Strittige Szenen am 19. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Halle, Bayern II, Ingolstadt und Magdeburg, das Tor von 1860 und das Foulspiel von Bünning an Vermeij. Am 19. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sechs Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Terrence Boyd (Halle) geht im Strafraum beim Duell mit Alexander Lungwitz (Bayern II) zu Fall, Schiedsrichter Jonas Weickenmeier lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Boyd und Lungwitz wollen beide im Strafraum der Bayern zum Ball. Dabei ist Boyd einen Moment schneller am Spielgerät und spielt dieses auch. Lungwitz kommt etwas zu spät, trifft Boyd hinten an der Ferse und bringt ihn zu Fall. Dadurch, dass beide mit dem Fuß zum Ball gehen, ist es für den Schiedsrichter schwierig zu erkennen, wer den Ball spielt und wer womöglich den Gegner trifft. Eine zusätzlich hilfreiche Orientierung ist dabei, wohin der Ball weiterrollt. So wie der Ball nach dem Zweikampf rollt, hat Boyd diesen zuletzt gespielt. Wer Fußball gespielt hat, weiß, dass wenn der Verteidiger den Ball gespielt hätte, dieser in eine andere Richtung – nämlich nach vorne – gerollt wäre. Somit liegt ein Foulspiel vor und es hätte einen Strafstoß für Halle geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Bei einem Luftzweikampf auf der Strafraumlinie setzt Stipe Vucur (Halle) den Arm gegen Maximilian Zaiser (Bayern II) ein. Kein Elfmeter, sagt Weickenmeier. [TV-Bilder – ab Minute 50:00]

Babak Rafati: Bei diesem Luftzweikampf springt Vucur  zum Kopfball gegen Zaiser hoch und köpft den Ball weg. Dabei fällt der Angreifer zu Boden. Vucur setzt bei diesem Luftzweikampf zwar den Arm ein, führt aber keinen Schlag mit dem Ellenbogen oder Arm aus, vielmehr ist das ein erlaubter und üblicher Armeinsatz, so dass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 3: Nach einem Zweikampf an der Seitenlinie zwischen Richard Neudecker (1860 München) und Filip Bilbija (Ingolstadt) gibt Schiedsrichter Tobias Reichel Einwurf für 1860, aus dem Angriff fällt das 1:0 für 1860. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Bei dieser Aktion geht der Ball in Billard-Manier ins Seitenaus, und es ist für den Schiedsrichter auf dem Platz schwierig zu erkennen, ob Neudecker oder Bilbija zuletzt den Ball berühren, bevor er ins Seitenaus geht. Zunächst entscheidet der Schiedsrichter richtig – nämlich Einwurf für Ingolstadt – korrigiert diese Entscheidung dann aber, vermutlich auf Anraten des Schiedsrichter-Assistenten. Ein sehr gutes Indiz dafür, wer wirklich den Ball zuletzt berührt hat, ist die Spielerreaktion. Neudecker hebt zwar die Hand – wie immer bei Einwürfen -, jedoch ist seine Körperhaltung nicht überzeugend und er ist schon am Weitergehen, also weg vom Ball. Bilbija hebt auch den Arm, holt sich aber gleich den Ball. Die Spieler wissen genau Bescheid, daher sollte man das Verhalten in solche Entscheidungen mit einbeziehen. Natürlich ist damit nicht jedes Spielerverhalten gemeint. Eine Fehlentscheidung, am Ende den Einwurf 1860 München zuzusprechen.

Szene 4: An der Strafraumkante kommt Dennis Eckert Ayensa (Ingolstadt) im Duell mit Philipp Steinhart (1860) zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 35:45]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell kurz vor dem Strafraum von 1860 München geraten Eckert Ayensa und Steinhart aneinander. Ayensa kreuzt den Laufweg von Steinhart und kommt dabei zu Fall. Ein Foulspiel ist nicht auszumachen, wenngleich es natürlich zum Kontakt kommt, was aber nicht für ein Foulspiel ausreicht und nicht Ursache für das Zufallkommen ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 5: Nach einer Ecke für den 1. FC Magdeburg bekommt Patrick Hasenhüttl (Unterhaching) den Ball im Strafraum an die Hand, Schiedsrichter Markus Schmidt pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:51:55]

Babak Rafati: Nach einer Ecke in den Strafraum von Unterhaching springt der Ball auf dem Boden auf. Kurz darauf spitzelt Hasenhüttl den Ball mit den Fuß weg, bekommt jedoch den Ball vom eigenen Fuß an die Hand. Die Hand ist in natürlicher Haltung und das Handspiel erfolgt absolut unabsichtlich, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, dieses Handspiel nicht als strafbar auszulegen und weiterspielen zu lassen. Zudem schreibt die Regel vor, dass wenn ein Spieler den Ball mit einem Körperteil an die eigene Hand schießt und diese nicht vorher unnatürlich eingesetzt wurde, kein strafbares Handspiel vorliegt.

 

Szene 6: Vincent Vermeij (Duisburg) geht nach einen Foul von Lars Bünning (Meppen) zu Boden und muss kurz danach verletzt ausgewechselt werden. Eine Karte sieht Bünning nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:36:10]

Babak Rafati: Vermeij ist bei diesem Zweikampf etwas früher am Ball und spitzelt diesen weg. Bünning kommt etwas zu spät und trifft seinen Gegenspieler sehr unglücklich am Knie. Das ist ein Foulspiel, wenn auch unbeabsichtigt, und hätte somit abgepfiffen werden müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Eine Karte ist aber nicht erforderlich, da die Aktion unglücklich und nicht gegnerorientiert ist.

 

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button