Strittige Szenen am 12. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das Foulspiel von Pick, die nicht gegebenen Elfmeter für Duisburg, Kaiserslautern, Mannheim, Großaspach und Bayern II, die verwehrten Treffer von Mannheim und Köln, die Aktion von Boyd gegen Königsmann, die Rudelbildung in München, die Platzverweise gegen Weber, Müller und Bösel, das Foulspiel von Bonga gegen Kaya und der Elfmeter für Zwickau. Am 12. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 15 Szenen genauer angeschaut. 

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Bei einem FCK-Angriff legt sich Florian Pick den Ball zu weit vor und will ihn per Grätsche zurückerobern. Selbiges Anliegen hat Tim Albutat (Duisburg), sodass beide Spieler ineinander grätschen. Schiedsrichter Marco Fritz zeigt nach der Behandlungspause nur Pick die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 2:07:05]

Babak Rafati: Pick legt sich den Ball zu weit vor und springt dann mit gestrecktem Bein voran, um diesen zurückzuerobern. Albutat will auch zum Ball, wird aber von Picks gestrecktem Bein heftig getroffen – wenn auch unabsichtlich. Letztendlich ist Albutat zuerst am Ball, Pick kommt etwas zu spät und trifft Albutat, auch wenn er sich dabei selbst wehtut. Eine richtige Entscheidung, das Foul von Pick mit der gelben Karte zu ahnden.

Szene 2: Ahmet Engin (Duisburg) dribbelt sich an der Grundlinie in den FCK-Strafraum. Carlo Sickinger (Kaiserslautern) begleitet den Angreifer und bringt ihn an der Kante zum Fünfmeterraum zu Fall. In der Mitte geht Vincent Vermeij (Duisburg) gegen Gino Fechner (Kaiserslautern) zudem zu Boden. In beiden Situationen entscheidet sich Fritz gegen einen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 2:11:15 ]

Babak Rafati: Bei einem Laufduell im Strafraum von Kaiserslautern läuft Engin an seinem Gegenspieler Sickinger vorbei. Zuerst haken sie sich beide ein wenig im Oberkörperbereich ein, was aber regelgerecht ist. Schließlich wird Engin von Sickinger vor der Torlinie in den Hacken getroffen und zu Fall gebracht. Dieses Vergehen ist ein Foulspiel und hätte einen Strafstoß für Duisburg geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Die anschließende Aktion von Fechner gegen Vermeij ist sauber, aber auch nicht mehr relevant, weil es vorher einen Strafstoß für Duisburg hätte geben müssen.

Szene 3: Die Duisburger Abwehrkette klärt den Ball am eigenen Strafraum nicht, Dominik Schad (Kaiserslautern) wird im Sechzehner von Arne Sicker (Duisburg) per Grätsche zu Fall gebracht. Fritz verwehrt den Strafstoß. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]

Babak Rafati:  Schad wird im Strafraum vom Sicker klar und deutlich durch Beinstellen zu Fall gebracht. Der Schiedsrichter hat optimale Sicht auf den Zweikampf. Warum er das ungeahndet lässt, bleibt ein Rätsel. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 4: Kevin Koffi (Mannheim) lässt vier gegnerische Spieler stehen, bevor er im Strafraum von Björn Jopek (Halle) gestoppt wird. Der Stürmer schließt ab, wird aber im Gesicht möglicherweise vom Hallenser berührt. Nicht elfmeterwürdig, wie Schiedsrichter Patrick Alt entscheidet. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Nachdem Koffi mehrere Spieler im gegnerischen Strafraum stehen lässt, kommt es final während eines normalen Bewegungsablaufs zu einem minimalen Kontakt mit Jopek. Koffi lässt sich anschließend sehr theatralisch fallen, jedoch liegt kein Foulspiel vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 5: Nach einem Mannheimer Angriff hält Kai Eisele (Halle) am Boden liegend den Ball fest. Kevin Koffi (Mannheim) spitzelt dem Torhüter die Kugel aus der Hand und erzielt den Anschlusstreffer. Alt verwehrt diesen wegen des Einsatzes gegen Eisele. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Eisele hat im eigenen Strafraum nach einem Angriff von Mannheim am Boden den Ball unter Kontrolle. Wenn ein Torhüter auch nur eine Hand am Ball hat, liegt eine Ballkontrolle vor und darf nicht mehr von einem Gegenspieler gespielt werden. Eine richtige Entscheidung, den anschließenden Treffer nicht anzuerkennen.

