Strittige Szenen am 16. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Bayreuth, Wiesbaden, Essen, Aue, Osnabrück und Köln, das Handspiel von Löhmannsröben, der Platzverweis gegen Bouhaddouz, ein Rückpass von Llugiqi, der Strafstoß für Dortmund II, das 2:0 von Köln sowie Foulspiele von Kutschke, Pepic und Fedl. Am 16. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 15 strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 52-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Einen Schuss von Alexander Nollenberger (Bayreuth) bekommt Laurin von Piechowski (Elversberg) im Strafraum an den Arm, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Florian Heft nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]
Babak Rafati: Nollenberger will sich den Ball auf der linken Strafraumseite an von Piechowski vorbeilegen und ihn damit verladen. Allerdings nimmt von Piechowski den Arm, den er kurz zuvor noch bewusst hinter dem Rücken hat, reflexartig wieder heraus und spielt den Ball absichtlich mit der Hand. Das ist ein strafbares Handspiel, es hätte Elfmeter für Bayreuth geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben. Der Schiedsrichter hätte schneller dem Spielgeschehen folgen und am günstigsten an der Strafraumecke stehen sollen, um diesen Vorgang sehen und entsprechend ahnden zu können.
Szene 2: Stefan Kutschke (Dresden) rempelt Ahmet Gürleyen (Wiesbaden) abseits des Balles um und nimmt dabei den Arm raus, kommt bei Schiedsrichter Lukas Benen aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:58:45]
Babak Rafati: Gürleyen stellt sich in den Weg damit der Ball, der von seinem Mitspieler zum eigenen Torwart gespielt wurde, nicht von Kutschke, der dem Ball hinterher geht, erlaufen wird. Dabei nimmt Kutschke den Arm heraus und reißt Gürleyen zu Boden, obwohl der Ball nicht in Spielnähe ist. Das ist zwar ein Foulspiel, das richtigerweise geahndet wird, allerdings liegt kein Schlag oder eine Tätlichkeit vor, vielmehr ein zu Boden reißen, was richtigerweise mit Gelb geahndet wird. Es gibt sicherlich Theoretiker, die anführen werden, dass wäre ein Sperren ohne Ball von Gürleyen, aber es sei darauf hingewiesen, dass kein Schiedsrichter so etwas pfeift. Aber ebenso wird ein Schiedsrichter genau das mit in die Entscheidung einbeziehen und schauen, wer Verursacher war und selbst bei Dunkelgelb zu einer gelben Karte neigen.
Szene 3: Einen Schuss von Thijmen Goppel (Wiesbaden) bekommt Jonathan Meier (Dresden) im Strafraum an den Arm, einen Elfmeter gibt Benen nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:00:05]
Babak Rafati: Bei einem Laufduell im gegnerischen Strafraum schießt Goppel den Ball, den er in die Mitte passen will, aus kurzer Entfernung seinem Gegenspieler Meier, der mitgelaufen ist, an den Arm. Dabei dreht sich Meier vom Ball weg und hat den Arm angelegt, sodass kein strafbares Handspiel vorliegt. Bei Aktionen, bei denen der Ball an den Arm geht und die Körperfläche nicht vorher vergrößert wurde, liegt keine Absicht vor, sodass es sich um eine richtige Entscheidung handelt, weiterspielen zu lassen.
Szene 4: Nach einer Ecke geht der Ball an den Arm/die Schulter von Jakob Lewald (Dresden), fortgesetzt wird die Partie aber mit einer Ecke. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:00]
Babak Rafati: Nachdem eine Ecke in den Strafraum geschossen wird, köpft ein Wiesbadener Angreifer den Ball Richtung Tor. Dabei springt Lewald hoch, nimmt den Arm bewusst heraus, bekommt das Spielgerät gegen diesen ausgespreizten Arm und kann somit den Ball blocken. Das ist eine Vergrößerung der Körperfläche, sodass ein strafbares Handspiel vorliegt und es somit einen Elfmeter für Wiesbaden hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 5: Einen Torschuss von Pascal Sohm (Mannheim) bekommt Jan Löhmannsröben (Zwickau) kurz vor dem Strafraum an den angelegten Arm. Schiedsrichter Nico Fuchs gibt Freistoß, aus dem das 1:0 für Mannheim fällt. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Kurz vor dem Strafraum will sich Sohm den Ball an Löhmannsröben vorbeilegen, lupft den Ball aber an dessen Arm und wird aufgehalten. Der Arm von Löhmannsröben ist angelegt, und der Ball geht an den Arm und nicht umgekehrt, sodass überhaupt keine Absicht und Strafbarkeit vorliegt. Eine Fehlentscheidung, Handspiel zu pfeifen, einen Freistoß für Mannheim zu geben und zudem eine gelbe Karte zu zeigen. Das ist ein klassisches Beispiel für kein absichtliches Handspiel, zumal der Schiedsrichter freie Sicht auf den Vorgang hat und diesen aus seiner Position eigentlich sehr gut bewerten müsste.
