Abstand schlechteste Offensive der Liga sprechen eine deutliche Sprache. Nur zweimal schossen Dynamo mehr als zwei Tore in einem Spiel, 14 Mal stand zudem die Null. Wenn Dresden mal eines seiner insgesamt acht Spiele gewinnen konnte, so wurde es doch immer knapp am Ende: Nie gewannen die Sachsen ein Aufeinandertreffen mit mehr als einem Tor Unterschied. Bezeichnend ist außerdem auch, dass Winterabgang Moussa Koné trotz seiner nur 16 Einsätze mit sechs Toren und einer Vorlage zusammen mit Patrick Schmidt der Top-Torjäger ist. 

Grund 2: Personalpolitik und Transfers

Moussa Koné ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort: Mit insgesamt 16 Torbeteiligungen (neun Treffer, sieben Assists) reifte der Senegalese in der Saison 2018/19 zur absoluten Lebensversicherung für die SGD heran und hatte einen Löwenanteil am Klassenverbleib 2019. Sechs Tore und ein halbes Jahr später entschied man sich bei den Sachsen im Winter für einen Verkauf des Torjägers, der sich dem französischen Erstligisten Nîmes Olympique für kolportierte zwei Millionen Euro anschloss. Ein Transfer, der zwar aus wirtschaftlicher Sicht sinnig erschien, der die Dresdner jedoch – retrospektiv betrachtet – sportlich ins Mark treffen sollte. Zwar präsentierte man mit Simon Makienok, Patrick Schmidt sowie Godsway Donyoh gleich drei vielversprechende Neuzugänge für das Sturmzentrum. Den Spielertyp Koné sollten jedoch weder die Leihspieler Schmidt und Donyoh noch Fixzugang Makienok ersetzen können

16 Abgängen standen 13 externe Neuzugänge über die gesamte Saison gesehen gegenüber. Wichtige Stammkräfte der Vorsaison wie Koné, Markus Schubert, Erich Berko, Haris Duljevic, Dario Dumic und Sören Gonther verließen den Verein und konnten nur bedingt adäquat ersetzt werden. So präsentierten sich zwar Neuankömmlinge wie Kevin Broll, Chris Löwe, Patrick Schmidt oder auch René Klingenburg als Mannschaftssäulen und auch Youngster Kevin Ehlers legte eine mehr als passable Debüt-Saison in der Innenverteidigung der Profis hin. Insgesamt jedoch muss man konstatieren: Ein wirklich glückliches Händchen bewiesen die verantwortlichen Kaderplaner bei der SGD in dieser Saison nur selten.

Grund 3: Der enge Zeitplan durch Corona 

Natürlich hatten alle Bundesligisten wie auch die Drittligisten durch den Ausbruch der Corona-Pandemie ihr Päckchen zu tragen, mussten den strengen Hygienekonzepten nachkommen und sich der Doppelbelastung durch mehrere englische Wochen stellen, damit die Zeitpläne der DFL respektive des DFB eingehalten werden konnten. Doch was den Sachsen nach dem Corona-Restart blühen sollte, darf man getrost als Extremsituation und höchst unglückliches Worts-Case-Szenario einordnen. In Vorbereitung auf den Neuanfang nach dem Ausbruch des Virus wurden im Rahmen der Testungen gleich mehrfach positive Corona-Fälle bei der SGD bekannt, in Folge derer die Mannschaft in zweiwöchige Quarantäne und die verpassten Begegnungen gegen Hannover 96, Greuther Fürth und Arminia Bielefeld im ohnehin vollgepackten Juni nachholen musste.

Binnen 28 Tagen musste Dynamo Dresden so satte neun Spiele austragen – im Schnitt also jeden dritten Tag ein Spiel. Ein Umstand und eine Entscheidung der DFL, die nicht nur für Kopfschütteln, sondern auch für emotionale Wutausbrüche von Spielern wie etwa Chris Löwe sorgte. Ein Faktor, den aber zuletzt auch Spieler wie Marco Hartmann nicht als Grund für den Abstieg vorschieben wollten, der jedoch sicherlich die ohnehin schwierige sportliche Lage für die Dresdner nicht vereinfacht haben dürfte, wie auch Chefcoach Markus Kauczisnki zuletzt gegenüber "Tag24" durchblicken ließ: "Wir hatten wenig Zeit für die Spiele, für Vor- und Nachbereitung. Das Hauptproblem war, dass uns durch den späteren Start die Grundlagen im Gegensatz zu den anderen gefehlt haben. Das haben wir zum Beispiel auch an den Laufwerten gesehen.“

