Strittige Szenen am 2. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
25 Jahre war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 2. Spieltag hat er sich acht Szenen einmal genauer angeschaut.
Szene 1: Freistoß für Großaspach: Während Aue-Keeper Martin Männel noch seine Mauer sortiert, schießt Michele Rizzi den Ball bereits ins Tor. Schiedsrichter Justus Zorn gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:04]
Babak Rafati: In dieser Szene agiert der Schiedsrichter äußerst unglücklich. Er pfeift einen Freistoß vor dem Strafraum für Großaspach. Danach begibt er sich zum Tatort, um für Ordnung und die richtige Spielfortsetzung zu sorgen. Er nimmt sogar sein Freistoßspray in die Hand und steht zudem mit dem Rücken zu den Verteidigern, sodass diese natürlich damit rechnen, dass der Schiedsrichter die Mauer stellen und mit dem Freistoßspray in der Hand den Abstand der Mauer festlegen wird. Es scheint dann aber so, dass Michele Rizzi mit dem Schiedsrichter kurz spricht und eine schnelle Freistoßausführung wünscht. Anders ist das plötzliche Nichteinsetzen des Freistoßsprays und die schnelle Entfernung des Schiedsrichters vom Tatort nicht zu erklären.
Regeltechnisch sei erwähnt, dass der Schiedsrichter nicht immer das Freistoßspray einsetzen muss und eine schnelle Ausführung ohne Mauerstellung möglich ist, daher ist der Treffer regelgerecht. Der Schiedsrichter muss einen Freistoß nicht immer erst freigeben, andernfalls wird vom Schiedsrichter unmissverständlich kommuniziert, dass die ausführende Mannschaft erst nach Freigabe durch ihn den Freistoß ausführen darf (muss auch nicht immer durch einen Pfiff erfolgen).
Aber ein Schiedsrichter sollte sich immer erst vergewissern, dass die Verteidiger auch in Position sind. Andernfalls passiert genau das, was passiert ist. Der Ärger der Auer Spieler ist absolut verständlich und nachvollziehbar. Sicherlich wird der Schiedsrichter nach Studium der Fernsehbilder seinen Fehler einsehen und sich selbst am Meisten über diese Szene ärgern. Aus dieser Erfahrung wird ihm dann so etwas nicht noch einmal passieren und er wird in Zukunft beherzigen, dass Sicherheit vor Schnelligkeit geht. Das ist aber auch eine Szene, die jedem Schiedsrichter passieren kann.
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Szene 2: Tim Väyrynen trifft nach einer Ecke zum 1:0 für Dresden, das Schiedsrichter-Team gibt den Treffer nach einer kurzen Beratung jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]
Babak Rafati: In dieser Szene stellt sich die Frage, ob der Angreifer von Dresden aktiv ins Spiel eingreift oder nicht. Dabei ist es unerheblich, ob er den Ball berührt oder nicht. Da er durch die Bewegung zum Ball ins Spiel eingreift und dabei die Verteidiger beeinflusst, liegt ein strafbares Abseits vor und die Entscheidung vom Assistenten ist vollkommen richtig. Hinweis: Wenn man allerdings als Schiedsrichter zu dem Entschluss kommt, dass der Stürmer die Verteidiger nicht beeinflusst, dann würde bei Nichtberührung kein Abseits vorliegen. Für mich werden die Verteidiger beeinflusst.
Szene 3: Aias Aosman (Dresden) wird im Strafraum zu Fall gebracht, Schiedsrichter Arne Aarnink pfeift Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 9:00]
Babak Rafati: Die Aktion des Verteidigers von Würzburg richtet sich nur gegen den Dresdner Angreifer im Strafraum und weniger dem Ball. Er dreht sich in den Gegner und lässt ihn auflaufen, sodass der Stürmer am Weiterlaufen gehindert wird. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, auf Strafstoß zu entscheiden.