Szene 6: Im Strafraum geht Lawrence Ennali (Essen) gegen Tobias Kraulich (Meppen) zu Fall. Schiedsrichter Dr. Robert Kampka entscheidet jedoch auf Stürmerfoul. [TV-Bilder – ab Minute 2:15]
Babak Rafati: Bei einem Zweikampf – fast an der Torlinie – trifft Kraulich seinen Gegenspieler Ennali hinten in die Hacke, bringt ihn dadurch aus dem Tritt und entscheidend zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und es hätte somit einen Elfmeter für Essen geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben. Anschließend kommt der Angreifer durch diesen Tritt zu Fall und bringt dadurch Kraulich zu Fall, der wiederum trifft unglücklich und unbeabsichtigt im Bewegungsablauf Ennali auch noch mit dem Fuß ins Gesicht. Dieser zweite Vorgang ist aber nicht ahndungswürdig und zu vernachlässigen, weil alles im normalen Bewegungsablauf geschieht und keine aktive Bewegung auszumachen ist. Der Schiedsrichter wird womöglich den ersten Tritt von Kraulich nicht gesehen und erst das Folgende bewertet und deshalb auf Stürmerfoul entschieden haben. Man muss dem Schiedsrichter aber zugutehalten, dass der Vorgang von hinten – dort, wo der Schiedsrichter postiert ist – tatsächlich wie ein Stürmerfoul aussieht. Erst die Hintertorkamera löst den Vorgang auf.
Szene 7: Der bereits gelb-verwarnte Mirnes Pepic (Meppen) bringt Kevin Holzweiler (Essen) zu Fall, kommt aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 2:00:30]
Babak Rafati: Bei einem Angriff von Essen führt Holzweiler den Ball am Fuß und ist in Richtung Strafraum. Dabei kommt der bereits gelb-verwarnte Pepic angelaufen und will sicherlich den Ball spielen, ist aber etwas zu spät, trifft Holzweiler in einer aussichtsreichen Position von hinten am Fuß und bringt ihn zu Fall. Das ist eine Muss-Verwarnung, bei der es keinen Ermessensspielraum gibt, weil ein aussichtsreicher Angriff regelwidrig unterbunden wird, sodass es neben dem Freistoß für Essen eine gelb-rote Karte gegen Pepic hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diese nicht zu zeigen. Nachdem Pepic das Foulspiel begangen hat, kniet er am Boden und will am liebsten gar nicht mehr aufstehen, weil er damit rechnet, dass er gleich herausmarschieren kann. Er steht auf und macht auch schon sehr kläglich die ersten Schritte, wird aber überrascht, dass er weiterspielen darf und nicht vom Platz gestellt wird.
Szene 8: Für ein rüdes Foul an Kevin Holzweiler (Essen) auf Wadenhöhe sieht Jonas Fedl (Meppen) nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:06:50]
Babak Rafati: Holzweiler ist in vollem Tempo und spielt den Ball an Gegenspieler Fedl vorbei. Dabei kommt Fedl und springt mit gestrecktem Bein und offener Sohle in den Zweikampf, trifft den Essener rüde über dem Sprunggelenk und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein brutales Foulspiel, bei dem die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet wird, sodass es keine zwei Meinungen gibt. Das ist eine glatt rote Karte. Eine Fehlentscheidung, diese fällige rote Karte nicht zu zeigen und das Foul lediglich mit Gelb zu ahnden. Wenn der Schiedsrichter nachträglich das Trefferbild im TV sieht, wird er sich selbst erschrecken und keine andere Meinung zu dieser Szene haben.
Szene 9: Im Strafraum kommt Tim Danhof (Aue) gegen Marvin Ajani (Duisburg) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Martin Speckner. [TV-Bilder – ab Minute 1:38:25]
Babak Rafati: Danhof wird im gegnerischen Strafraum angespielt und dabei kommt es zu einem Zweikampf mit Ajani. Der Duisburger berührt den Angreifer sicherlich am Fuß, allerdings reicht dieser Treffer bei weitem nicht für einen Elfmeter aus. Vom Fallmuster passt das Vergehen einfach nicht zum Zufallkommen des Angreifers, sodass dieser Kontakt nur zum Anlass genommen wird, etwas herauszuholen. Eine richtige Entscheidung, in dieser Szene weiterspielen zu lassen.
Szene 10: Für eine vermeintliche Schwalbe sowie für ein Foulspiel an Ullrich Taffertshofer (Aue) sieht Aziz Bouhaddouz (Duisburg) jeweils Gelb und muss vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 1:4620 & 2:07:45]
Babak Rafati: Bei der ersten gelben Karte gegen Bouhaddouz liegt eine klassische Schwalbe vor, sodass die gelbe Karte eine richtige Entscheidung ist. Oft sieht man zwar die Ahndung von Schwalben im Strafraum, wenn es aber so offensichtlich wie in dieser Szene passiert, kann es auch Sinn machen, eine gelbe Karte außerhalb des Strafraumes zu zeigen.
