Strittige Szenen am 22. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für 1860 und Uerdingen, der verwehrte Treffer von 1860, das 1:1 für Zwickau, die Strafstöße für Meppen, Chemnitz, Bayern II und Rostock, das 1:0 für Unterhaching, das 1:1 für Magdeburg, das 1:0 für Ingolstadt und der Platzverweis gegen Pagliuca. Am 22. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Sascha Mölders (1860) wird im Strafraum in Szene gesetzt und von Davy Frick (Zwickau) an der Hacke getroffen. Dabei verliert er den Schuh und fordert Elfmeter. Schiedsrichter Patrick Kessel gibt Ecke. [TV-Bilder – ab Minute 23:30]

Babak Rafati: Eine sicherlich kuriose Szene, aber Mölders ist in vollem Lauf und wird im Strafraum von seinem Gegenspieler Frick an der Hacke getroffen, sodass er dabei seinen Schuh verliert. Mölders ist in Aktion, will bei einem aussichtsreichen Angriff zum Ball und wird deutlich behindert, sodass ein Foulspiel vorliegt und es einen Strafstoß für 1860 München hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.

Szene 2: Eine Flanke verlängert Sascha Mölders im Luftzweikampf mit Davy Frick (Zwickau) auf Prince-Osei Owusu, der zum 1:0 trifft. Kessel entscheidet jedoch auf Stürmerfoul und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 53:00]

Babak Rafati: Owusu schiebt im gegnerischen Strafraum Frick ein wenig weg, was jedoch ausreicht, um ihn entscheidend am Kopfball zu hindern und an den Ball zu kommen. Eine vertretbare Entscheidung, auf Foulspiel zu entschieden und den Treffer für 1860 nicht zu geben.

Szene 3: An der Seitenlinie geht der Ball ins Aus, es gibt Einwurf für Zwickau. Anschließend trifft Maurice Hehne (Zwickau) zum Ausgleich. 1860 reklamiert, dass Ronny König im passiven Abseits in der Sicht von 1860-Keeper Hiller stand. Kessel gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 1:00:00]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Schusses von Hehne steht Mitspieler König in der Schussbahn des Balles im Abseits, sodass er Keeper Hiller irritiert und somit eine strafbare/aktive Abseitsposition vorliegt. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer für Zwickau anzuerkennen.

Die Problematik in dieser Szene ist, dass der Assistent von seiner seitlichen Position und der räumlichen Entfernung nicht zweifelsfrei erkennen kann, ob König die Sicht des Torhüters versperrt oder nicht, sodass er womöglich eine passive Abseitsposition annimmt. Die aktive Abseitsposition und Irritation des Torhüters könnte der Schiedsrichter wiederum durch seine Position gut erkennen. Optimal wäre es somit gewesen, wenn eine Kommunikation im Schiedsrichterteam stattgefunden hätte, um gemeinsam die richtige Entscheidung zu treffen.

 

Szene 4: Markus Ballmert (Meppen) dringt in den Strafraum ein und wird von Daniel Bohl (Chemnitz) getroffen. Schiedsrichter Asmir Osmanagic gibt Elfmeter für Meppen. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Ballmert ist im gegnerischen Strafraum früher am Ball und wird anschließend von seinem Gegenspieler Bohl beim Abwehrversuch am Bein getroffen. Eine richtige Entscheidung, diesen Strafstoß für Meppen zu geben.

Szene 5: Nach einer Hereingabe will Philipp Hosiner (Chemnitz) den Ball auf das Tor bringen. Steffen Puttkammer (Meppen) steht im Weg und bekommt den Ball an den Arm. Elfmeter für Chemnitz, entscheidet Osmanagic. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Hosiner schießt auf das Tor und sein Gegenspieler Puttkammer dreht sich mit dem Rücken zum Ball. Dabei nimmt er unnatürlich den Arm heraus und vergrößert damit seine Körperfläche. Das ist ein strafbares Handspiel und somit eine richtige Entscheidung, Strafstoß für Chemnitz zu geben.