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Szene 4: Felix Schiller (1. FC Magdeburg) spielt den Ball im Strafraum im Spiel gleich zwei Mal mit der Hand, die Pfeife von Schiedsrichterin Riem Hussein bleibt jeweils stumm. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]
Babak Rafati: Beim ersten Handspiel erfolgt durch den Magdeburger Verteidiger bewusst eine Vergrößerung der Körperhaltung, indem er die Arme herausstreckt. Zudem wird durch diese Spielweise ein Vorteil verschafft. Auch wenn die Distanz kurz ist, hat sich der Spieler bewusst derartig verhalten und es liegt keine natürliche Körperhaltung vor. Es hätte Strafstoß und eine gelbe Karte geben müssen.
Beim zweiten Handspiel spielt der gleiche Spieler den Ball zunächst mit der Brust, danach aber absichtlich mit der Hand im Strafraum. Hier hätte es erneut Strafstoß geben müssen und eine gelb-rote Karte für die zweite Unsportlichkeit, falls die erste Szene geahndet wäre. In beiden Szenen liegt eine Fehlentscheidung vor.
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Szene 5: Markus Gröger (Hansa Rostock) bekommt den Ball im Strafraum nach einem Schuss von Fran Löning an die Hand, Schiedsrichter Sören Storks gibt Strafstoß für den CFC. [TV-Bilder – ab Minute 6:00]
Babak Rafati: Beim Torschuss steht der Verteidiger in unmittelbarer Nähe und bekommt den Ball an den Arm geschossen. Hierbei muss man festhalten, dass der Arm somit nicht zum Ball geht. Auch die kurze Distanz spricht für den Verteidiger. Eine Vergrößerung der Körperfläche, um sich einen Vorteil zu verschaffen, liegt auch nicht vor. Der Schiedsrichter hat freie Sicht auf die Situation und hätte es eigentlich erkennen können. Das ist ein typisches Beispiel, dass kein strafbares Handspiel vorliegt. Somit eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters.
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Szene 6: David Pisot (Osnabrück) sieht nach einem Foul im Mittelfeld von Schiedsrichter Benjamin Cortus Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]
Babak Rafati: Der Verteidiger von Osnabrück trifft bei seinem Tritt den Stuttgarter Spieler in grober Weise mit offener Sohle am Knie und das obwohl der Ball am Boden ist. Auch wenn der Angreifer schnell wieder aufsteht und das Ganze nicht spektakulär aussieht, entscheidet der Schiedsrichter richtigerweise auf einen Platzverweis. Damit wird die Gesundheit der Spieler geschützt und konsequent durch Einhaltung der Regeln Geltung geschaffen. Pisot hat Glück, dass durch den Tritt nicht eine böse Verletzung eintritt.
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Szene 7: Florian Bichler (Erfurt) sieht nach einem Foul im Mittelfeld von Schiedsrichter Robert Kempter Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 4:30]
Babak Rafati: Der Erfurter Spieler legt sich den Ball im Mittelfeld zu weit vor und trifft dann mit offener Sohle seinem Gegenspieler auf den Knöchel. Diese Spielweise ist gesundheitsgefährdend für den Gegenspieler und wird häufig beobachtet, wenn der Ball von einem Spieler vorgelegt wird. Die Schiedsrichter sind angewiesen, eine besondere Aufmerksamkeit auf solche Szenen zu richten. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters hier Gelb-Rot zu zeigen. Das Vergehen ist dunkelgelb-verdächtigt, daher ist der Spieler mit der gelb roten Karte sogar noch gut bedient.Somit setzt er automatisch nur ein Spiel aus, sonst wäre womöglich die Sperre bei einer roten Karte länger ausgefallen.
Szene 8: Kevin Schindler (Wiesbaden) foult im Mittelfeld, Kempter zeigt Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 4:30]
Babak Rafati: Das Foulspiel ist in die Kategorie Allerweltsfoul einzuordnen. Hier liegt keine Härte vor, die außerhalb des Erlaubten ist. Nur der Pfiff und eine Freistoßentscheidung hätte sicherlich ausgereicht. Es liegt somit eine Fehlentscheidung vor.