Strittige Szenen am 11. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Zwickau, Erfurt und Jena, die Strafstöße für Paderborn und Münster, ein Foul an Strohdiek, das Handspiel und der Schubser von Koczor, das 3:1 für Wiesbaden und ein nicht ausgesprochener Platzverweis gegen Wannenwetsch. Am 11. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn strittige Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]
Szene 1: Nach einem Kontakt von Christian Strohdiek (SC Paderborn) geht Ronny König (FSV Zwickau) im Strafraum zu Boden, Schiedsrichter Nicolas Winter lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht gut und sieht den Vorgang genau. Sicherlich trifft Strohdiek seinen Zwickauer Ggegenspieler im eigenen Strafraum am Fuß, dieser Kontakt ist aber kein Foulspiel und kein Grund, derartig zu Fall zu kommen. Die Entscheidung, weiterspielen zu lassen, ist somit richtig.
Szene 2: Im Mittelfeld kommt es zu einem Zweikampf zwischen Ronny König (FSV Zwickau) und Christian Strohdiek (SC Paderborn), der Paderborner bleibt dabei liegen. Zwickau spielt weiter, Sven Michel (SC Paderborn) weiß sich nur mit einem Foul zu helfen, um die Partie zu unterbrechen. Aus dem daraus folgenden Freistoß entsteht das 1:1. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]
Babak Rafati: In dieser Szene wäre es besser gewesen, wenn der Schiedsrichter – als der Ball kurz vor dem verletzten Spieler liegt – das Spiel unterbrochen hätte. Es war genug Zeit vergangen, zudem wäre die Unterbrechung im Mittelfeld geschehen, sodass kein Angriff unterbunden worden wäre. Am Ende ist es dem Schiedsrichter vorbehalten, wenn er eine ernsthafte Verletzung erkennt, das Spiel zu unterbrechen.
Szene 3: Sven Michel (SC Paderborn) geht nach einer Grätsche von Morris Schröter (FSV Zwickau) im Strafraum zu Fall, Winter zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 5:35]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat freie Sicht und kann die Szene gut bewerten. Schröter spitzelt zwar im eigenen Strafraum leicht den Ball weg, trifft seinen Gegenspieler anschließend jedoch am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Wenn dieses Abräumen nicht stattgefunden hätte, wäre Michel in einer aussichtsreichen Situation gewesen zumal der Ball auch nicht richtig geklärt war. Eine richtige Entscheidung, auf Strafstoß zu entscheiden.
Szene 4: Nach einem Kontakt von René Lange (FSV Zwickau) geht Marlon Ritter (SC Paderborn) im Strafraum zu Fall, erneut zeigt der Schiedsrichter auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 7:35]
Babak Rafati: Erneut steht der Schiedsrichter gut und entscheidet auf Strafstoß. Ritter will im Zwickauer Strafraum an Lange vorbei, dieser trifft ihn jedoch und hindert ihn am Weiterlaufen. Eine richtige Entscheidung, dieses strafstoßwürdige Vergehen zu ahnden.
Szene 5: Bei einem Duell um den Ball bekommt Firat Sucsuz (Carl Zeiss Jena) von Björn Rother (1. FC Magdeburg) einen Schlag auf den Fuß, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Frank Willenborg nicht. [TV-Bilder – ab Minute 9:15]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion im Strafraum von Magdeburg spielt Rother deutlich und erkennbar den Ball – gut zu sehen an der Richtungsänderung des Balles. Danach treffen sich vielleicht auch die Füße beider Spieler, was aber als Pressschlag zu bewerten ist und dadurch keine Relevanz findet. Rother hat ganz sauber den Ball gespielt, somit ist die Entscheidung, weiterspielen zu lassen, richtig,
Szene 6: Nach einer Hereingabe kommt Raphael Koczor (Jena) aus dem Tor und spielt den Ball außerhalb des Strafraums mit der Hand. Im anschließenden Wortgefecht schubst er Christian Beck (Magdeburg). Geahndet wird die Aktion nicht. [TV-Bilder – ab Minute 10:40]
Babak Rafati: Zunächst liegt bei der Rettungsaktion von Koczor kein absichtliches Handspiel vor, denn Beck schießt ihm den Ball aus kurzer Distanz an die Hand, zudem setzt der Torhüter den Arm nicht zur Vergrößerung der Körperfläche ein. Hier weiterspielen zu lassen, ist korrekt.
