Strittige Szenen am 19. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Der Platzverweis gegen Gjasula, die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg, Zwickau und Köln, die Behandlungspause von Nehrig, das Tor für Braunschweig, der verwehrte Treffer für Braunschweig, das 1:1 von Chemnitz, das 2:1 und 3:1 von Kaiserslautern sowie das 2:1 von Duisburg. Am 19. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).
Szene 1: Nach einem Fehlpass vor dem eigenen Strafraum von Brian Koglin (Magdeburg) in den Lauf von Rufat Dadashov (Münster) versucht Jürgen Gjasula die Szene zu bereinigen, indem er mit einer Grätsche zum Ball geht – dabei räumt der Magdeburger seinen Gegenspieler komplett ab. Schiedsrichter Dr. Robert Kampka entscheidet trotz zuerst gespieltem Ball auf Rot wegen Notbremse. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]
Babak Rafati: Wenn ein Verteidiger so dynamisch in einen Zweikampf geht, riskiert er immer den Gegner zu treffen, was in dieser Szene auch passiert. Gjasula grätscht zum Ball und spielt diesen auch ein wenig, aber er trifft entscheidend seinen Gegenspieler und bringt ihn zu Fall. Eine richtige Entscheidung, auf Foulspiel und rote Karte gegen Gjasula wegen einer Notbremse zu entscheiden.
Szene 2: Simon Scherder (Münster) spielt einem Gegenspieler den Ball vor die Füße, Manfred Osei Kwadwo (Magdeburg) will daraufhin in den Strafraum eindringen. Auch Fridolin Wagner geht mit einer Grätsche zum Ball und Kwadwo fällt. Kampka lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf knapp innerhalb des Strafraumes von Münster blockt Wagner den Ball mit dem Fuß und Kwadwo fällt über den Ball und das Bein von Wagner. Da die Attacke von Wagner dem Ball galt und nicht dem Gegenspieler, liegt kein Foulspiel vor, sondern ein sauberes Tackling, sodass erneut eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: In der 2. Spielminute zieht sich Bernd Nehrig (Braunschweig) eine Verletzung zu und setzt sich auf den Platz. Schiedsrichter Lasse Koslowski lässt erste Behandlungen auf dem Feld durchführen, bevor er Nehrig nach zwei Minuten Unterbrechung vom Platz schickt. Einwechselspieler Martin Kobylanski kommt dann erst in der 5. Spielminute. [TV-Bilder – ab Minute 17:00]
Babak Rafati: Der Auswechselvorgang ist korrekt, da der Schiedsrichter – nachdem ein Spieler das Feld verlassen hat – nicht warten muss, bis auch ein Spieler eingewechselt wird. Es müssen lediglich mindestens 7 Spieler auf dem Spielfeld sein, davon ein Torhüter.
Szene 4: Kevin Goden (Braunschweig) setzt sich auf der Außenbahn gegen Marco Komenda (Meppen) durch, der SVM-Verteidiger fällt dabei. Aus der Hereingabe resultiert der Ausgleich, den Koslowski gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]
Babak Rafati: Der Einsatz von Goden auf der Außenbahn ist absolut regelkonform. Es liegt kein Foulspiel vor, sodass es eine richtige Entscheidung ist, den anschließenden Treffer für Braunschweig anzuerkennen.
Szene 5: Bei einem Braunschweiger Angriff flankt Martin Kobylanski in den Strafraum, Mike Feigenspan verlängert in der Mitte. Nach einem Abschluss von Nick Proschwitz verwandelt Manuel Schwenk schließlich zum Ausgleich. Koslowski verweigert den Treffer, weil Proschwitz bei der Kopfballverlängerung im Abseits stand. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Bei der Kopfballverlängerung von Feigenspan steht der Mitspieler im Abseits, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, den anschließenden Treffer von Schwenk abzuerkennen.