Grund 4: Die Mannschaft war keine Einheit

Eine der Tugenden, welche die Landeshaupstädter vor allem in der Aufstiegssaison 2016/17 so stark gemacht hatte, war der große Zusammenhalt in der Truppe und die unbedingte Bereitschaft, zu jederzeit für den Nebenmann einzuspringen. Doch dieses Gefühl von Festigkeit und Stabilität, der Eindruck, dass die Mannschaft als Einheit auf dem Platz auftritt: Es blitzte nur allzu selten auf in dieser Spielzeit, wie etwa beim 3:2-Auswärtssieg gegen Mitabsteiger SV Wehen Wiesbaden.

"Wir haben es als Mannschaft in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht geschafft, wirklich eine Mannschaft zu sein", zitierte zuletzt die "Bild" Innenverteidiger Marco Hartmann, der gegenüber "Tag24" noch weiter ausführte: "Damit meine ich das, was auf dem Spielfeld passiert. Da muss man füreinander da sein, bedingungslos. Da gab es einfach über die ganze Zeit hinweg immer wieder Probleme." Aussagen, die gerade im Hinblick auf die Motivation und das Selbstverständnis der Mannschaft tief blicken lassen.

Grund 5: Fehlende Kontinuität auf der Trainerbank

So manch ein Dresdner Sympathisant wird nicht nur aufgrund der tabellarischen Lage und des Aufstiegs neidisch in das Lager von Zweitliga-Meister Arminia Bielefeld blicken. Mit Cheftrainer Uwe Neuhaus sitzt dort seit Dezember 2018 auch jener Übungsleiter auf der Bank, der bei Dynamo wohl als das letzte positive Beispiel für Kontinuität stehen dürfte. Immerhin drei Jahre lang coachte der gebürtige Hattinger zwischen 2015 und 2018 an der Seitenlinie der Sachsen, führte diese 2016 zum Aufstieg in die 2. Bundesliga und sorgte mit seiner Spielphilosophie und Entwicklung des Teams für eine gewisse Beständigkeit.

Doch nach der Entlassung des 60-jährigen Fußballlehrers verfielen die Sachsen wieder in alte Muster, auf Neuhaus folgte Maik Walpurgis, dem man nach 166 Tagen jedoch das Amt als Chefcoach wieder entzog. Nach ihm sollte es die zwischenzeitliche Interimslösung Christian Fiel richten, für den nach 28 Pflichtspielen jedoch auch Schluss war, ehe man sich für den jetzigen Fußballlehrer Markus Kauczinski entschied. "Du hast in den letzten zweieinhalb Jahren viele Strukturen, viele Hierarchien durcheinander geworfen", kritisierte dementsprechend auch Hartmann gegenüber "Tag24" und monierte: "Du hast nicht das gefunden, worauf du gesetzt hast, eine gewisse Überzeugung." 

Grund 6: Fehlende Spielphilosophie

Dieses Problem sei aber nicht nur auf das fluktuierende Trainerpersonal zurückzuführen gewesen, welches aber selbstverständlich auch immer wieder eine ganz eigene Spielphilosophie mit sich bringt. Das Kernproblem, so Hartmann weiter, sei vielmehr gewesen, dass man es nicht geschafft habe, "eine eigene Idee von Fußball zu entwickeln." Man habe viel zu oft zwischen "Hauruck-Fußball mit hinten drin stehen" und "Tiki-taka nach vorne" hin-und hergewechselt, jedoch nie wirklich zum eigenen Stil gefunden. "Im Endeffekt war alles erfolglos, weil wir es nicht geschafft haben, alle davon zu überzeugen, daran zu glauben und den richtigen Weg zu finden", lautet daher auch die schonungslos ehrliche Analyse von Hartmann. 

Nun folgt mit dem zweiten Abstieg in die seit 2008 bestehende 3. Liga also die Quittung für eine über weite Strecken verkorkste Spielzeit 2019/20, in der die Dresdner sicherlich nicht auf alle, wohl aber auf einen Großteil der negativen Entwicklungen selbst Einfluss nehmen konnten, sodass auch Hartmann letztlich von einem "verdienten Abstieg" sprach, "bei dem man aufpassen muss, intern nichts zu beschönigen, denn es sind sehr viele Dinge schiefgelaufen." Es gilt nach dem Abstieg in jedem Fall, viele Dinge aufzuarbeiten und viele Versäumnisse der vergangenen Jahre wieder aufzuholen.

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button