Strittige Szenen am 17. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die Elfmeter für Dresden und Saarbrücken, die verwehrten Strafstöße für Köln, Dresden, Zwickau, Saarbrücken und Verl, das 1:1 von Dresden und der Platzverweis gegen Lorch. Am 17. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).
Szene 1: Einen Schuss von Lucas Cueto (Köln) bekommt Jonathan Meier (Dresden) im Strafraum an den Arm, Schiedsrichter Sven Waschitzki gibt Elfmeter für Köln. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]
Babak Rafati: Cueto schießt den Ball seinem Gegenspieler Meier im gegnerischen Strafraum aus kurzer Entfernung an den Ellenbogen. Dabei hat der Verteidiger den Arm in natürlicher Haltung und will sogar noch ausweichen, bekommt den Ball aber dennoch unbeabsichtigt an den Arm. Das ist kein strafbares Handspiel, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, einen Strafstoß für Köln zu pfeifen.
Szene 2: Luca Stellwagen (Köln) blockt einen Schuss von Robin Becker (Dresden) im Strafraum mit der Hand, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]
Babak Rafati: Becker will den Ball in den Strafraum von Köln flanken. Dabei blockt Stellwagen das Spielgerät bewusst und aktiv mit dem Arm und wehrt es ab. In dieser Szene kann man nicht von natürlicher Haltung sprechen, denn der Verteidiger ist nicht in der Bewegung, bei der der Arm natürlich mitschwingt, vielmehr steht er fast und nimmt absichtlich die Hand zur Hilfe. Das ist ein strafbares Handspiel, und es hätte einen Strafstoß für Dresden geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Im Mittelfeld kommt es zu einem Luftzweikampf zwischen Christoph Daferner (Dresden) und Moritz Fritz (Köln). Daferner setzt seinen Körper dabei robust ein und bringt Fritz zu Fall. Das Spiel läuft weiter, aus dem Angriff fällt das 1:1. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]
Babak Rafati: Bei diesem Luftduell zwischen Daferner und Fritz wollen beide zum Ball. Dabei wird Fritz von Daferner in der Luft angesprungen, durch das Foulspiel nimmt er ihn aus dem Spiel – Fritz hat keine Chance mehr, den Ball zu spielen. Daferner verschafft sich somit den entscheidenden Vorteil und kann unbedrängt den Ball zu seinem Mitspieler weiterleiten, aus dem Angriff fällt dann das Tor für Dresden. Hier hätte der Schiedsrichter wegen Foulspiels abpfeifen und einen Freistoß für Köln geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.
Szene 4: Patrick Koronkiewicz (Köln) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Tim Knipping (Dresden) zu Boden. Kein Elfmeter, entscheidet Waschitzki. [TV-Bilder – ab Minute 1:41:30]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Dresden spielt Koronkiewicz seinen Gegenspieler Knipping aus und kommt anschließend plötzlich zu Fall. Im Fußbereich gibt es keinen Kontakt, im Oberkörperbereich ist auch alles sauber. Die Frage ist, ob der Verteidiger den Angreifer am Trikot festhält und er deshalb zu Fall kommt. Es mag sein, dass ein Halten vorliegt, aber das kann nicht ursächlich für das Zufallkommen sein, sodass Impuls und Wirkung nicht zueinander passen. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Dass sich der Angreifer anschließend am Fuß hält, ist damit zu erklären, dass es nach dem Zufallkommen einen Kontakt gibt, was aber kein Foulspiel ist.
Szene 5: Einen Schuss von Patrick Weihrauch (Dresden) bekommt Kevin Holzweiler (Köln) im Strafraum an die Hand, es gibt Elfmeter für Dresden. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]
Babak Rafati: Nach einem Schuss von Weihrauch springt Holzweiler in Torwartmanier dazwischen und wehrt den Ball mit dem Arm, der über der Schulterhöhe ist, klar ab. Das ist ein klares Handspiel und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, diesen Strafstoß für Dresden zu pfeifen.
Szene 6: Nach einem Foul an Pascal Sohm (Dresden) sieht Kölns Jeremias Lorch (Köln) glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:45]
Babak Rafati: Der Zweikampf zwischen Sohm und Lorch sieht harmlos aus, sodass hieraus keine rote Karte gegen Lorch entstanden sein kann. Das Einzige, was hier passiert sein dürfte, ist, dass eine Beleidigung gegen den Schiedsrichter vorliegt. Dann wäre es eine richtige Entscheidung.
Szene 7: Nach einer Ecke kommt es im Strafraum zu einem Zweikampf zwischen Nico Antonitsch (Ingolstadt) und Sebastian Jacob (Saarbrücken). Der FCS-Stürmer geht zu Fall, Schiedsrichter Timo Gerach gibt Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]
Babak Rafati: Nachdem der Ball nach einer Ecke hereingeschlagen wird, laufen Antonitsch und Jacob zum Ball. Dabei tritt der Verteidiger dem Angreifer, wenn auch unbeabsichtigt, auf den Fuß und bringt ihn zu Fall. Das ist zwar ärgerlich für Ingolstadt, aber dennoch ein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, diesen Strafstoß für Saarbrücken zu geben.
