Strittige Szenen am 18. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Das 1:1 von Halle, die nicht gegebenen Elfmeter für Bielefeld und Freiburg II, die Strafstöße für Saarbrücken und Sandhausen, das 2:2 für Bielefeld, der nicht gegebene Treffer für Lübeck, das 2:1 für Münster sowie Foulspiele von Boujellab, Hug, Halimi, Mrowca und Bazzoli. Am 18. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Nassim Boujellab (Bielefeld) tritt Nico Hug (Halle) unglücklich auf den Fuß und sieht bereits in der 1. Minute die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 33:15]
Babak Rafati: Boujellab rutscht auf dem Rasen weg und streift Hug dabei am Fuß, was sicherlich für Hug schmerzhaft ist. Das ist auch ein Foulspiel, das aber nicht gelbwürdig ist, vielmehr unglücklich durch das Ausrutschen passiert. Eine gelbe Karte hierfür zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung. Nicht weil es in der ersten Minute passiert, sondern weil es einfach nicht zum Vergehen passt. Auch wenn ein Schiedsrichter womöglich von Beginn an ein Zeichen setzen will, ist das an dieser Stelle unangemessen und nicht vergehensgerecht.
Szene 2: Im Mittelfeld wird Fabian Klos (Bielefeld) bei einem Luftduell von Sebastian Zieleniecki (Halle) am Kopf getroffen und geht zu Boden. Das Spiel läuft weiter, und aus dem Angriff fällt das 1:1 und zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]
Babak Rafati: Bei diesem Kopfballduell spielt Klos den Ball. Zieleniecki kommt etwas zu spät, verfehlt das Spielgerät und trifft Klos mit dem Kopf an dessen Kopf. Man sieht auch sehr gut an der Flugbahn des Balles, wer diesen mit dem Kopf spielt, nämlich Klos. Somit hätte es einen Freistoß für Bielefeld geben müssen, da ein Foulspiel vorliegt. Eine Fehlentscheidung, das Spiel nicht zu unterbrechen und den fälligen Freistoß für Bielefeld auszusprechen. Selbst wenn kein Foulspiel vorgelegen hätte, hätte der Schiedsrichter das Spiel sofort unterbrechen sollen, da bei Kopfverletzungen Sensibilität gefragt ist und die Gesundheit der Spieler an erster Stelle steht. In dieser Szene war der Ball nicht in einer möglichen Gefahrenzone, sodass es sich sogar anbietet, das Spiel unmittelbar zu unterbinden. Unverständlich, weiterspielen zu lassen. Dass dann daraus ein Gegentor fällt, ist natürlich äußerst ärgerlich.
Szene 3: Nico Hug (Halle) legt sich in den Ball zu weit vor und erwischt Marius Wörl (Bielefeld) im Zweikampf in der Bauchregion. Der Schiedsrichter belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:14:10]
Babak Rafati: Hug legt sich den Ball etwas zu weit vor, und als Wörl zum Ball grätscht und diesem am Boden liegend wegspitzeln kann, kommt Hug und weicht nicht aus, indem er über den am Boden liegenden Gegenspieler wegspringt, sondern tritt in den Bauchbereich von Wörl. Dieser Einsatz ist einfach gesundheitsgefährdend, sodass die rote Karte die richtige Entscheidung gewesen wäre. Eine Fehlentscheidung, es nur bei der gelben Karte zu belassen.