Im anschließenden Wortgefecht schubst Koczor seinen Gegenspieler zu Boden. Da der Ball im Spiel und das Spiel nicht unterbrochen ist, hätte es für diese Unsportlichkeit einen Strafstoß für Magdeburg und die gelbe Karte gegen den Torhüter geben müssen. Bei solchen Szenen ist es immer ratsam, die Streithähne im Blick zu behalten. Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters.
Szene 7: Dominik Nothnagel (Wehen Wiesbaden) bringt Elias Huth (Rot-Weiß Erfurt) in einem Laufduell im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Sven Waschitzki lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:46:35]
Babak Rafati: Bei diesem Laufduell verhält sich Nothnagel im eigenen Strafraum fair und macht überhaupt keine Anstalten seinen Gegenspieler regelwidrig zu stoppen. Es kommt zwar zu einem Kontakt, der ist aber fußballtypisch und wird vom Erfurter Gegenspieler als Anlass genommen, zu Fall zu kommen. Dieser Kontakt reicht für einen Strafstoß nicht aus. Eine richtige Entscheidung, diesen Zweikampf weiterlaufen zu lassen und anschließend auf Abstoß zu entscheiden.
Szene 8: Nach einem Kopfball von Patrick Breitkreuz (Wehen Wiesbaden) ist Agyemang Diawusie (Wehen Wiesbaden) frei durch und bereitet das 3:1 vor. Erfurt reklamiert, dass Diawusie beim Kopfball im Abseits stand, der Treffer zählt dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 5:45]
Babak Rafati: Dadurch, dass der Assistent nicht auf der richtigen Höhe steht, sondern etwas weiter vorne (was man an den Rasenmarkierungen gut erkennen kann), entgeht ihm die Abseitsstellung von Diawusie. In der Folge wird Tor fälschlicherweise anerkannt. Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns.
Szene 9: Tobias Rühle (Preußen Münster) geht nach einem leichten Kontakt von VfL-Keeper Marius Gersbeck zu Boden. Elfmeter, sagt Schiedsrichter Sven Jablonski. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]
Babak Rafati: Gersbeck kommt aus seinem Tor herausgeeilt, wirft sich vor dem heranstürmenden Münsteraner auf den Boden und trifft ihn deutlich mit dem Oberkörper, sodass dieser zu Boden geht. Ein klassisches Abräumen. Ein Strafstoß, der vom Schiedsrichter vollkommen richtig bewertet wird.
Szene 10: Für ein taktisches Foul im Mittelfeld an Sebastian Vasiliadis (VfR Aalen) erhält der bereits verwarnte Stefan Wannenwetsch (Hansa Rostock) von Schiedsrichter Marcel Schütz nur eine Ermahnung und nicht die gelb-rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 32:00]
Babak Rafati: Das ist ein taktisches Foulspiel. Es ist zudem womöglich etwas Frust dabei, dass der Zweikampf unmittelbar zuvor nicht für die eigene Mannschaft gepfiffen wurde. Hier hat Wannenwetsch Glück, dass er nur eine Ermahnung erhält. Sicherlich kommt hinzu, dass der Schiedsrichter zu so einem frühen Zeitpunkt keinen Spieler vom Platz stellen wollte. Eine Fehlentscheidung, nur eine Ermahnung auszusprechen. Es hätte eine gelb-rote Karte geben müssen.