Stolperstart: Warum der VfL Osnabrück nicht in Fahrt kommt
Es gab schon deutlich ruhigere Saisonauftakte an der Bremer Brücke: Der VfL Osnabrück ist seit sechs Spielen sieglos, musste zuletzt notgedrungen den Trainer wechseln und hat auch unter dem Neuen – Tobias Schweinsteiger – keinen sofortigen Erfolg. Wo liegen die Ursachen und wo das restliche Potenzial für die Saison? Eine Teamanalyse.
Das eine Problem gibt es nicht
Infolge spektakulärer Spiele lässt sich oft konstatieren, dass aus ihm nur Gewinner hervorgehen – und zuvorderst der Fußballsport an sich. Das mochte nach dem 4:3 des VfB Oldenburg über den VfL am Samstag auch zutreffen, doch die Lila-Weißen schlichen völlig bedient vom Rasen. Wie konnten sie beim Aufsteiger die 3:1-Führung, hervorragend gekontert nach einem frühen Rückstand, noch verspielen? Fünf Tore hatten die Oldenburger in den ersten 540 Saisonminuten doch nur erzielt, gegen die Wackel-Defensive der Schweinsteiger-Elf waren es vier in 72 Minuten. Herbeigeführt durch individuelle Fehler, mangelhaftes Verteidigen von ruhenden Bällen und in zwei Fällen auch schlichte Überforderung durch schnelle Kombinationen des niedersächsischen Rivalen.
Ob Manuel Haas, Timo Beermann oder Maxwell Gyamfi und nicht zuletzt Torwart Philipp Kühn: Junge wie erfahrene Akteure ließen sich gleichermaßen leicht überwinden. "Wir müssen von der Mentalität her beim Verteidigen besser werden", kritisierte Schweinsteiger nach Spielende, "da gibt es nichts schönzureden." Noch fällt die Defensivleistung in die Kategorie Ausrutscher, bis dato war der Abwehrverbund das kleinere Übel der noch jungen Saison. Gyamfi hatte sich mit auffälligen Leistungen einen Startelfplatz gesichert, Haas sich hinten links vor den in der Vorsaison unangefochtenen Florian Kleinhansl geschoben. Trotz des überraschenden Abgangs von Maurice Trapp (Mainz II) wirkt die junge Abwehrkette, das Oldenburg-Spiel ausgenommen, auf Drittliga-Höhe und kann sich allen voran durch den hoch verteidigenden Omar Traore auf dem rechten Flügel auch in die Offensivbewegung einschalten. Fehlt allerdings der auch in Oldenburg angeschlagen ausgewechselte, zuletzt von einigen Verletzungen gebeutelte Timo Beermann (31), fehlt ihr Erfahrung.
Tesche braucht verlässliche Unterstützung
Schweinsteiger hatte in Oldenburg auf das schon unter dem nach Bielefeld abgewanderten Vorgänger Daniel Scherning lange bewährte 4-3-3 gesetzt. Ein Prunkstück war im Vorjahr das Mittelfeld, in dem der schmerzlich vermisste Sebastian Klaas unter anderem mit Robert Tesche ersetzt wurde. Tesche (35) ist als beruhigendes Element im eigenen Ballbesitz gefragt und ist bis dato einer der solideren Spieler – was anhand seiner Vita so auch zu erwarten war. Bei anderen, exemplarisch steht Sven Köhler, wechseln sich Licht und Schatten: Köhler kann wuchtige Traumtore erzielen und genauso Probleme kriegen, das Zentrum zu schließen, wobei Routinier Tesche zwingend einen lauf- und zweikampfstarken Gegenpart braucht. Lukas Kunze kommt nicht an die Form heran, die ihm im Juni angeblich ein 500.000-Euro-Angebot aus Belgien beschert haben soll. Paterson Chato wird seinem Ruf als Defensivspezialist nicht dauerhaft gerecht und hat Schwächen in der Ballverteilung, das Experiment mit Flügelstürmer Leandro Putaro, der aufgrund von Tempodefiziten zuletzt auf die Acht rückte, ging auch schief. Taktisch kann Schweinsteiger mit dem Potenzial all dieser Spieler sicherlich arbeiten, doch dafür braucht es bei fast allen stabilere Auftritte.
Bleibt die Offensive – und auch sie ist ein Fragezeichen. Unbestritten ist die theoretische Qualität etwa eines allerdings schon 36-jährigen Marc Heiders, der als Kapitän vorangeht, der aber erst bei einem Tor (keine Vorlage) steht. Pech für Heider: Ein reguläres wurde ihm in Oldenburg aberkannt. Dennoch ist die Sturmspitze ein Problem, sobald Heider seinen Zenit erreicht: Regionalliga-Torjäger Erik Engelhardt hat seine Abschlussstärke aus Cottbus an der Bremer Brücke noch nicht anwenden können, weitere Alternativen sind rar. Bei Flügelspieler Ba-Muaka Simakala ist die Wechselhaftigkeit längst eingepreist, mal ist es der Doppelpack, mal funktioniert nichts – zuletzt aber tat er sich als Linksaußen mit Torgefahr hervor. Simakala und sein neuer Partner Noel Niemann, der wenige Tage nach dem Wechsel von Arminia Bielefeld sofort in der Startelf stand und viel Unruhe stiftete, sind die Hoffnungsträger: Sie machen einen zuweilen zu ausrechenbaren, kompliziert spielenden VfL schwerer kontrollierbar, suchen das direkte Duell und haben die nötige Technik dafür, das bittere Fehlen Aaron Opokus allmählich vergessen zu machen.
Wie geht das Umfeld mit dem VfL um?
Sechs Spiele ohne Sieg nagen an den Nerven eines Vereins, der sich immer mit der Erwartungshaltung konfrontiert sieht, im oberen Drittel mitmischen zu können. Dieses ist bis auf weiteres ein gutes Stück entfernt, und speziell die Leistungen gegen die Neulinge Oldenburg und Bayreuth (0:1) werfen Fragen auf, ob diese Mannschaft tatsächlich für mehr gemacht ist als das solide Mittelfeld. Dieses aber, das steht außer Frage, muss Schweinsteiger bald anstreben. Und dafür nicht nur die sportliche Baustelle schließen, sondern auch das vom frühen Trainerwechsel spürbar gehandicapte Team rasch hinter sich bringen. Schließlich ist da noch das Publikum, das zusehends unruhiger wird – noch hält sich die Kritik im Rahmen, aber eine rundum gute, ausbalancierte Leistung darf es nach schwierigen Wochen nun sein.
Am Freitag wartet das Flutlichtduell daheim gegen Rot-Weiss Essen. Ein "Brückenabend", seit vielen Jahren eine Spezialität des VfL. Essen ist seinerseits nach ebenfalls sechs erfolglosen Anläufen in die Spur gekommen, ist individuell nicht schlechter besetzt. Das Publikum darf mit Recht eine Willensleistung fordern, um den Sturz auf einen Abstiegsplatz zu verhindern. Gerechtfertigt wäre dieser, nimmt man die bisherigen Leistungen trotz aller Defizite, nämlich nicht – aber wann ist die 3. Liga schon gerecht?