Szene 4: Der bereits verwarnte Besar Halimi (Halle) geht mit gestrecktem Bein und offener Sohle in einen Zweikampf mit Manuel Wintzheimer (Bielefeld) und trifft ihn auch. Der Schiedsrichter belässt es bei einer Ermahnung. [TV-Bilder – ab Minute 1:45:50]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf spielt Halimi ein wenig den Ball, trifft aber auch mit dem gestreckten Bein und der offenen Sohle Wintzheimer am Fuß. Das ist ein Foulspiel, das die Gesundheit des Gegenspielers außer Acht lässt, sodass dieser Einsatz fahrlässig ist und eine gelbe Karte nach sich ziehen muss, die in diesem Fall zu einer gelb-roten Karte gegen den zuvor bereits gelb-verwarnten Halimi führen würde. Eine Fehlentscheidung, keine Ampelkarte auszusprechen. Insgesamt kann man bei diesen ersten vier Szenen festhalten, dass bei der Kartenverteilung keine einheitliche Linie und Regelauslegung erkennbar ist.
Szene 5: Im Strafraum wird Fabian Klos (Bielefeld) von Sebastian Zieleniecki (Halle) am Fuß getroffen und geht zu Boden. Kein Elfmeter, entscheidet der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:55]
Babak Rafati: Bei einem langen Ball in den Strafraum wollen Klos und Zieleniecki zum Ball hoch, und dabei trifft Zieleniecki Gegenspieler Klos womöglich unten am Fuß. Dabei ist der Blick von Zieleniecki nach oben zum Ball gerichtet und nicht nach unten, wo ein möglicher Kontakt zufällig zustande kommt. Dieser Treffer ist allerdings kein Foulspiel, vielmehr passiert dieser im normalen Bewegungsablauf, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 6: Auf Vorlage von Merveille Biankadi trifft Fabian Klos zum 2:2 für Bielefeld. Halle reklamiert Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Ob beim Zuspiel von Biankadi auf Klos eine Abseitsposition vorliegt oder nicht, ist anhand der vorliegenden TV-Bilder nicht zweifelslos erkennbar. Dafür bräuchte es die kalibrierten Linien, die wir vom Videobeweis in der ersten und zweiten Bundesliga kennen. Es kann durchaus sein, dass Klos mit dem Knie in Abseitsposition ist. Da aber Zweifel bleiben, ist es vollkommen richtig vom Assistenten, das Motto "Im Zweifel weiterspielen lassen" zu gewähren.
Szene 7: Im Strafraum geht Julius Biada (Saarbrücken) nach einem Zweikampf mit Philip Fahrner (Freiburg II) zu Fall, es gibt Elfmeter für den FCS. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]
Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum gehen Biada und Fahrner zum Kopfball und verpassen beide das Spielgerät. Auch wenn Fahrner Gegenspieler Biada am Kopfball hindert, ist sein Einsatz nicht elfmeterreif und somit kein Foulspiel. Dieser Kontakt/Körpereinsatz ist erlaubt und fußballtypisch. Es liegt kein Wegschubsen oder ähnliches vor, sodass es eine Fehlentscheidung ist, einen Elfmeter zu geben. Gerade Szenen und Zweikämpfe, die zu einem Elfmeter führen und das Spiel entscheiden können, sollten klar und zweifelslos sein. Diese "cheap-penaltys" sind nicht angebracht und die will auch niemand. Deshalb würde es beim Laufenlassen dieser Szene, im Vergleich zu einem gegebenen Elfmeter wie in dieser Szene, kaum beziehungsweise viel weniger Proteste geben, auch wenn das kein Maßstab für die Einordnung eines Foulspiels ist, wohl aber ein Indiz!