 

Szene 6: Florian Pick (Kaiserslautern) wird von Fatih Kaya (Ingolstadt) weit in der eigenen Hälfte zu Fall gebracht. Schiedsrichter Eric Müller lässt das Spiel weiterlaufen, aus dem Ingolstädter Angriff fällt das 1:0. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf drückt Kaya seinen Gegenspieler Pick mit dem Ellenbogen deutlich zu Boden, sodass ein Foulspiel vorliegt. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer für Ingolstadt zu geben.

 

Szene 7: Bei einem Zweikampf zwischen Christoph Greger (Unterhaching) und Roberto Rodriguez (Uerdingen) entscheidet Schiedsrichter Nicolas Winter auf Foulspiel des Uerdingers und gibt Freistoß für Unterhaching, aus dem das 1:0 fällt. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Greger kommt selbstverschuldet ins Stolpern und anschließend zu Fall. Dabei trifft er Rodriguez an den Beinen, sodass es Freistoß für Uerdingen hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, genau andersherum zu pfeifen, was auch noch eine Torfolge nach sich zieht.

Szene 8: Tom Boere (Uerdingen) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Greger zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Winter. [TV-Bilder – ab Minute 56:00]

Babak Rafati: Greger spielt im eigenen Strafraum klar den Ball, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt weiterspielen zu lassen.

Szene 9: Im Strafraum geht Franck Evina (Uerdingen) gegen Dominik Stahl (Unterhaching) zu Boden, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Beim Klärungsversuch im eigenen Strafraum trifft Stahl seinen Gegenspieler Evina hinten am Fuß und bringt ihn folglich zu Fall. In dieser Szene hätte es einen Strafstoß für Uerdingen geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

 

Szene 10: In einem Zweikampf mit Kwasi Wriedt (Bayern II) geht Max Reinthaler (Rostock) zu Fall und blockt den Ball am Boden liegend mit der Hand. Schiedsrichter Alexander Sather gibt Elfmeter für Bayern II. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Reinthaler spielt den Ball im eigenen Strafraum im Liegen klar und aktiv mit der Hand. Der Schiedsrichter wartet kurz den Vorteil ab und entscheidet anschließend vollkommen berechtigt auf Strafstoß für Bayern.

Szene 11: Einen Schuss von Pascal Breier (Rostock) blockt Lars-Lukas Mai (Bayern II) mit dem Oberkörper. Sather entscheidet nach kurzem Zögern auf Handspiel und zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht an sich gut und hat gute Sicht. Mai bekommt den Ball überhaupt nicht an die Hand, sondern an den Oberkörper. Daher eine Fehlentscheidung, auf Strafstoß für Rostock zu entscheiden.

 

Szene 12: Nach einem Zweikampf im Mittelfeld zwischen Kevin Koffi (Mannheim) und Tobias Müller (Magdeburg) entscheidet Schiedsrichter Wolfgang Haslberger auf Freistoß für Magdeburg, aus dem das 1:1 fällt. [TV-Bilder – ab Minute 2:00:15]

Babak Rafati: Diesen Zweikampf im Mittelfeld abzupfeifen ist vertretbar, denn Müller wird von Koffi getroffen und zu Fall gebracht. In der Luft reicht ein leichter Kontakt schon aus, um den Gegner aus der Balance zu bringen.

 

Szene 13: Kilian Pagliuca (Jena) holt Patrick Kammerbauer (Braunschweig) von hinten von den Beinen und sieht glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Pagliuca senst seinen Gegenspieler Kammerbauer im Mittelfeld von der Seite heftig und mit voller Dynamik um. Durch diese Spielweise nimmt er in Kauf, die Gesundheit des Gegenspielers zu gefährden, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, Pagliuca glatt die rote Karte zu geben.

Besser wäre es gewesen, wenn der Schiedsrichter bei der ersten Attacke von Pagliuca schon auf Vorteil entscheidet, zumindest die anschließende Attacke von Ole Käuper im Mittelfeld zu unterbinden und mit der gelben Karte zu belegen. Dann wäre es sicherlich nicht zu dieser Szene gekommen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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