"Sportgerichturteile immer absurder": Aue kritisiert den DFB

In der Diskussion um die vom DFB ausgesprochenen Geldstrafen gegen die Vereine aufgrund des unsportlichen Verhaltens der Fans hat sich nun auch der FC Erzgebirge Aue zu Wort gemeldet – und deutliche Kritik geübt.

Entscheidungen "manchmal realitätsfremd"

146.410 Euro! Diese Summe musste Erzgebirge Aue in der vergangenen Saison für Verfehlungen seiner Fans an den DFB zahlen – und damit so viel wie kein anderer Drittligist. In der laufenden Saison waren es bislang 22.800 Euro. Erst in der vergangenen Woche war es in Frankfurt zu einer mündlichen Verhandlung gekommen, nachdem die Veilchen Einspruch gegen eine Geldstrafe eingelegt hatten. "Dass Entscheidungen in Frankfurt am Main manchmal realitätsfremd erscheinen, ist kein Geheimnis. Doch in den vergangenen eineinhalb Jahren wurden Sportgerichturteile immer absurder", sagt Vorstandsmitglied Jörg Püschmann in einem Interview auf der Vereinshomepage. Vor allem die fehlende Differenzierung der Fehlverhalten ist den Veilchen ein Dorn im Auge: Es sei zwar richtig, Angriffe auf körperliche Unversehrtheit zu sanktionieren, zum Beispiel wenn eine Rakete in andere Zuschauerbereiche geschossen werde. "Dann allerdings ein nicht beleidigendes Spruchband oder ironische Zuschauerrufe mit dem gleichen Strafmaß zu belegen, verursacht einfach nur Kopfschütteln. Die Rakete gehört sanktioniert, das Spruchband nicht."

Wie die Stimmung im Moment aussieht, würden die wöchentlichen Proteste gegen die Investoren in der DFL zeigen. Da bleibe abzuwarten, wie das Verbandsgericht entscheidet. "Laut Strafenkatalog kostet jeder Tennisball in der 3.Liga 300 Euro plus 25 Prozent Aufschlag bei Spielunterbrechungen. Bei 100 Tennisbällen kann sich jeder ausrechnen, welche Strafen den Vereinen drohen. Wenn das rigoros durchgesetzt werden soll, wird der Keil zwischen Fans und DFB noch größer. Zumal die Proteste dadurch sicher nicht aufhören", befürchtet Püschmann.

FCE "fehlt jegliches Verständnis"

Gleichwohl dürften rote Linien nicht überschritten werden, etwa Sachbeschädigungen oder die Zerstörung ganzer Toilettenanlagen. Aues Vorstandsmitglied spricht hierbei von einem "absoluten No Go". Dasselbe gelte für Gewaltakte jeglicher Art und fliegende Pyrotechnik. "Gleichzeitig haben wir als Vorstand eine Verantwortung dafür, unsere Fans und den Verein vor lebensfremden Sanktionen, Sippenhaft und Kriminalisierung zu schützen. Wir brauchen untereinander ein klares Übereinkommen, was geht und insbesondere was nicht geht." Dem FCE fehle "jegliches Verständnis für den moralischen Zeigefinger mitsamt einer strittigen Interpretation durch den Verband. Mit diesem Unmut sind wir nicht allein." Insgesamt fehle das Augenmaß. Hinzu komme die Intransparenz. "Wie kommen die ausgesprochenen Strafen zustande, was passiert wirklich mit den Geldern? DFB und DFL haben inzwischen in weiten Teilen der bundesweiten Fanszenen jegliches Vertrauen verspielt", bemängelt Püschmann, wenngleich die Berechnung der Strafen für jeden zugänglich auf der DFB-Homepage veröffentlicht wird und die Gelder in gemeinnützige Zwecke fließen.

Weiter heißt es: "Vom Verband werden Strafen erlassen, die für die Vereine existenziell bedrohlich sind. Zum Beispiel beim Thema Diskriminierung. Ob etwas als diskriminierend empfunden wird, entscheidet nicht etwa der Betroffene, ein Gesetz oder oder ein ordentliches Gericht, sondern der Kontrollausschuss. Gern ohne plausible Begründung." Vereine würden zudem allzu oft allein gelassen mit den gesellschaftlichen Problemen. Wie sie gelöst werden sollen vor Ort, interessiere nicht. "Es gibt einfach Strafen. Im Wiederholungsfall: noch mehr Strafe. Vielleicht haben die Verantwortlichen an den Schaltknüppeln schlicht vergessen, dass der Fußball mit vollen Stadien, Stimmung und Choreografien von den Fans, den Sportlern, den Vereinen lebt. Nicht von Funktionären. Wir brauchen wieder vernünftige Umgangsformen, eine Streitkultur auf Augenhöhe und kein die da Oben und die da Unten", fordert Püschmann.

"DFB entfernt sich von der Basis"

Vorstandskollege Thomas Schlesinger ergänzt: "Dort, wo rechts- oder linksextreme Gedanken, wo Gewalt, wo Sachbeschädigung und fliegende Pyrogegenstände auf Rasen oder Tribünenblöcke unter dem Deckmantel und mit Bezug zum FCE passieren, werden wir ganz klar einschreiten." Im Zweifel mit Stadionverbot und Ausschluss aus dem Verein, um zukünftigen Schaden zu vermeiden. "Aber wenn wir zu dem Schluss kommen, dass Strafen weder transparent noch angemessen ausgesprochen werden, wenn keinerlei Differenzierung mehr erfolgt, wenn nicht mehr erkennbar ist, dass die Vereine auf Augenhöhe mit dem DFB diskutieren können, dann haben wir selbstverständlich auch zu reagieren. Von Meinungsfreiheit wollen wir da noch gar nicht sprechen."

Nach Auffassung der Veilchen entferne sich der DFB immer mehr von der Basis und "scheint es nicht zu merken. Es wird Zeit, dass man Veränderungen einfordert. Es werden zwar ganz dicke Bretter zu bohren sein, aber es geht immer noch um Fußball, der von unseren Sportlern und unseren Vereinen organisiert wird und nicht um eine Dachorganisation, die mit der Bestrafung der Basis ein Geschäftsmodell entwickelt hat, welches allein aus demokratischer Sicht auf den Prüfstand gehört."

   

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