Szene 8: Bei einem Freistoß wird Fabian Rüdlin (Freiburg II) von Bone Uaferro (Saarbrücken) mit dem Arm im Gesicht getroffen und geht zu Fall. Auf den Punkt zeigt der Schiedsrichter nicht. [TV-Bilder – ab Minute 47:25]
Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum kommt es zu einem Zweikampf zwischen Uaferro und Rüdlin. Dabei hat Uaferro den Arm in natürlicher Haltung, auch wenn dieser abgespreizt ist und Rüdlin gegen diesen Arm läuft und zu Fall kommt. Uaferro sieht zudem den Gegenspieler im Rücken nicht. Dieser Zusammenprall ist kein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 9: Cyrill Akono trifft zum 1:2 für Lübeck, jedoch entscheidet der Schiedsrichter auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 44:05]
Babak Rafati: Zunächst legt sich Akono den Ball vor, dabei steht Facklam in Abseitsposition. Allerdings greift er zunächst nicht ins Spielgeschehen ein, sodass eine passive Abseitsstellung von ihm vorliegt, die nicht strafbar ist. Anschließend kommt es aber zu einem Zweikampf zwischen Facklam und Ingolstadts Malone. Hierbei ist regeltechnisch festgelegt, dass ein Spieler, der sich zum Zeitpunkt, in dem ein Mitspieler den Ball spielt, nur dann in einer Abseitsstellung befindet und bestraft wird, wenn dieser aktiv am Spiel teilnimmt, indem er unter anderem den Gegner beeinflusst oder aber auch daran hindert, den Ball zu spielen oder einen Zweikampf führt und einige andere Parameter. In dieser Szene bindet Malone den Verteidiger von Ingolstadt in einen Zweikampf und hindert diesen daran zum Ball zu laufen, sodass schlussendlich die Abseitsposition aktiv wird. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, diesen Treffer wegen dieser Abseitsstellung abzuerkennen.
Szene 10: Im Zweikampf mit Nicolas Sessa (Verl) spielt Sebastian Mrowca (Münster) den Ball, sieht aber dennoch Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 38:05]
Babak Rafati: Sessa schlägt aus dem Mittelfeld einen Pass in die Spitze. Dabei kommt Mrowca angegrätscht und will diesen Pass verhindern. Dadurch, dass er etwas zu spät kommt, verfehlt er den Ball und trifft ins Leere. Nachdem der Ball von Sessa gespielt wurde, fällt dieser über die Beine von Mrowca, der am Boden liegt, und geht zu Boden. Das ist ein Foulspiel, und auch wenn es keinen Treffer am Fuß gibt, ist die Dynamik der Aktion zu berücksichtigen, bei der Sessa über die Beine gefällt wird, sodass die gelbe Karte eine richtige Entscheidung ist.
Szene 11: Für eine Grätsche gegen Maximilian Wolfram (Verl) sieht Luca Bazzoli (Münster) nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:40:50]
Babak Rafati: Bazzoli grätscht sehr energisch zum Ball und spielt auch klar das Spielgerät. Bei diesem Einsatz trifft er aber auch mit dem Nachziehbein Wolfram am Fuß, sodass dieser Einsatz die Gesundheit des Gegenspielers außer Acht lässt und damit fahrlässig ist. Das ist ein Foulspiel, das zudem die gelbe Karte nach sich zieht, sodass die Entscheidung richtig ist.
Szene 12: Über Kyerewaa und Grodowski kommt der Ball zu Batmaz, der zum 2:1 für Münster trifft. Verl reklamiert Abseits beim Zuspiel auf Grodowski, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Ob im Moment des Zuspiels auf Grodowski dieser im Mittelfeld im Abseits steht oder nicht, ist anhand der TV-Bilder nicht zweifelslos erkennbar. Daher kann die Entscheidung nicht fallabschließend beurteilt werden. Tendenziell sieht es aber danach aus, dass er nicht im Abseits steht, sodass womöglich eine richtige Entscheidung vorliegt. Ein Verler Spieler steht auf der Linie des Mittelkreises und hebt meiner Ansicht nach das Abseits auf.
Szene 13: Im Strafraum kommt Jonas Weik (Sandhausen) im Duell mit Laurent Jans (Mannheim) zu Fall, es gibt Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 44:05]
Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum zwischen Jans und Weik touchiert Jans zwar minimal den Ball, trifft aber viel mehr dem Angreifer in die Beine und bringt ihn deshalb zu Fall. Der Treffer ist ursächlich für das Zufallkommen von Weik. Das ist ein Foulspiel und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Elfmeter zu entscheiden.
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