Solidarfonds: Warum Neid nichts bringt, aber verständlich ist

Der 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig steigen in die 3. Liga ab. Fortan steht ihnen nur noch ein Zehntel der ursprünglichen TV-Einnahmen zur Verfügung, auch Sponsoren- und Ticketeinnahmen werden zurückgehen. Ein Solidarfonds der Zweitligisten soll helfen, den Sturz abzumildern – und die Entrüstung ist in der 3. Liga gewaltig. Ein Kommentar.

Keine gleichen Voraussetzungen für die 20 Wettbewerber

1,1 Millionen Euro mehr haben FCK als auch BTSV im Sommer zur Verfügung, vergleicht man die beiden Absteiger mit drittliga-etablierten Klubs wie dem VfR Aalen, Preußen Münster oder Sonnenhof Großaspach. Rund 500.000 Euro stammen aus einem Rettungsfallschirm, den es von der DFL so bereits seit einigen Jahren gibt und der zweckgebunden für die Jugendarbeit vorgesehen ist. Die andere Summe ist das Ergebnis eines bislang einmaligen gemeinschaftlichen Paktes aller Zweitligisten, der im Zuge des Wahnsinns-Abstiegskampfes im Frühjahr 2018 getroffen wurde. Insgesamt 600.000 Euro bekommen die Absteiger nun zu gleichen Anteilen von Vereinen wie Fortuna Düsseldorf, dem VfL Bochum oder dem FC St. Pauli überwiesen. Die Reaktionen auf unserer Seite darauf waren deutlich, und sie waren eindeutig. Wettbewerbsverzerrung! Belohnung fürs Absteigen! Unfair! Verarsche! Auch viele Vereine übten deutliche Kritik.

Das Gefühl der Benachteiligung war vielen Fans anderer Vereine nicht abzusprechen, gerade jenen, die erst kürzlich mit Hängen und Würgen durch das Zulassungsverfahren geschlittert sind und einen ähnlich hohen Betrag mit Kusshand aufgenommen hätten. Es fühlt sich für diese Fans nicht mehr danach an, als würden alle Drittligisten mit gleichen Voraussetzungen in die neue Spielzeit gehen. Als hätte das gute alte Pferderennen auf der Kirmes seine bekannten Gäule vor einer neuen Runde auf Start gesetzt – und die Neuankömmlinge aus der höheren Klasse zwei Stufen weiter nach vorne. Moniert wird, dass sich auch durch einen solchen Fonds die Schere zwischen Zweit- und Drittligisten weiter vergrößert. Dass den namhaften Absteigern der Wiederaufstieg damit erleichtert werden soll, während die Konkurrenz, die teils seit Jahren mit immer stumpferen Waffen auf das Entkommen aus der Pleiteliga hofft, in die Röhre guckt.

Die Konsequenzen des Abstiegs sind weitreichend

Falsch sind diese Gedanken nicht, aber sie entsprechen nur der halben Wahrheit. Denn wer meint, dass sich Eintracht Braunschweig und der 1. FC Kaiserslautern von diesen 1,2 Millionen Euro nun vier, fünf Zweitliga-Profis eintüten und das Geld überhaupt direkt in den Kader stecken, der dürfte sich täuschen. Sind es doch meist nicht die Spieler, die absteigende Vereine vor ernsthafte wirtschaftliche Probleme stellen, sondern das Umfeld. Das Stadion, das für die 3. Liga teils überdimensioniert ist und zum Millionengrab wird. Die Geschäftsstelle, auf der Mitarbeiter tagtäglich hoffen und bangen, dass der sportliche Misserfolg nicht über die persönliche berufliche Zukunft entscheidet. Oder das Nachwuchsleistungszentrum mit seinen zig Mannschaften vom Grundschul- bis zum jungen Erwachsenenalter, das nicht auf Knopfdruck mit deutlich reduziertem Etat weitergeführt werden kann. Sowohl Braunschweig als auch Kaiserslautern haben exzellente Ausbildungsstätten, die von DFB und DFL mit drei Sternen zertifiziert wurden. Sie stehen für die Zukunft des deutschen Fußballs.

Wenige Beispiele zeigen bereits, wie groß der Anhänger ist, den ein Fußballclub nach dem Abstieg hinter sich herziehen muss. Der Spagat zwischen nötigen Einsparungsmaßnahmen und menschlichen Härtefällen ist gerade bei den Mitarbeitern hinter den Kulissen groß. Diese 1,2 Millionen Euro können und sollten dazu beitragen, dass kein Verein eine Entlassungswelle vornehmen muss und sich dennoch nicht in den Ruin treibt. Er soll, wie es DFL-Vizepräsident Helmut Hack beschreibt, den brutalen Sturz abfedern. Der FSV Frankfurt und beinahe der SC Paderborn hatten 2017 in erschreckender Art und Weise als Exempel dafür gedient, wie fix man sportlich durchgereicht werden kann – und gleichzeitig finanziell kollabiert. Umso löblicher ist der gemeinschaftliche Gedanke der Zweitligisten, der hinter dem Solidarfonds steckt. Selbst diejenigen, die mit dem Abstiegskampf nichts zu tun hatten und dennoch nicht auf Rosen gebettet sind, zahlten ein. Holstein Kiel etwa, Arminia Bielefeld oder der SV Sandhausen. Die geschlossene Geste ist bemerkenswert.

Der 3. Liga fehlt der Anschluss an den nationalen TV-Vertrag

Was der 3. Liga derweil übrig bleibt, ist, den Finger bei DFB und DFL erneut in die Wunde zu legen. Es kann nicht sein, dass in der 2. Bundesliga das Zehnfache an TV-Geldern gezahlt wird – wohlgemerkt in einer Spielklasse, an die sich die 3. Liga ab der neuen Spielzeit nominell so nah wie noch nie annähern wird. Die Hoffnung auf positive Veränderungen bleibt aber verschwindend gering. Solange sich die zweite Liga unter dem Dach der DFL behütet weiß, wird sie finanziell von den großen deutschen Zugpferden aus der Bundesliga profitieren, mit denen sie sich den milliardenschweren TV-Vertrag teilt. Dass Duelle wie Sandhausen gegen Heidenheim keine saisonale Entlohnung im zweistelligen Millionenbereich rechtfertigen, versteht sich von selbst.

Vielleicht lohnt sich für die, die den Absteigern ihre zusätzlichen 600.000 Euro noch immer nicht so recht gönnen wollen und von Rettungsschirmen in Form von Geldbündeln ohnehin nicht viel halten, ein Blick nach Großbritannien. Dort ist der AFC Sunderland binnen zwei Spielzeiten von der Premier League in die drittklassige League One abgestürzt. Die sogenannten Fallschirm-Zahlungen beim Erstliga-Abstieg sind dort im Regelwerk fest verankert und gelten in jedem Fall für die jeweils kommenden drei Jahre. Heißt im Fall des AFC Sunderland: Er erhält in diesen Tagen 28,5 (!) Millionen Euro als Geldreserve vom Verband – und darf mit diesen Mitteln den Wiederaufstieg im Jahr 2019 angehen. Noch Fragen?

   

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