Szene 8: Im Strafraum bekommt Nicklas Shipnoski (Saarbrücken) einen Stoß von Michael Heinloth (Ingolstadt) und geht zu Boden. Kein Elfmeter, entscheidet der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]
Babak Rafati: Shipnoski wird im gegnerischen Strafraum angespielt und hat zehn Meter vor dem gegnerischen Tor eine klare Torchance. Heinloth ist hinter ihm, hat überhaupt keine Chance mehr den Ball zu spielen und kann sich nur noch durch ein Foulspiel helfen. Er drückt von hinten mit dem Arm, läuft zudem in Shipnoski rein, läuft ihn somit um und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel (Notbremse), es hätte einen Strafstoß für Saarbrücken und die rote Karte gegen Heinloth geben müssen, da er keine Chance mehr hatte an den Ball zu kommen und nur noch der Gegner Spielobjekt war. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 9: Dennis Eckert Ayensa (Ingolstadt) will einen Abpraller im eigenen Strafraum klären, steigt hoch und nimmt die Hände zum Schutz über den Kopf. Der Ball prallt ihm auf den Rücken, Gerach entscheidet dennoch auf Handspiel und gibt Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]
Babak Rafati: Beim Abwehrversuch springt Eckert Ayensa zum Kopfball hoch und reißt dabei beide Arme über den Kopf nach oben. Der Ball fällt schließlich auf den Rücken/Nacken von Ayensa, sodass kein Handspiel vorliegt, auch wenn Zweifel aufkommen, dass womöglich der Ball die Finger gestreift haben könnte. Im Strafraum sollte man nur klare Situationen ahnden. Wenn Szenen passieren, die nicht zweifelsfrei auflösbar sind, wäre es ratsam, die Finger davon von zu lassen. Eine Fehlentscheidung, diesen Strafstoß zu pfeifen.
Szene 10: Nach einem Schuss von Maximilian Wolfram (Zwickau) bekommt Jan Löhmannsröben (Rostock) den Ball im Strafraum an den Arm. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Max Burda. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]
Babak Rafati: Nach einem Schuss von Wolfram auf das Tor von Rostock nimmt Löhmannsröben aktiv und bewusst die Hände vor den Körper und blockt den Ball in Torwartmanier mit dem Arm. Das ist ein strafbares Handspiel, und es hätte einen Strafstoß für Zwickau sowie die gelbe Karte gegen Löhmannsröben geben müssen. Nur die gelbe Karte, weil noch zwei Rostocker hinter Löhmannsröben den Ball hätten abwehren können und er somit kein Tor verhindert hat. Eine Fehlentscheidung, überhaupt nicht einzugreifen und laufen zu lassen. Wenn man damit argumentieren will, wo Löhmannsröben die Arme hinnehmen soll, dann sei angemerkt, dass die Verteidiger in solchen Fällen die Arme hinter den Körper bringen, damit sie den Ball erst gar nicht mit der Hand berühren können. Zudem gibt es auch keine Schutzhand.
Szene 11: Im Laufduell mit zwei Rostockern geht Steffen Nkansah (Zwickau) nach einem Freistoß zu Fall. Erneut kein Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 54:40]
Babak Rafati: Im Strafraum von Rostock kommt es zu einem Zweikampf zwischen zwei Hansa-Spielern und Nkansah, der dabei zu Fall geht. Natürlich kommt es zu einem Kontakt mit einem Rostocker Gegenspieler, aber das fällt unter die Kategorie "Kontakt dankend angenommen" und ist selbstverständlich kein Foulspiel. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 12: Ein Schuss von Kasim Rabihic (Verl) springt an den Arm von Alexander Sorge (Türkgücü). Statt Elfmeter entscheidet Schiedsrichter Tobias Fritsch auf Eckball. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]
Babak Rafati: Rabihic schießt im gegnerischen Strafraum auf das Tor von Türkgücü. Der Torwart von Türkgücü kann zwar mit dem Fuß abwehren, jedoch kann er nicht mehr verhindern, dass der Ball auf dem Weg ins Tor ist. Doch dann wehrt Sorge, der hinter seinem Torwart postiert ist, den Ball klar und deutlich mit dem Arm ab und verhindert damit ein klares Tor. Sein Mitspieler ist 2-3 Meter versetzt und hat keine Chance mehr den Ball abzuwehren. Das ist ein absichtliches und somit strafbares Handspiel, sodass es einen Strafstoß für Verl sowie die rote Karte gegen Sorge wegen einer Torverhinderung hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
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