Strittige Szenen am 17. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Chemnitz, der Platzverweis von Großkreutz, die Strafstöße für Uerdingen und Köln, das Foul von Holthaus an Pick, der Tritt von Mai gegen Vermeij, das 1:1 von Mannheim, der nicht gegebene Treffer für Zwickau und die gelbe Karte gegen Schau. Am 17. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Tarsis Bonga (Chemnitz) überläuft im KFC-Strafraum zwei Gegenspieler, als KFC-Keeper Lukas Königshofer anrauscht und den Stürmer von den Beinen reißt. Zuvor berührt der Torhüter den Ball. Schiedsrichter Jonas Weickenmeier entscheidet nicht auf Strafstoß. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Bonga läuft in den Strafraum von Uerdingen und will zum Ball. Königshofer kommt angerauscht und spielt zwar erst den Ball, läuft den Stürmer aber förmlich um, räumt ihn deutlich ab und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist eine Spielweise, bei der nicht nur der Ball Spielobjekt ist, sondern ebenso riskiert wird, dass der Stürmer gefoult wird. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Strafstoß für Chemnitz zu geben, zumal der Schiedsrichter in einer guten Position steht und den Vorgang hätte sehen müssen.

Szene 2: Aus der Chemnitzer Innenverteidigung kommt ein langer Ball nach vorne, der ohne weiteren Kontakt direkt ins Seitenaus rollt. Ein Uerdinger Auswechselspieler stoppt den Ball möglicherweise vor der Linie, um ihn zu seinem Keeper zu spielen. Vor fünf Wochen gab es in der 2. Bundesliga wegen einer ähnlichen Situation einen Elfmeter für den Gegner. Hier lässt Weickenmeier weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:30]

Babak Rafati: Bei der Elfmeterentscheidung in der 2.Liga bei Kiel gegen Bochum wurde zwar regelgerecht entschieden, allerdings hat der DFB anschließend bei der FIFA angefragt und die Regelhüter haben erkannt, dass diese Regelung nicht im Sinn und Geist der Regel ist. Ihre Begründung im Nachgang im Wortlaut: "Der Ersatzspieler aus Kiel hat instinktiv den Ball angehalten, um das Spiel schnell zu machen. Und sicher nicht, um die Spielsituation zum Nachteil Bochums zu verändern." Genauso war es bei diesem Vergehen des Uerdinger Auswechselspielers.

Weiter heißt es: "Nur für absichtliche Eingriffe von außen, die das Spiel verändern, wurde diese Regel eingeführt. Bei der Situation in Kiel wäre deshalb eine Ermahnung besser gewesen." Somit eine richtige Entscheidung, keinen Strafstoß für Chemnitz zu pfeifen.

Szene 3: Kevin Großkreutz (Uerdingen) geht in den Zweikampf mit Tarsis Bonga (Chemnitz) und zieht an dessen Trikot. Danach trifft er ihn noch unten am Fuß und wird für das Foulspiel mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld hängt Großkreutz seinem Gegenspieler Bonga leicht am Trikot, was aber noch kein Foulspiel ist. Danach versucht er durch eine Grätsche, die ohne Dynamik und Schwung ausgeführt wird, den Ball von den Füßen seines Gegenspielers wegzuspitzeln, was ihm nicht gelingt. Er tritt Bonga leicht in die Füße, was ein normales Foulspiel darstellt. Freistoß und Punkt. Hier aber eine gelbe Karte zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung, weil ein Allerweltsfoul und kein taktisches Foulspiel vorliegt und auch die Schwere des Vergehens keine gelbe Karte rechtfertigt. Eine Fehlentscheidung, Großkreutz eine gelbe Karte zu zeigen, was in diesem Fall zu Gelb-Rot führt, da Großkreutz bereits verwarnt war.

Szene 4: Christian Kinsombi (Uerdingen) geht gegen zwei Chemnitzer ins Dribbling und dringt in den gegnerischen Strafraum ein. Bevor Pascal Itter eingreifen kann, fällt der Uerdinger schon nach einem Duell mit Davud Tuma. Beide Chemnitzer heben die Arme, weil sie keinen Kontakt gehabt haben wollen. Weickenmeier entscheidet aber auf Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Chemnitz nimmt Angreifer Kinsombi einen minimalen Kontakt von Tuma dankend an und geht zu Boden. Dieser Kontakt ist noch nicht einmal vom Verteidiger aktiv verursacht, sodass kein Foulspiel vorliegt. Somit eine Fehlentscheidung, einen Strafstoß für Uerdingen zu pfeifen.

