Strittige Szenen am 21. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Jena, Uerdingen, die Strafstöße für Münster, Chemnitz, Unterhaching und Duisburg, die Platzverweise gegen Skenderovic, Ferati und Pfeiffer, das 2:1 für Zwickau, das Handspiel von Hiller außerhalb des Strafraums und das 4:1 für 1860. Am 20. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Bei einer Hereingabe von Aaron Opoku (Hansa Rostock) berührt Sebastian Mai (Hallescher FC) den Ball im Fallen mit der Hand. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Patrick Ittrich. [TV-Bilder – ab Minute 1:45:20]

Babak Rafati: Mai springt in natürlicher Haltung zum Ball und will diesen blocken. Dabei bekommt er im eigenen Strafraum unbeabsichtigt den Ball an den Arm. Der Arm wurde aber völlig natürlich zum Abstützen am Boden eingesetzt und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, das Spiel fortzusetzen und keinen Strafstoß für Rostock zu geben.

Szene 2: Während Münster angreift, springt der Ball zwischen mehreren Spielern hin und her. Leidtragender ist Dominic Volkmer, der auf der Strafraumlinie stehend das Spielgerät an den ausgestreckten Arm bekommt. Mitja Stegemann zeigt als Unparteiischer auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Volkmer geht im eigenen Strafraum aktiv mit der Hand zum Ball und blockt diesen. Das ist ein absichtliches Handspiel. Somit eine richtige Entscheidung, einen Strafstoß für Münster zu pfeifen.

Szene 3: Nach einem Freistoß für Jena geht Dominik Volkmer im Strafraum zu Boden und fordert einen Elfmeter. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 57:20]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum von Münster läuft Volkmer rückwärts mit dem Rücken zum Tor und lässt sich anschließend selbst in den Gegner hineinfallen. Ein regelwidriger Einsatz des Verteidigers ist dabei nicht auszumachen. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 4: Im Strafraum kommt es zu einem Zweikampf zwischen Meris Skenderovic (Jena) und Jan Löhmannsröben (Münster). Der Stürmer springt dabei mit hohem Bein in seinen Gegenspieler und erhält daraufhin von Stegemann die gelbe Karte. Nach Rücksprache mit dem Assistenten ändert der Unparteiische seine Meinung und zeigt glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Bei der Flanke in den Strafraum von Münster springt Skenderovic mit hohem Bein zum Ball und trifft seinen Gegenspieler Löhmannsröben unglücklich am Kopf. Der Angreifer sieht seinen Gegenspieler dabei nicht. Ein gestrecktes Bein in Richtung des Gegners liegt nicht vor, was eine Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers bedeuten würde. Die erste Entscheidung des Schiedsrichters, Gelb zu verhängen, ist absolut angemessen. Der Schiedsrichter-Assistent hat es aber anders wahrgenommen und informiert den Schiedsrichter, der seine Entscheidung revidiert und die rote Karte ausspricht. Eine Fehlentscheidung, wie oben beschrieben.

 

Szene 5: Bei einem Klärungsversuch per Kopf gehen Jürgen Gjasula (Magdeburg) und Davy Frick (Zwickau) zum Ball. Magdeburgs Mittelfeldspieler ist zuerst am Ball und holt das Spielgerät aus der Luft, wird daraufhin von Frick per Trikotzupfer zu Fall gebracht. Den Abpraller verwandelt Gerrit Wegkamp aus der Distanz, Schiedsrichter Patrick Hanslbauer gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf hält Frick kurz und ansatzlos seinen Gegenspieler Gjasula am Trikot fest, bringt ihn aus dem Gleichgewicht und anschließend zu Fall. Hier hätte es einen Freistoß für Magdeburg geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, nicht zu pfeifen und den anschließenden Treffer für Zwickau anzuerkennen.

 

Szene 6: Mart Ristl (Viktoria) will eine Hereingabe von außen klären, aber Erik Tallig (Chemnitz) spritzt dazwischen, sodass der Kölner nur das Bein seines Gegenspielers trifft. Schiedsrichterin Katrin Rafalski entscheidet auf Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Ristl will im eigenen Strafraum sicherlich den Ball klären, trifft dabei aber Tallig deutlich von hinten in die Beine und bringt ihn zu Fall. Eine richtige Entscheidung, einen Strafstoß für Chemnitz zu geben.

Szene 7: Bei einem weiteren Angriff der Himmelblauen dringt Tarsis Bonga (Chemnitz) in den Strafraum ein – und wird von Sead Hajrovic (Viktoria) gestoppt. Der Verteidiger steht dabei an der Strafraumkante, Bonga läuft in den Abwehrspieler hinein. Schiedsrichterin Katrin Rafalski gibt erneut Strafstoß. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]

Babak Rafati: Bonga legt sich bei einem Angriff den Ball an Hajrovic vorbei und will in den Strafraum eindringen, läuft aber in ihn hinein und kommt zu Fall. Der Verteidiger steht nur, will den Ball klären und kann sich dabei natürlich nicht in Luft auflösen. Bei diesem Zusammenprall liegt somit kein Foulspiel vor. Somit eine Fehlentscheidung, den Strafstoß für Chemnitz zu pfeifen.

