Strittige Szenen am 11. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 für Rostock, der nicht gegebene Elfmeter für Halle und der Platzverweis gegen Luca Pfeiffer. Am 11. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de drei Szenen genauer angeschaut. Außerdem nahm er zwei Szenen aus dem Nachholspiel zwischen Duisburg und Meppen unter die Lupe.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Willi Evseev (SV Meppen) und Schiedsrichter Tobias Schultes prallen in der Rostocker Hälfte zusammen, das Spiel läuft weiter. Und aus dem Konter fällt das 1:0 für Rostock. [TV-Bilder – ab Minute 24:35]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht schon in der Entwicklung etwas zu zentral im Geschehen, statt sich vorausschauend aus diesem Bereich zurückzuziehen, um nicht im Weg zu stehen. Das tut er schließlich doch, prallt mit Evseev zusammen und hindert ihn dadurch entscheidend zum Ball zu gehen. Beide kommen schließlich zu Fall. Der anschließende Treffer für Rostock ist regulär, aber natürlich mehr als unglücklich und sehr ärgerlich für Meppen. 

 

Szene 2: Einen Schuss lässt Zwickau Keeper Johannes Brinkies nur abprallen. Patrick Göbel (Hallesche FC) geht zum Ball und im anschließenden Duell mit René Lange (FSV Zwickau) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Harm Osmers. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:20]

Babak Rafati: Nach der Abwehrparade des Zwickauer Torhüters setzt Göbel nach, will zum Kopfball ansetzen und springt zum Ball. Dabei kommt Lange hinzu und will das Spielgerät klären, sieht jedoch, dass Göbel früher an den Ball kommt und zieht reflexartig zurück. Göbel geht schließlich halbherzig zum Ball, wird aber keineswegs vom Gegenspieler getroffen. Eine richtige Entscheidung, das Spiel weiterlaufen zu lassen, da kein Kontakt und somit kein Foulspiel vorliegt.

 

Szene 3: Nach einem Zweikampf mit Tim Rieder (1860 München) sieht Luca Pfeiffer (Würzburg) von Schiedsrichter Dr. Robert Kampka Gelb-Rot. Zum einen für ein Foul, zum anderen, weil er seinem Gegenspieler ins Gesicht gefasst haben soll. [TV-Bilder – ab Minute 1:51:10]

Babak Rafati: Nach einem Foulspiel von Pfeiffer gegen Rieder sieht Pfeiffer für diese Aktion völlig zurecht die gelbe Karte. Rieder steht auf, geht auf Pfeiffer zu, schubst ihn und zeigt damit sein Unmut über diese Aktion. Für diese Aktion gibt es berechtigterweise auch die gelbe Karte.

Pfeiffer will sich eher wehren und nimmt die Hand zu Hilfe. Dabei wird er Rieder minimal berührt haben. Rieder fasst sich ins Gesicht und kommt etwas zeitversetzt und spektakulär zu Fall. Diese mögliche und minimale Berührung wird aber ganz gewiss nicht im Gesicht gewesen sein. Für diese Aktion, die ich Schauspielerei nennen würde, sieht Pfeiffer in der Folge die gelb-rote Karte, weil der Schiedsrichter eine andere Wahrnehmung hat. Das ist aber eine Fehlentscheidung.

 

Szene 4: Moritz Stoppelkamp will den Ball in den Strafraum flanken, Steffen Puttkammer (SV Meppen) blockt das Spielgerät jedoch zur Seite ab. Dort kommt Tim Albutat an den Ball und legt auf Lukas Daschner ab, der zum 1:0 trifft. Meppen reklamiert Abseits, Schiedsrichter Florian Exner. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Diese Szene muss man differenziert betrachten. Der Assistent sieht offenbar, dass Daschner bei der Flanke von Stoppelkamp im Abseits steht. Da der Ball aber geblockt wird und zu einem anderen Spieler gelangt, wertet er Daschners Abseitsposition als nicht strafbar und lässt die Fahne unten.

Was der Assistent aber aus seiner Position von der Seite nicht sehen kann ist, dass Daschner zum Zeitpunkt der Flanke von Stoppelkamp in der Nähe der Flugbahn vom Torhüter steht, ihn dadurch irritiert und somit eine strafbare Abseitsposition vorliegt.

Hier wäre es ideal gewesen, wenn der Assistent dem Schiedsrichter per Headset mitgeteilt hätte, dass zum Zeitpunkt der Flanke von Stoppelkamp der Mitspieler Daschner in Abseitsposition gestanden hat, er aber nicht beurteilen kann, ob der Torhüter irritiert oder beeinflusst wurde. Dann hätte der Schiedsrichter übernommen, der das von vorne und frontal besser einschätzen kann und wäre schlussendlich zur richtigen Entscheidung gekommen: nämlich strafbares Abseits. Hier aber laufen zu lassen ohne dabei eine Kommunikation innerhalb des Schiedsrichterteams vorzunehmen und das Tor für Duisburg anzuerkennen, ist eine Fehlentscheidung.

Szene 5: Vincent Vermeij (MSV Duisburg) wird von Marco Komenda (SV Meppen) im Strafraum zu Fall gebracht, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Hier zeigt sich wieder einmal, wie elementar das optimale Stellungsspiel des Schiedsrichters ist – insbesondere im Strafraum. Wenn sich der Schiedsrichter etwas weiter zum Geschehen orientieren und dort hinlaufen würde, hätte er ganz genau gesehen, dass Komenda mit seinem Nachziehbein klar und deutlich Vermeij am Fuß trifft und ihn dadurch zu Fall bringt. Hier hätte es einen Strafstoß für Duisburg geben müssen, wobei auch der Assistent, der das Geschehen von der Seite und mit einem freien Blick sehr gut sehen konnte, hätte helfen können. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und erneut keine optimale Kommunikation im Schiedsrichter-Team.

 

 

[box type="info"]Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde[/box]

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button