 

Szene 5: André Hainault (1. FC Kaiserslautern) geht im eigenen Strafraum zum Kopfballduell mit Viktorias Sven Kreyer. Dabei berührt der Verteidiger den Kölner mit den Armen am Kopf. Ausreichend für einen Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Patrick Schwengers. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht günstig und hat eine gute Sicht zum Luftduell im Strafraum von Kaiserslautern. Hainault geht mit der linken Hand unnatürlich und völlig unnötig zum Kopfballduell, trifft seinen Gegenspieler Kreyer im Kopfbereich und bringt ihn aus dem Gleichgewicht, sodass dieser zu Fall kommt. Das ist eine Spielweise, die nur dafür gedacht ist, den Gegner vom Ball fernzuhalten und aus dem Spiel zu nehmen. Der folgende Strafstoß für Köln ist eine richtige Entscheidung.

Szene 6: Florian Pick (1. FC Kaiserslautern) marschiert bei einem Konter über den Flügel. Fabian Holthaus (Viktoria Köln) kommt von der Seite, geht mit dem Bein voran in den Zweikampf und bringt Pick zu Fall. Für das taktische Foul gibt es nur die gelbe Karte für Holthaus. [TV-Bilder – ab Minute 2:09:45]

Babak Rafati: Pick läuft auf der linken Seite, will einen guten Angriff einleiten, wird dabei von seinem Gegenspieler Holthaus durch Beinstellen zu Fall gebracht und am Weiterlaufen gehindert. Das ist ein klares Foulspiel und die gelbe Karte eine richtige Entscheidung. Die Kriterien für eine rote Karte (brutal, Gefährdung Gesundheit des Gegenspielers usw. ) sind in keinster Weise gegeben.

 

Szene 7: Nach einem Foulspiel an Sebastian Mai (Halle) will der HFC-Kapitän das Spiel schnell machen und rennt zum Ball. Doch statt das Leder zu treffen, tritt er Duisburgs Vincent Vermeij, der den Ball zuvor zur Seite beförderte, gegen das Knie. Eine Karte sieht Mai von Schiedsrichter Daniel Siebert nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Bei dieser Szene sieht es danach aus, dass Mai den Ball spielen und nicht seinen Gegenspieler Vermeij absichtlich treffen will. Auch spricht es für ihn, dass er nach unten schaut und somit den Ball anvisiert und nicht seinen Gegenspieler im Blick hat. Dass er ihn dann am Knie trifft, ist schlussendlich unglücklich. Eine richtige Entscheidung, Mai keine Karte zu zeigen. Vermeij hätte sie natürlich – wegen Ballwegspitzeln und somit Unsportlichkeit – sehen müssen.

 

Szene 8: Dorian Diring schießt Mannheim in Führung, Münster reklamiert Abseits, weil Mounir Bouziane (Mannheim) beim Schuss im Sichtfeld von SCP-Keeper Maximilian Schulze Niehues stand. Schiedsrichter Mitja Stegemann gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Diring steht Bouziane unübersehbar in der Schussbahn in Abseitsposition und irritiert Torhüter Schulze Niehues. Dabei ist es völlig unerheblich, ob er den Ball final berührt oder nicht. Der Treffer für Mannheim hätte nicht zählen dürfen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

Das Problem dabei ist: Der Assistent guckt von der Seite und kann nicht erkennen, inwiefern der Torhüter irritiert wird, aber gleichwohl, dass eine Abseitsposition vorliegt. Dass der Spieler in der Schussbahn steht und den Torwart behindert, kann der Schiedsrichter wiederrum erkennen. Hier wäre es optimal, wenn man miteinander kommuniziert hätte, um die richtige Entscheidung zu treffen.

 

Szene 9: Einen Schuss von Gerit Wegkamp (FSV Zwickau) wehrt Braunschweigs Keeper Jasmin Fejzic zur Seite ab. Dort steht Ronny König und staubt ab, soll aber im Abseits gestanden haben, sodass Schiedsrichter Wolfgang Haslberger den Treffer nicht anerkennt. [TV-Bilder – ab Minute 1:46:05]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Torschusses von Wegkamp steht König noch im passiven Abseits, weil er nicht eingreift. Nach der Abwehr vom Torhüter Fejzic kommt der Ball zu König, der jetzt aktiv ins Spielgeschehen eingreift, sodass die Abseitsposition strafbar wird. Man spricht dabei von "in der gleichen Spielsituation." Eine richtige Entscheidung, den Treffer für Zwickau nicht anzuerkennen.

 

Szene 10: Für ein vermeintliches Foul an Nicolas Feldhahn (Bayern II) sieht Justin Schau (Jena) von Schiedsrichter Franz Bokop Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:36:45]

Babak Rafati: Schau spielt im Mittelfeld an der Seitenlinie den Ball und trifft auch Feldhahn, der sich dabei offensichtlich wehtut. Der erste Eindruck des Schiedsrichters, nämlich Pfiff, Freistoß und stehenbleiben, weil nicht viel passiert ist, ist richtig. Kurz danach lässt er sich offensichtlich ein wenig von der Art und Weise des sich am Boden wälzenden Feldhahn beeindrucken und läuft zum Tatort. Nach ein paar Sekunden mit Verzögerung entscheidet er dann auf Gelb für Schau. Eine Fehlentscheidung, denn Foul ja, aber nicht verwarnungswürdig.

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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