 

Szene 8: 1860-Keeper Marco Hiller spielt den Ball gegen Marvin Pourié (Braunschweig) möglicherweise außerhalb des Strafraums mit der Hand – das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:29:45]

Babak Rafati: Hiller rennt aus seinem Tor heraus und berührt den Ball mit der Hand außerhalb des Strafraums. Der Schiedsrichter könnte zwar von seiner Position gut erkennen, ob ein mögliches Vergehen innerhalb oder außerhalb geschieht, da es bei der Beurteilung um die Begrenzungslinie des Strafraums geht, die parallel zur Seitenlinie verläuft. In diesem Fall verdeckt ihm aber Hiller mit seinem Körper möglicherweise die Sicht.

Der Assistent kann wiederum überhaupt nicht helfen, denn selbst wenn er das Handspiel wahrnehmen würde, hätte er aus seiner Position keine Chance zweifelsfrei zu sehen, ob das Vergehen innerhalb oder außerhalb des Strafraums geschieht. Er könnte es wohl, wenn es für ihn bei der Beurteilung um die Begrenzungslinie, die parallel zur Torlinie verläuft, handeln würde. Daher kein Vorwurf an beide, denn dafür bräuchte man den Videobeweis aus der Bundesliga. Es hätte trotzdem einen direkten Freistoß für Braunschweig geben müssen. Zudem hätte es die rote Karte gegen Hiller zur Folge haben müssen, da eine sehr gute Torchance vereitelt wurde. Es liegt somit eine Fehlentscheidung vor.

Szene 9: Im Mittelfeld setzt sich Sascha Mölders (1860) mit vollem Körpereinsatz gegen Steffen Nkansah (Braunschweig) durch und bringt ihn zu Fall, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 4:1. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Nkansah springt zum Kopfball hoch und will klären, wird dabei von Mölders jedoch unten an der Wade getroffen und somit aus dem Gleichgewicht gebracht. Das ist ein Foulspiel und der anschließende Treffer für 1860 München hätte nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer für 1860 München anzuerkennen

 

Szene 10: Jannik Bandowski (Haching) will einen Ball ins Zentrum schlagen, aber Fabio Kaufmann (Würzburg) blockt die Kugel an der Strafraumgrenze ab. Dabei springt dem Würzburger das Leder an den weit ausgefahrenen Arm, sodass Schiedsrichter Robin Braun auf Elfmeter entscheidet. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Bei einer Flanke in den Strafraum fährt Kaufmann beim Abwehrversuch den Arm weit raus und vergrößert somit seine Körperfläche. Das ist folglich ein strafbares Handspiel und eine richtige Entscheidung vom Schiedsrichter, auf den Punkt zu zeigen.

Szene 11: Nach einem Zweikampf mit Stephan Hain (Unterhaching) im Mittelfeld sieht Würzburgs Luca Pfeiffer Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:46:30]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld liegt ein Allerweltsfoul von Pfeiffer vor, so dass der Pfiff in Ordnung geht. Jedoch handelt es sich weder um ein gelbwürdiges Vergehen noch um taktisches Foulspiel. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, Pfeiffer für dieses Foulspiel die gelb-rote Karte zu zeigen.

 

Szene 12: Nachdem Arianit Ferati (Mannheim) für Ballwegschlagen verwarnt wurde, wird er nur eine Minute später in einen Zweikampf mit Markus Ballmert (Meppen) verwickelt. Dabei geht Ferati mit hohem Bein zum Ball und trifft sowohl die Kugel als auch den Gegner. Schiedsrichter Max Burda schickt ihn mit der zweiten Verwarnung vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Die erste gelbe Karte geht wegen Unsportlichkeit in Ordnung. Hier sollten die Spieler den Ball einfach liegen lassen. Bei der zweiten Aktion ist Ferati nur zum Ball orientiert und spielt diesen auch. Dabei sieht er seinen Gegenspieler überhaupt nicht. Dass er ihn beim Ballwegschlagen etwas trifft, passiert im Bewegungsablauf. Von 10 Schiedsrichtern pfeifen noch nicht einmal die Hälfte ein Foulspiel. Eine Fehlentscheidung, in dieser Szene auch noch die gelb-rote Karte gegen Ferati zu zeigen.

 

Szene 13: Bei einer Ecke für die Duisburger wird der Ball in die Mitte verlängert. Lukas Scepanik (Duisburg) und Peter Kurzweg (Ingolstadt) gehen zum Ball, aber der MSV-Angreifer ist zuerst am Ball. Kurzweg trifft Scepanik von hinten unter dem Fuß, weswegen Schiedsrichter Frank Willenborg einen Strafstoß für die Zebras pfiff. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Kurzweg tritt Scepanik beim Abwehrversuch klar von hinten in die Hacken, auch wenn er den Ball spielen will. Das ist ein klares Foulspiel, und somit ist die Entscheidung richtig.

 

Szene 14: Einen Schuss von Tim Boere (Uerdingen) blockt Angelo Stiller (Bayern II) im Strafraum mit der Hand. Kein Elfmeter, entscheidet der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 33:00]

Babak Rafati: Boere schießt den Ball aus kurzer Entfernung im Strafraum von Bayern seinem Gegenspieler Stiller an die Hand, sodass dieser überhaupt nicht mehr reagieren kann. Dabei geht der Ball an die Hand und nicht die Hand zum Ball. Somit liegt keine Absicht vor. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, weiterspielen zu lassen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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