Szene 6: Bei einer Flanke in den Strafraum springt Terrence Boyd (Halle) in einen Zweikampf mit Marcel Seegert und Timo Königsmann (beide Mannheim). Der SVW-Keeper muss nach dem Zusammenprall mit Boyd verletzungsbedingt ausgewechselt werden, eine Karte sieht der HFC-Stürmer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:29:35]

Babak Rafati: Bei diesem Luftduell im Strafraum von Mannheim schauen Boyd und Königsmann nur zum Ball. Der anschließende Zusammenprall mit den jeweiligen Köpfen ist sehr unglücklich, niemandem ist ein Vorwurf zu machen. Somit eine richtige Entscheidung, Boyd nicht die gelbe Karte zu zeigen.

 

Szene 7: Auf der Außenbahn behaken sich Dennis Erdmann (1860) und Jean-Manuel Mbom (Uerdingen) vehement, Schiedsrichter Tobias Fritsch pfeift den Zweikampf ab. Danach schubst Mbom den Münchener, von hinten kommen Prince-Osei Owusu und Alexander Bittroff dazu. Auch der KFC-Verteidiger fällt nach einem Kontakt mit Owusu und trifft Erdmann dabei mit dem Ellenbogen im Gesicht. Am Ende der Rudelbildung erhalten Erdmann, Mbom und 1860-Assistent Bär jeweils gelbe Karten. [TV-Bilder – ab Minute 56:10]

Babak Rafati: Erdmanns Einsatz gegen Mbom auf der Außenbahn ist ein Halten und Zerren und somit ein Foulspiel. Dann revanchiert sich Mbom und schubst Erdmann zu Boden, anschließend kommt es zu einer Rudelbildung. Beide Spieler sehen hierfür die gelbe Karte, zusätzlich hätte  man auch Owusu Gelb zeigen können.

Denn er schubst Bittroff leicht von hinten, sodass der Uerdinger mit dem Ellenbogen etwas unnatürlich gegen Erdmann prallt. Die unnatürliche Haltung kommt deshalb zustande, weil sich Bittroff wehren und sich als Schutz nach hinten drehen will. Somit liegt kein Schlag oder Tätlichkeit vor. In solchen Situationen ist es für den Schiedsrichter schwierig den Überblick zu bewahren und alles zu sehen. Hier sollte man den Fokus auf die Verursacher/Auslöser legen, wenn nicht noch etwas Gravierendes passiert. Das macht der Schiedsrichter in dieser Szene auch. Insgesamt eine richtige und kluge Entscheidung.

Szene 8: Roberto Rodriguez (Uerdingen) hat bei einem Angriff Probleme mit der Ballmitnahme, 1860-Abwehrspieler Felix Weber geht dazwischen und trifft den Uerdinger am Bein. Gelb-Rot für den 1860-Kapitän. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Kurz vor dem 1860-Strafraum trifft Weber seinen Gegenspieler Rodriguez in die Hacken, weil er den Ball verfehlt. Da Rodriguez in einer aussichtsreichen Position steht, ist die gelbe Karte, die in der Folge zu Gelb-Rot führt, eine richtige Entscheidung.

 

Szene 9: Fatih Kaya (Ingolstadt) will einen Abschlag seines Torhüters vor Tarsis Bonga (Chemnitz) erreichen. Der Chemnitzer nimmt den Ball per Brust an, ehe er an selber Stelle vom hohen Bein des Ingolstädters getroffen wird. Schiedsrichter Marcel Gasteier verwarnt Kaya nur mit der gelben Karte. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Kaya springt in Karate-Manier mit hohem Bein und vollem Risiko zum Ball und trifft Bonga dabei sicherlich unbeabsichtigt vor die Brust. Mit solch einer Spielweise wird eine Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers billigend in Kauf genommen. Dafür gibt es nur eine Option, nämlich die rote Karte. Eine Fehlentscheidung, diese brutale Spielweise nur mit Gelb zu ahnden.

 

Szene 10: Bei einer Kopfballannahme verspringt Jim-Patrick Müller (Unterhaching) der Ball weit genug, dass Niko Kijewski (Braunschweig) dazwischen gehen kann. Der Angreifer versucht den Ball per Grätsche zurückzuholen, trifft aber nur den Braunschweiger am Schienbein. Weil Müller in der ersten Halbzeit bereits Kammerbauer auf den Fuß stieg und verwarnt wurde, entscheidet Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck auf Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 36:20 // 1:25:10]

Babak Rafati: Bei der ersten Aktion kommt Müller im Mittelfeld etwas zu spät und trifft Kijewski am Fuß. Das ist ein Foul, nicht mehr und nicht weniger. Hier aber eine gelbe Karte zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung.