Das spätere Foulspiel von Bouhaddouz an Taffertshofer ist ein Allerweltsfoul, bei dem kein Tritt oder ähnliches, was gelbwürdig wäre, erkennbar ist. Er stört ein wenig von hinten, und hierbei kommt es sicherlich zum Kontakt, mehr aber auch nicht. Eine Fehlentscheidung, für diese Aktion eine gelbe Karte gegen den gelb-verwarnten Duisburger zu zeigen, die in der Folge zu einer gelb-roten Karte führt.
Szene 11: Marius Funk (Ingolstadt) nimmt einen Rückpass von Arian Llugiqi (Ingolstadt) mit der Hand auf. Einen indirekten Freistoß für Halle gibt Schiedsrichter Konrad Oldhafer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]
Babak Rafati: Llugiqi spielt den Ball zum eigenen Torhüter zurück, der etwas missglückt. Dabei kommt es anschließend zum Zweikampf zwischen Keeper Funk und einem Angreifer. Hierbei springt der Ball in Billard-Manier zwischen den Füßen des Keepers und dem Angreifer hin und her, sodass bevor der Torhüter den Ball in die Hände aufnimmt, ein weiterer Angreifer am Ball war und das Spielgerät berührt. Somit liegt kein Rückpass im Sinne der Rückpassregel mehr vor, weil der Ball nicht zuletzt vom eigenen Verteidiger gespielt wurde. Durch die Berührung des Balles vom Angreifer liegt eine neue Spielsituation vor, somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 12: Auf dem Weg zum Tor wird Lukas Kunze (Osnabrück) im Strafraum von Yari Otto (Verl) am Knöchel getroffen, auf den Punkt zeigt Schiedsrichter Michael Bacher nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]
Babak Rafati: Im Strafraum kommt es zu einem Zweikampf. Dabei hat Kunze den Ball am Fuß, und Otto kommt hinzu und spielt den Ball. Im gleichen Bewegungsablauf und noch in der gleichen Ausholbewegung trifft Otto den Angreifer am Fuß. Das ist kein Foulspiel, da der Ball Spielobjekt ist, deutlich gespielt wird und der anschließende Fußtreffer lediglich unglücklich ist. Wäre, nachdem der Ball vom Verteidiger gespielt wurde, eine neue Bewegung durch den Fuß ausgelöst, dann wäre es ein neuer Vorgang und somit wäre die Aktion gegnerorientiert und folglich ein Foulspiel. So aber ist es eine richtige Entscheidung, in dieser Situation weiterspielen zu lassen.
Szene 13: Im Strafraum wird Hamza Saghiri (Köln) von Guillermo Bueno Lopez (Dortmund II) weggecheckt und geht zu Boden. Kein Elfmeter für Köln, sagt Schiedsrichter Patrick Hanslbauer. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]
Babak Rafati: Saghiri legt sich den Ball mit dem Kopf am Gegenspieler Bueno Lopez vorbei und dieser kann sich natürlich nicht in Luft auflösen. Allerdings bleibt dieser nicht stehen, sondern springt Saghiri an und bringt ihn mit diesem Anspringen zu Fall. Das ist ein Foulspiel, sodass es einen Elfmeter für Köln hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.
Szene 14: Justin Njinmah (Dortmund II) dringt in den Strafraum ein und geht gegen Jamil Siebert (Köln) zu Fall. Hanslbauer gibt Elfmeter für Dortmund II. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf läuft Njinmah in den Strafraum und wird von Siebert verfolgt. Dabei ist der Angreifer in der besseren Position, sodass Siebert den Arm herausnimmt und Njinmah mit dem Arm nach vorne wegdrückt. Bei diesem Tempo des Angreifers kann man durchaus auf Elfmeter entscheiden, sodass die Entscheidung vertretbar ist, wenngleich der Angreifer dieses Vergehen dankend annimmt und zu Fall kommt.
Szene 15: Einen Schuss von Patrick Koronkiewicz (Köln) fälscht Niklas Dams (Dortmund II) mit dem Arm ins Tor ab, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]
Babak Rafati: Nach einem Schuss von Koronkiewicz fälscht Gegenspieler Dams den Ball zunächst mit dem Fuß ab, bekommt unmittelbar danach das Spielgerät an den Arm und von da aus geht der Ball ins eigene Tor, was zurecht zählt. Das Handspiel wäre sicherlich ein Thema gewesen, wenn der Ball nicht ins Tor gegangen wäre. Dann hätte sich die Frage gestellt, ob eine Absicht vorliegt oder nicht. Da Dams den Ball mit dem Fuß abfälscht und der Arm in natürlicher Haltung ist und aus der Bewegung heraus schwingt und die Körperfläche durch die Armhaltung nicht vergrößert wird, hätte keine Absicht vorgelegen, sodass weiterspielen die richtige Entscheidung gewesen wäre.
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