Szene 6: Bei einer Freistoßhereingabe ist Niklas Hoheneder (Chemnitz) deutlich im Abseits, aber auch der Oberkörper von Philipp Hosiner könnte zu weit vorne sein. Der Ball erreicht aber ohnehin erst Sören Reddemann, der den Ball dann auf Hosiner querlegt. Schiedsrichter Patrick Kessel gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]
Babak Rafati: Bei der Freistoßhereingabe stehen ein oder zwei Spieler im passiven Abseits. Der Ball gelangt jedoch zu Reddemann, der nicht im Abseits steht. Die anschließende Flanke ist eine neue Spielsituation, sodass die vorherige Abseitsposition keine Rolle mehr spielt. Eine richtige Entscheidung, den Treffer für Chemnitz anzuerkennen.
Szene 7: Florian Pick (Kaiserslautern) will Lucas Röser in Szene setzen, der Ball springt dem Lautrer Joker an den Oberarm. Selbst die Lautrer zucken kurz in Erwartung eines Pfiffes, doch dann setzt Röser nach, Skarlatidis schnappt sich den Ball und aus dem Angriff resultiert der 2:1-Führungstreffer. Schiedsrichterin Katrin Rafalski gibt das Tor. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Der Ball prallt an den Arm von Röser. Auch wenn keine Absicht vorliegt, hätte der Treffer nicht zählen dürfen, da auch ein unabsichtliches Handspiel, das zu einer Torchance führt, nachträglich strafbar ist. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer für Kaiserslautern anzuerkennen.
Szene 8: Bei einem Angriff wird Christian Kühlwetter (Kaiserslautern) von Nicolas Feldhahn (Bayern II) gestellt. Vom Fuß des Müncheners springt der Ball kurz an Kühlwetters angelegten Arm, der Lautrer bleibt aber im Ballbesitz und leitet dann das 3:1 ein. Der Treffer wurde erneut von der Unparteiischen anerkannt. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]
Babak Rafati: Auch in dieser Szene liegt zwar kein absichtliches Handspiel vor, aber es entsteht daraus eine Torchance, sodass auch hier nachträglich das Handspiel hätte geahndet werden müssen. Erneut eine Fehlentscheidung, den Treffer für Kaiserslautern zu geben.
Szene 9: Im Strafraum prallt der Ball glücklich zu Gerrit Wegkamp (Zwickau). Kevin Conrad (Mannheim) stellt seinen Fuß rein, der Zwickauer Angreifer fällt und Schiedsrichter Tobias Schultes lässt weiterspielen – kein Strafstoß. [TV-Bilder – ab Minute 18:00]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Mannheim spielt Conrad klar den Ball. Das sieht man sehr gut an der Richtungsänderung und Flugbahn des Balles. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 10: Bei einem Eckball auf Christopher Handke (Zwickau) wird dieser von Marcel Seegert (Mannheim) bearbeitet, sodass er nicht zum Kopfball hochsteigen kann. Für einen Elfmeter erneut zu wenig, entscheidet der Unparteiische. [TV-Bilder – ab Minute 22:00]
Babak Rafati: Dadurch, dass sich beide Spieler bearbeiten, ist es eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Zumal Handke zuerst Seegert schiebt und dieser sich daraufhin nur wehrt.
Szene 11: Patrick Koronkiewicz (Viktoria) will einen Ball in den gegnerischen Strafraum geben, bei der Rettungstat rollt Christian Dorda (Uerdingen) über den Ball. Der Kölner fordert danach einen Handelfmeter, die Pfeife von Schiedsrichter Oliver Lossius bleibt stumm. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]
Babak Rafati: Bei dieser Rettungstat im eigenen Strafraum spielt Dorda unbeabsichtigt den Ball mit der Hand, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 12: Nach einem langen Ball von Ben Balla ist Tim Albutat frei vor Haching-Keeper Mantl und spielt auf Daschner ab, der zum 2:1 für Duisburg trifft. Unterhaching reklamiert Abseits, Schiedsrichter Christof Günsch gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:11:30]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion geht es um zwei mögliche Abseitspositionen. Beim ersten Zuspiel im Mittelfeld steht weit außen auf der rechten Seite ein Verteidiger, der das Abseits aufhebt. Bei der zweiten möglichen Abseitsposition ist zum Zeitpunkt des Abspiels wieder der gleiche Unterhachinger Verteidiger auf der Außenposition und hebt das Abseits erneut auf. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer für Duisburg anzuerkennen.
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