Bei der zweiten Aktion liegt erneut ein Allerweltsfoul vor. Zum einen ist die Attacke nicht gewollt, sondern er kommt einfach etwas zu spät und zum anderen ist das Foul im gegnerischen Strafraum. Um in diesem Bereich überhaupt eine gelbe Karte zu zeigen, muss schon wirklich viel passieren. Auch diese zweite gelbe Karte ist eine Fehlentscheidung.

 

Szene 11: Um einen Konter zu unterbinden, lässt Sebastian Bösel (Großaspach) gegen Seref Özcan (Münster) das Bein stehen. Schiedsrichter Robert Kempter schickt den Aspacher mit Gelb-Rot vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Özcan leitet in der eigenen Hälfte eine gute Angriffssituation ein, wird von Bösel durch Beinstellen am Weiterlaufen gehindert und zu Fall gebracht. Das ist ein taktisches Foulspiel und somit erfolgt die gelb-rote Karte gegen Bösel. Eine richtige Entscheidung vom Schiedsrichter.

Szene 12: Bei einem Eckball klammert Rufat Dadashov (Münster) von hinten an Julian Leist (Großaspach), ehe der Stürmer zum Kopfball kommt. Dabei allerdings zupft Leist zurück, einen Elfmeter gibt es dafür vom Unparteiischen nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Zum Ende des Spiels werden alle nervös, da muss ein Schiedsrichter besonders aufmerksam sein – gerade in der Gefahrenzone, wie es der Strafraum ist. Nach einem Eckball halten sich im Strafraum von Großaspach sowohl Leist als auch Dadashov gegenseitig am Trikot fest, was zwar grenzwertig, aber schlussendlich nicht strafwürdig ist. In dieser Szene weiterspielen zu lassen, ist eine richtige Entscheidung.

 

Szene 13: Elias Huth (Zwickau) erobert den Ball von Sarpreet Singh (Bayern II) und geht einen Schritt in den Strafraum, ehe sich Nicolas Feldhahn das Spielgerät zurückholt. Dabei fällt Huth, Schiedsrichter Lukas Benen gibt den Elfmeter für Zwickau. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Feldhahn geht im eigenen Strafraum in den Zweikampf, geht mit dem Fuß nur zum Ball und begeht dabei kein Foulspiel gegen Huth. Ein Kontakt kann hierbei schon passieren, wäre allerdings im normalen Bewegungsablauf und somit nicht als strafbar einzustufen. Gleichzeitig holt Huth zum Schuss aus, trifft aber nur ins Leere, da der Verteidiger ihm den Ball abgenommen hat. Hier hätte der Schiedsrichter weiterspielen lassen müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

Szene 14: Derrick Köhn (Bayern) startet von der Mittellinie und marschiert bis in den gegnerischen Strafraum. Verfolger Morris Schröter (Zwickau) kommt erst auf den letzten Schritten heran, von der Seite hilft René Lange per Grätsche aus. Köhn fällt, dieses Mal pfeift Benen keinen Strafstoß. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati:  Köhn geht mit dem Ball in den Strafraum von Zwickau und wird von seinem Gegenspieler Schröter verfolgt. Schröters Mitspieler Lange kommt dann von der Seite und grätscht unkontrolliert hinein und will dabei sicherlich den Ball spielen. Das gelingt ihm jedoch nicht, vielmehr bringt er Köhn klar und deutlich durch Beinstellen zu Fall. Hier hätte es einen Strafstoß für Bayern geben müsssen, so dass eine Fehlentscheidung vorliegt.

 

Szene 15: Holzweiler trifft zum 2:1 für Köln, wird aufgrund eines vermeintlichen Foulspiels von Albert Bunjaku (Viktoria Köln) an Marco Komenda (SV Meppen) von Schiedsrichterin Katrin Rafalski jedoch zurückgepfiffen. Der Treffer zählt nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Bunjaku und Komenda im Strafraum von Meppen geht keine aktive Aktion von Bunjaku aus und auch ein Foulspiel von ihm liegt nicht vor. Komenda hakt sich selbst unglücklich in die Beine von Bunjaku ein und kommt anschließend selbstverschuldet zu Fall. Der anschließende Treffer hätte somit zählen müssen. Die Schiedsrichterin ist selbst ein wenig irritiert, daher pfeift sie auch später diesen Zweikampf ab. Das ist natürlich eine Fehlentscheidung, der Treffer für Köln hätte zahlen müssen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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